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Wirtschaft: Siemens geht nach China, Rodenstock nach Tschechien

Deutsche Firmen verlagern viele Jobs ins Ausland – Gesamtmetall fürchtet Verlust von weiteren 600 000 Arbeitsplätzen

Berlin (fo). Der Trend zur Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland hält an. Siemens will in BadenWürttemberg 500 bis 600 Arbeitsplätze streichen und sie möglicherweise nach China verlagern. Fast zeitgleich kündigte der Brillenhersteller Rodenstock an, 350 Stellen im niederbayerischen Regen zu streichen und statt dessen in Tschechien und Fernost zu produzieren. Die Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie beschäftigen inzwischen 1,2 Millionen Mitarbeiter in Auslandsbetrieben. Im eigenen Land sind es nur noch 3,6 Millionen. Und wenn der Trend zum Standortwechsel in Billiglohnländer anhält, könnten nach Schätzungen des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall bis 2015 an die 600 000 weitere Jobs abwandern.

Als Hauptgrund für die Verlagerung werden die hohen Kosten des Produktionsstandortes Deutschland genannt. Doch geht es nicht nur um das Schließen ganzer Fabrikationsanlagen hierzulande, die dann in Asien oder Osteuropa neu aufgezogen werden. Inzwischen entscheiden sich die Unternehmen auch immer öfter, Kapazitäten gar nicht erst in ihrer Heimat aufzubauen. So auch der Elektrokonzern Siemens. Nach Angaben eines Sprechers „gehört es zum Pflichtenheft“ eines jeden Unternehmens, vor einer Investitionsentscheidung alle Standorte zu vergleichen. Selbst Verwaltungsfunktionen oder Forschung und Entwicklung seien davon nicht mehr ausgenommen. Das habe Konzernchef Heinrich von Pierer gerade erst wieder betont, sagte der Sprecher. Weitere konkrete Projekte konnte er für den Siemens-Konzern zwar nicht nennen. Aber es würden mit Sicherheit weiterhin alle Optionen geprüft.

Jetzt ist erst einmal der Standort Bruchsal der Netzwerksparte ICN betroffen. Die Massenfertigung von DSL-Modems könne dort nicht mehr zu konkurrenzfähigen Kosten erfolgen, sagte der Unternehmenssprecher. In Bruchsal beschäftigt Siemens derzeit rund 1400 Mitarbeiter. ICN-Chef Thomas Ganswindt habe die Mitarbeiter am Donnerstag informiert, hieß es weiter. Die Situation dränge, weil die Preise im Sinkflug seien. Beschlüsse lägen aber noch nicht vor. Derzeit liefen Gespräche mit Vertretern der Arbeitnehmer. Die Netzwerksparte ICN war nach langer Krise erst Ende des Geschäftsjahrs 2003 in die schwarzen Zahlen zurückgekehrt; rund 20000 Stellen waren seit 2001 weggefallen.

Der Brillenkonzern Rodenstock will erneut in seinem Werk im niederbayerischen Regen massiv Stellen abbauen. Rund 350 Arbeitsplätze sind betroffen, teilte Rodenstock mit. Bereits seit 1999 hatte Rodenstock die Zahl der Beschäftigten in dem Traditionswerk stark verkleinert. Von den ehemals etwa 1500 Beschäftigten arbeiten dort heute nur noch rund 800. Die Arbeitsplätze will der Brillenhersteller nach Tschechien und Fernost verlagern.

Asiatische Standorte waren bislang vor allem für die großen Konzerne attraktiv. Kleinen und mittleren Unternehmen war der Aufwand für Verlagerungen allerdings oft zu groß. Mit der Erweiterung der EU nach Osteuropa ergeben sich jetzt aber auch für diese Firmen Chancen, neue Märkte zu erschließen, vor allem aber Kostenvorteile zu nutzen. Experten rechnen deshalb damit, dass die Öffnung der mittel- und osteuropäischen Länder den Standortwettbewerb noch einmal kräftig anheizen werde.

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