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Peter Löscher ist sich seiner Sache sicher: "Ich bin vom Aufsichtsrat einstimmig für eine zweite Amtszeit berufen worden. Jetzt machen wir uns an die nächste Etappe. Die erste ist extrem erfolgreich verlaufen", sagt der Siemens-Chef.

© dpa-Bildfunk

Siemens-Chef im Interview: "Ich bin der Kapitän"

Peter Löscher steht seit Monaten in der Kritik. Kurz vor der Hauptversammlung am kommenden Mittwoch nimmt Löscher Stellung - und weist Spekulationen über einen baldigen Abgang weit von sich.

Herr Löscher, verspätete ICE-Lieferungen, Pannen bei der Anbindung von Nordsee-Windparks, der teure Abschied vom Solargeschäft und jetzt das Sparprogramm mit Jobabbau - erfreuliche Schlagzeilen hat Siemens zuletzt kaum geliefert. Was machen Sie falsch?

Bleiben wir doch bei den Fakten. Die letzten beiden Jahre waren die besten in der Geschichte des Unternehmens. Schauen Sie sich die vergangenen fünf Jahre an: Wir waren außerordentlich erfolgreich, beim Umsatz, beim Gewinn, bei der Dividende - unter dem Strich haben wir kräftig zugelegt. Und am Ende zählt der Gewinn pro Aktie. Der ist in meinen ersten fünf Jahren um 55 Prozent gestiegen.

Trotzdem weht Ihnen der Wind mächtig ins Gesicht, manche Zeitungen oder Analysten legen Ihnen sogar einen Rücktritt nahe.

Ich bin vom Aufsichtsrat einstimmig für eine zweite Amtszeit berufen worden. Jetzt machen wir uns an die nächste Etappe. Die erste ist extrem erfolgreich verlaufen. Wir mussten den Korruptionsskandal aufräumen, dann kam die Finanz- und Wirtschaftskrise. Und trotzdem haben wir viel schneller viel mehr erreicht, als ich mir je vorgestellt habe. Siemens ist auf Erfolgskurs und daran ändert auch Rauschen im Blätterwald nichts.

Das „Manager-Magazin“ schreibt, große Investment-Fonds wollten die Hauptversammlung kommende Woche zur Abrechnung nutzen.

Lassen wir die Kirche im Dorf und warten die Hauptversammlung ab. Dem gesamten Vorstand und mir ist der Dialog mit unseren Aktionären und Investoren sehr wichtig, und ich bin ganz sicher, dass wir dort breite Zustimmung finden werden.

Einige Investoren schimpfen, weil die Rendite von 12 auf 9,5 Prozent gesunken ist. Reicht das als Grund, jetzt mit dem Programm Siemens 2014 tausende Arbeitsplätze zu streichen, auch in Deutschland?

Arbeitsplatzabbau ist nicht Ansatz und Mittelpunkt von Siemens 2014. Wir stellen uns dem Wettbewerb und wollen nachhaltig erfolgreich sein. Sonst werden wir getrieben und kommen in Situationen wie andere, weniger erfolgreiche Firmen. Das wäre dann wirklich eine Gefahr für Arbeitsplätze. Im Übrigen: In unserem Kerngeschäft haben wir viele neue Arbeitsplätze geschaffen.“ Für die IG Metall sind Sie bereits ein Getriebener der Kapitalmärkte.

Stimmt Ihr Verhältnis zu Gewerkschaftschef Berthold Huber noch?

Getrieben ist niemand. Wir setzen unser Programm Schritt für Schritt um und arbeiten dabei selbstverständlich eng mit unseren Betriebsräten und Arbeitnehmervertretern zusammen. Und Berthold Huber und ich haben ein gutes Vertrauensverhältnis.

Kritiker sehen das anders. Siemens hat viele Baustellen.

Siemens hatte in der Vergangenheit Großbaustellen, weil dem Unternehmen wichtige Geschäfte weggebrochen waren, wie etwa das Kommunikationsgeschäft. Wir haben uns von vielen Geschäften getrennt. Heute stehen wir besser da als je zuvor. Wir haben den Freiraum, uns darauf zu konzentrieren, unsere strategischen Ziele umzusetzen.

Wenn also bei Siemens alles in Ordnung ist, warum fällt die Kritik an Ihnen so heftig aus?

