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Der Alte und der Neue? Finanzvorstand Joe Kaeser (links) könnte Peter Löscher an der Spitze ablösen.

© dpa

Siemens in der Krise: Zu oft gewarnt

Die korrigierten Gewinnprognosen brachten Vorstandschef Peter Löscher zu Fall. Der Aufsichtsrat ist zerstritten.

Berlin - Die Mehrheit der Kapitalvertreter im Aufsichtsrat hat die Ablösung des Vorstandsvorsitzenden Peter Löscher durchgesetzt. Die Arbeitnehmervertreter in dem 20-köpfigen Aufsichtsrat hätten dagegen Löscher im Amt belassen. Das erfuhr der Tagesspiegel in Konzernkreisen. Am Sonntag fanden weitere Beratungen in München statt, um eine neue Führung zu finden. Am kommenden Mittwoch tritt dann der Aufsichtsrat zu seiner turnusgemäßen Sitzung zusammen, bei der es nunmehr aber weniger um Geschäftszahlen, sondern um den Vorstandsvorsitz geht. Auch Aufsichtsratschef Gerhard Cromme könnte noch in den Strudel der Führungskrise geraten. Cromme hatte Löscher 2007 zu Siemens geholt. Vor zwei Jahren war Löschers Vertrag vorzeitig bis 2017 verlängert worden.

Ruhig und professionell hatte Löscher den Konzern umgebaut, nachdem sein Vorgänger Klaus Kleinfeld wegen der Korruptionsaffäre zurückgetreten war. Eine Affäre, die weit in die Zeit des langjährigen Siemens-Chefs Heinrich von Pierer hineinreichte und den Konzern rund zwei Milliarden Euro kostete. Der Österreicher Löscher, ein gelernter Ökonom, der vor seinem Wechsel zu Siemens für den US-Pharmakonzern Merck gearbeitet hatte, überwand den Skandal und konnte in den ersten Jahren mit guten Zahlen glänzen. Doch das Umfeld wurde schwieriger. Löscher kämpfte zunehmend mit der Konjunkturflaute, einer nachlassenden Dynamik in Schwellenländern sowie hausgemachten Pannen.

Richtig eng wurde es mit der zweiten Gewinnwarnung in nicht einmal drei Monaten am vergangenen Donnerstag. Schon für das laufende Geschäftsjahr, das am 30. September endet, hatte Löscher die Gewinnprognose Anfang Mai kappen müssen. Das nun kassierte Gewinnziel für 2014 galt allerdings als Kernstück des milliardenschweren Sparprogramms „Siemens 2014“, mit dem der Konzern in zwei Jahren sechs Milliarden Euro sparen will. Über das Sparprogramm sollen auch tausende Jobs gestrichen werden. Hier setzt die Kritik der Arbeitnehmervertreter an; ihnen fehlt bei allem Spareifer die Zukunftsperspektive. Ähnlich geht es Fondsmanager Peter Ott von MainFirst Asset. „Man kann keine Strategie erkennen“, kritisierte Ott auf Anfrage. „Ein Wechsel im Vorstand würde von der Börse sicher mit einem Vertrauensvorschuss begrüßt“, sagte er. Sprich: Dem Aktienkurs würde dies zunächst Auftrieb geben.

Zwar hat sich die Siemens-Aktie seit Löschers Amtsantritt im Vergleich zu den Papieren etwa der Konkurrenten ABB oder General Electric besser entwickelt (siehe Grafik). Ganz anders sieht es jedoch aus, wenn man die Entwicklung seit 2011 betrachtet. „Siemens entwickelt sich seit Jahren schlechter als der Dax“, konstatiert Ott. „Das macht die Aktionäre nicht glücklich.“ Zwar habe Siemens mit Aktienrückkaufprogrammen und der Trennung von Geschäftsfeldern versucht, den Trend zu drehen. „Das ist schön und gut“, konstatiert Ott, „aber das sind alles keine Maßnahmen, die in die Zukunft gerichtet sind.“ Im Moment sei Siemens dabei, die Fehler aus der Vergangenheit zu reparieren. Allerdings ist der Fondsmanager skeptisch, ob ein Zahlenmann wie Joe Kaeser tatsächlich der Richtige an der Unternehmensspitze eines Technologiekonzerns wie Siemens ist. „Aber wenn er Leute mit Ideen hat, kann es dennoch gelingen. Und Kaeser kann moderieren – ganz im Gegensatz zu Löscher.“ Neben Kaeser gelten die Chefs der Energie- und Industriesparte, Michael Süß und Siegfried Russwurm, als potenzielle Kandidaten.

Wenn es tatsächlich zu einem Umbau an der Unternehmensspitze komme, dann werde es gleich eine große Lösung sein, erwartet Fondsmanager Ott. Bei einer Ablösung Löschers sei es auch Zeit für einen Wechsel an der Spitze des Aufsichtsrats. Schließlich sei Löscher der Mann Crommes. „Diese Entscheidung für einen Neuanfang an der Spitze von Aufsichtsrat und Vorstand wird vor der nächsten Hauptversammlung fallen“, ist Ott sich sicher. „Ich glaube, der Druck von den Investoren ist da.“ Womöglich geben die Aufsichtsräte dem Druck schon am Mittwoch nach. Als Alternative für Cromme käme dessen Stellvertreter Josef Ackermann in Betracht, viele Jahre Vorstandschef der Deutschen Bank.

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