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Wirtschaft: Siemens lobt Saubermann-Preis aus

Konzern will Mitarbeiter auszeichnen, die Vorschläge zur wirkungsvollen Korruptionsbekämpfung machen

Washington - Siemens wird künftig Mitarbeiter auszeichnen, die sich um die Integrität verdient machen. Parallel zu dem Preis für die beste technische Innovationsidee will der Konzern einen „compliance award“, zu deutsch „Saubermann- Preis“, für den besten Vorschlag zur Einhaltung ethischer Standards ausloben. Das sagte Michael Hershman dem Tagesspiegel am Sonntag. Siemens hatte den Mitbegründer von Transparency International (TI) Mitte Dezember mit der Korruptionsabwehr beauftragt. „Ganz bald“ werde das Unternehmen auch einen globalen Ombudsman als weltweiten Ansprechpartner ernennen, sagte Hershman. Bei diesem können über eine Hotline Beschwerden eingereicht werden; und Mitarbeiter können sich dort Rat holen, wie sie sich richtig verhalten.

Diese Neuerungen belegten, dass die Führung des Konzerns einen „Wandel der Unternehmenskultur“ anstrebe, sagte der 61-jährige Amerikaner, der mit dem Deutschen Peter Eigen 1993 mit TI die erste Nichtregierungsorganisation zur weltweiten Korruptionsbekämpfung gründete. Auf seinen Vorschlag hin sei bei Siemens die zentrale Compliance-Abteilung unter dem ehemaligen Stuttgarter Oberstaatsanwalt Daniel Noa gegründet worden. „Innovation war bisher der ganze Stolz von Siemens. Künftig steht Integrität auf der selben Stufe.“

Früher habe die Führung die Regionalbüros oft alleine entscheiden lassen. „ Angesichts der verschärften Gesetzeslage ist enge zentrale Kontrolle nötig“, sagte Hershman. Auch die Personalbewertung ändere sich auf seinen Vorschlag. Das Einhalten der Ethikregeln spiele bei Beförderungen nun die selbe Rolle wie ökonomische oder technische Leistungen. „Klaus Kleinfeld meint es ernst mit dem Wandel“, meinte Hershman.

Überlegungen bei Siemens, sich aus Ländern zurückzuziehen, in denen Korruption bei Geschäften üblich ist, hält Hershman für den falschen Weg. „Der Ansatz muss eher sein, das Verhalten in Märkten mit hohem Korruptionsrisiko zu ändern.“ Und was tun, wenn ein Minister oder Mittelsmann „x Prozent“ vom Abschluss erwartet? Man solle einen „Integritätspakt“ anstreben – „die Regierung und alle Wettbewerber an einen Tisch holen und eine Absprache treffen, dass niemand Bestechung anbietet oder akzeptiert; wer erwischt wird, scheidet aus; ein Schiedsrichter überwacht das Verfahren.“

Siemens ist in 190 Staaten der Erde aktiv. Man habe Erkundungsteams rund um den Globus geschickt und „rund 20 Hochrisiko-Länder“ ausgemacht, sagte Hershman. Namen nennen mag er nicht. In dem Korruptionsindex, den TI jedes Jahr veröffentlicht, zählten zuletzt Kenia, Kongo, Angola, Niger, Kamerun und Simbabwe in Afrika sowie auch Venezuela, Ecuador, Papua-Neuguinea, Kirgisien, Indonesien, Aserbaidschan, die Philippinen, Bangladesh und auch Russland zu den Schlusslichtern.

Seit zwei Monaten verbringt der Amerikaner jede Woche mehrere Tage bei Siemens, drei Mitarbeiter seiner Firma Fairfax Group hat er ganz nach München geschickt. Doch das Bild, wofür die zweifelhaften Zahlungen von 420 Millionen Euro, die Siemens in den Bilanzen entdeckt hat, verwendet wurden, sei noch nicht klar. „Wir sind noch immer in der Frühphase der Ermittlungen“, sagte Hershman. Die Staatsanwaltschaft München hat bisher mehr als 30 Personen vernommen und hält Zahlungen über mindestens 200 Millionen Euro für strafrechtlich relevant.

Laut einem Zeitungsbericht soll die Siemens-Spitze bereits seit mehr als drei Jahren von Bestechungsfällen im Konzern gewusst haben. Schon 2003 sei der damalige Finanzvorstand Heinz-Joachim Neubürger über mögliche Bestechungszahlungen im Ausland informiert worden, berichtete die Süddeutsche Zeitung. Damals seien konzernintern Millionenzahlungen in Nigeria aufgefallen. Trotzdem seien Ermittlungen erst zwei Jahre später durch ausländische Staatsanwaltschaften ins Rollen gekommen.

Hershman betonte, die Siemens-Führung um Klaus Kleinfeld unterstütze die Aufklärung „rückhaltlos“. Das Umdenken in einem Konzern mit mehr als 400 000 Mitarbeitern brauche aber Zeit. „Wie andere Unternehmen auch hat Siemens Dinosaurier in der Belegschaft, die denken, das alte Geschäftsgebaren war erfolgreich. Mit der Zeit sterben sie aus.“ Das Argument, mancherorts gehöre Bestechung zur Landeskultur, findet Hershman empörend. „Fragen Sie mal die Bürger von Bangladesh, ob sie Bestechung in Ordnung finden. Die Mehrheit will, dass das Geld in Bildung und Gesundheit fließt, nicht in Politikertaschen.“

Mittlerweile hat Siemens weitere Experten und Anwälte in den USA mit der Aufklärung beauftragt, darunter die Anwaltskanzlei Debevoise & Plimpton. Die Einschaltung der Kanzlei habe mit den Untersuchungen der US-Börsenaufsicht SEC und des Department of Justice (DoJ) zu tun, erklärte Hershman. Beide Behörden müssen nach US-Recht Bestechung weltweit qua Amt verfolgen. „Sie vernachlässigten ihre Pflicht, wenn sie es nicht täten.“ In welchem Stadium diese Prüfungen gemessen an deutschen Standards sind, lasse sich schwer sagen. In Amerika gebe es keine so scharfe Trennung zwischen reiner Informationssammlung und der Eröffnung eines offiziellen Ermittlungsverfahrens.

Daneben droht dem Konzern möglicherweise auch Ärger wegen illegaler Beschäftigung von Leiharbeitern: Die zum Zoll gehörende Finanzkontrolle Schwarzarbeit gehe davon aus, dass auf den Konzern ein Bußgeld in Millionenhöhe zukomme, berichtet der Focus. Ein Siemens-Sprecher sagte dazu: „Ich kann diese Spekulationen nicht bestätigen.“

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