Ich stehe einem großen Konzern vor. Und wer den Vorstandschef von Siemens angreift, findet damit immer Aufmerksamkeit. Aber ich will da gar nicht spekulieren. Natürlich ist uns im letzten Jahr nicht alles gelungen, aber uns ist sehr vieles gelungen. Am Ende zählt Erfolg, und den haben wir. Dahinter stehen 370 000 Mitarbeiter, die Tolles geleistet haben. Deshalb ist die Kritik häufig unfair und ungerecht.

Aber die Pannen häufen sich.

Das täuscht! Wir hatten zwei Probleme, die hier in Deutschland für viele Schlagzeilen gesorgt haben. Bei der Anbindung der Nordsee-Windparks haben wir Fehler gemacht, das habe ich mehrfach klar angesprochen. Wir haben zu viel auf einmal angepackt und bei Pionierprojekten - wo es noch keinerlei Erfahrungen gab - haben wir Zeitplan und Preis fix zugesagt. Das wird jetzt korrigiert.

Und bei den ICE-Zügen?

Das war das zweite Problem. Ich kann die Enttäuschung unseres Kunden Deutsche Bahn verstehen. Da haben wir unseren Teil der Verantwortung. Aber auch die Verzögerungen bei der Zulassung der neuen ICE-Züge sind ein spezifisch deutsches Thema. Die Anforderungen sind speziell, die Zulassungsverfahren kompliziert. In Russland, China und Spanien haben unsere Hochgeschwindigkeitszüge derselben Baureihe schon 150 Millionen Kilometer zurückgelegt, ohne Probleme.

"Ich habe keine Lebensversicherung und ich brauche auch keine."

Kritik gibt es auch an der Strategie. Ihr Umsatzziel von 100 Milliarden Euro liegt in weiter Ferne. Haben Sie es schon bereut, eine so konkrete Ansage gemacht zu haben?

Nein, das bereue ich nicht. Aber ich möchte nochmals hervorheben: Die 100 Milliarden waren immer nur ein Sekundärziel, Wachstum und Größe sind kein Ziel an sich. Sondern es geht um ertragsstarkes, kapitaleffizientes Wachstum. Wir müssen Geld verdienen - und das tun wir.

Das „Manager Magazin“ schreibt, Ihr Finanzvorstand Joe Kaeser würde das 100-Milliarden-Ziel lieber heute als morgen wieder kassieren und sei zunehmend genervt von Ihnen.

Machen Sie sich keine unnötigen Gedanken um uns. Joe Kaeser ist ein exzellenter Finanzvorstand, und wir sind gemeinsam gut und erfolgreich unterwegs.

Und Ihr Verhältnis zu Ihren anderen Kollegen wie Energievorstand Michael Süß oder Industrievorstand Siegfried Russwurm? Sind Sie der Chef? Oder erster unter Gleichen?

Ich bin der Kapitän und der steht auf der Brücke. Im Vorstand wird offen und manchmal kontrovers diskutiert, und das will ich ganz ausdrücklich. Ein Vorstand, der nur ja sagt, wäre nicht gut für das Unternehmen, und den würde ich nicht wollen. Am Ende haben wir stets jede Entscheidung einstimmig getroffen.

Das „Manager Magazin“ handelt Süß und Russwurm bereits als mögliche Nachfolger. Droht Ihnen eine Palastrevolte?

Wie kommen Sie denn da drauf? Das ist Humbug! Wir ergänzen uns in ausgezeichneter Weise, sind ein hervorragendes Team, und die Zusammenarbeit macht große Freude. Und uns allen gemeinsam geht es um den Erfolg von Siemens.

Ihr Aufsichtsratschef Gerhard Cromme sagte dem „Manager Magazin“, der Vorstand sei mit zehn Mitgliedern ungewöhnlich groß und werde mit Sicherheit kleiner werden.

Barbara Kux hat für sich die Entscheidung getroffen, zum Ende ihres Vertrags im Herbst auszuscheiden. Wie wir die Zuständigkeit für den Einkauf und das Thema Nachhaltigkeit im Vorstand neu zuordnen, wird beizeiten besprochen.

Herr Cromme hat Sie 2007 zu Siemens geholt. Sie waren der erste Konzernboss, der von außen kam. Er sagt heute, Sie machten Ihren Job „im Saldo sehr gut“. Ist der Aufsichtsratschef Ihre Lebensversicherung?

Ich habe keine Lebensversicherung und ich brauche auch keine. Am Ende des Tages zählt der Erfolg. dpa

Roland Losch, Sebastian Raabe

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