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Siemens: Die rote Gitti tritt an

Eine österreichische Sozialdemokratin zieht als zweite Frau in den Vorstand von Siemens ein. Brigitte Ederer wird Personalchefin.

München - Für einen Fußballfan ist ihr neues Büro sicher nicht das schlechteste. Das Herz von Birgitte Ederer schlägt zwar vor allem für Austria Wien. Doch wenn die neue Personal- und Europachefin von Siemens am heutigen 1. Juli ihr Büro in der Münchner Zentrale bezieht, reicht ihr ein Blick aus dem Fenster, um die WM-Spiele auf der Großleinwand der „Siemens Soccer City“ zu verfolgen.

Ihr Büro in Wien wird Ederer trotzdem behalten. Seit 2000 saß die heute 54-Jährige im Vorstand von Siemens Österreich, 2005 übernahm sie den Chefposten. Der Wechsel in die Zentrale scheint da der logische nächste Schritt. Doch Ederer hat keine typische Manager-Karriere gemacht, zunächst war sie Berufspolitikerin. 1983 wurde sie mit 27 Jahren für die Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ) die jüngste Abgeordnete des Landes, neun Jahre später arbeitete sie im österreichischen Bundeskanzleramt als Staatssekretärin auf den EU-Beitritt des Landes hin. Der Kontakt zu Siemens entstand während ihrer Zeit als Wiener Finanzstadträtin. Damals war sie unter anderem für die Stadtwerke zuständig. Als Siemens ein neues Straßenbahnmodell mit gravierenden Konstruktionsmängeln lieferte, lernte der damalige Vorstand Ederer als zähe Verhandlungspartnerin kennen.

Eine Sozialdemokratin alten Schlages ist Ederer trotz der langen Parteizugehörigkeit nicht. Das zeigte sie, als sie die Privatisierung von Teilen der Stadtwerke betrieb. Eine Zeit, in der sie sich einigen Anfeindungen ausgesetzt sah. Der Wechsel in die Privatwirtschaft kam da nicht ungelegen. Als Siemens Österreich 2004 VA-Tech übernahm, den bis dahin größten Technologie-Anbieter des Landes, hatte Ederer maßgeblichen Anteil an der Fusion und managte die Verschmelzung der Konzerne. Die lief nicht ohne den Abbau von Arbeitsplätzen ab. Gerade wegen Ederers sozialdemokratischem Hintergrund setzten viele Arbeitnehmer große Hoffnungen in sie, fühlten sich dann aber enttäuscht. „Der Abgang einer Ungeliebten“ schrieb „Die Presse“ über Ederers Wechsel nach München. Und zitiert Gewerkschafter, die ihr attestieren, dass sie Personalabbau „meisterhaft beherrscht“.

Ederer würde widersprechen. Nicht nur, weil es ihr wichtig ist zu betonen, dass Siemens auch Stellen schafft. Sondern auch, weil sie einen Beitrag leisten möchte, den Industriestandort Europa gegenüber den aufstrebenden Schwellennationen abzusichern. Den Strukturwandel könne man nicht aufhalten, sagt Ederer, aber man könne Maßnahmen so setzen, dass er für die Menschen erträglicher sei. Künftig ist sie für die rund 400 000 Beschäftigten des Konzerns verantwortlich.

Ederer ist nun die zweite Österreicherin im Siemens-Vorstand neben Konzernchef Peter Löscher. Gleichzeitig ist sie neben Barbara Kux die zweite Frau in dem Führungsgremium. Siemens ist für Ederer damit in Sachen Geschlechtergerechtigkeit vorbildlich. Von der Frauenquote hält sie nichts, sie sieht die Lösung eher in gesellschaftlichem Druck auf die Unternehmen. Einen „soften Frauenfaktor“ bringe sie nicht mit, heißt es aus dem Konzern, „sie kann knallhart sein.“ Das glaubt man sofort. Der sanft klingende Wiener Dialekt kaschiert das nicht.

In Österreich trägt Ederer immer noch den leicht verniedlichenden Spitznamen „die rote Gitti“. Beim Pressetermin in München hat nur die Halskette die Farbe der Sozialdemokratie, sonst ist Ederer schwarz gekleidet. Als Anpassung an die traditionell eher CSU-geprägte Vorstandskultur bei Siemens ist das nicht zu verstehen. Ederer ist immer noch Mitglied der SPÖ. Moritz Baumstieger

Moritz Baumstieger

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