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Wirtschaft: Siemens setzt weiter auf Asien

Für 1998 Kapitalrendite von 15 Prozent angepeilt / Sorgenkind bleibt die in Berlin angesiedelte VerkehrstechnikVON THOMAS MAGENHEIMWenn es nach Konzernchef Heinrich von Pierer geht, steht der Siemens AG, Berlin/ München, 1998/99 ein schweißtreibender Aufstieg bevor."Der Weg wird steiler," meinte der Obersiemensianer kurz vor Silvester zu den Perspektiven seines Konzerns im neuen Jahr.

Für 1998 Kapitalrendite von 15 Prozent angepeilt / Sorgenkind bleibt die in Berlin angesiedelte VerkehrstechnikVON THOMAS MAGENHEIM

Wenn es nach Konzernchef Heinrich von Pierer geht, steht der Siemens AG, Berlin/ München, 1998/99 ein schweißtreibender Aufstieg bevor."Der Weg wird steiler," meinte der Obersiemensianer kurz vor Silvester zu den Perspektiven seines Konzerns im neuen Jahr.Im Fokus stehen die Gewinne.Von Pierers Gipfelziel für das Jahr 2000 ist eine Eigenkapitalrendite von 15 Prozent.Davon will er auch nach der Verschnaufpause 1996/97 nicht abrücken.Die Rendite sank von 10,5 auf 9,7 Prozent, womit der Weg in der Tat steiler wird.Am Erlangen des Ertragsziels herrschen unter Bankanalysten allerdings kaum Zweifel."Die 15 Prozent werden ohne Tricks erreicht", schätzt etwa der Siemens-Experte der Bayerischen Vereinsbank (BV) AG, Peter Thilo Hasler.Deshalb sehen er und Kollegen den Konzern 1998 an der Börse im Aufwind.Die Siemens-Aktien würden gegenüber dem Dax überdurchschnittlich zulegen und gegen Ende 1998 etwa 130 DM erreichen.Zuletzt notierte das Papier bei 110 DM je Aktie. Die Gunst von Börse und Anlegern läßt sich der deutsche Vorzeigekonzern einiges kosten.Zuletzt wurden große Konzernteile verkauft und im Inland Tausende Stellen gestrichen, um die Profitabilität zu steigern."Wenn ein Unternehmen 2,5 Mrd.DM Gewinn macht und 5000 Leute entläßt, ist das eine perverse Wirtschaftsordnung," kritisierte etwa der CDU-Sozialpolitiker Heiner Geißler die "Shareholder-Value-Mentalität" deutscher Konzerne.Siemens verbuchte 1996/97 gut 2,6 Mrd.DM Gewinn nach Steuern und baute im Inland 3000 Arbeitsplätze ab. Der Spagat zwischen gesellschaftlicher Verantwortung und Mitarbeiterinteressen einerseits sowie international vorzeigbaren Profiten und Aktionärserwartungen andererseits scheint im neuen Jahr ausgestanden.Im heimischen Personalstand von knapp 200 000 Frauen und Männern fahre Siemens 1998 "mehr oder weniger geradeaus," versprach von Pierer und peilt zugleich mindestens 3,5 Mrd.DM Nachsteuergewinn an.Auch das bezweifeln Analysten nicht."Siemens ist keine Restrukturierungsstory mehr, sondern eine Wachstumsgeschichte," glaubt Hasler.1997/98 winken bis zu 115 Mrd.DM Umsatz. Personell findet das Wachstum allerdings im Ausland statt.Siemens überzieht die Welt derzeit mit einem Netzwerk lokaler Wertschöpfung, wovon vor allem Asien profitiert.Das schwächt die Bedeutung heute dominierender deutscher Standorte.Das reflektiert die global stark unterschiedlichen Wachstumsraten.Nach fünf Jahren Stagnation erwartet Siemens dieses Jahr aber erstmals wieder moderate Impulse aus dem Inland.Auslandsmärkte, vor allem in Asien, wachsen dagegen seit Jahren prozentual zweistellig.Die Börsenturbulenzen in Fernost werden an diesen langfristigen Trends nichts ändern, glaubt die Konzernspitze. Derzeit stammen knapp zwei Drittel des Siemens-Umsatzes von 107 Mrd.DM aus dem europäischen Heimatmarkt.Im wenigen Jahren dürfte es nur mehr die Hälfte sein.Der Umsatzanteil aus Amerika soll dagegen von 20 auf 25 Prozent zulegen, der Asiens von zehn auf 20 Prozent.Fünf Prozent entfallen auf den Rest der Welt.Als Folge wird Siemens 1997/98 erstmals mehr Beschäftigte außerhalb Deutschlands haben als innerhalb. Dafür sorgt nicht nur der Aufbau im Ausland, sondern auch die jüngste Akquisitionspolitik von Siemens.Binnen zwölf Monaten hat der Konzern nicht mehr als zukunftsträchtig erachtetes Geschäft mit 5,5 Mrd.DM Umsatz und gut 12 000 Mitarbeitern verkauft.Davon betroffen waren vor allem deutsche Standorte.Zur Stärkung des Kerngeschäfts wurde im Gegenzug kräftig zugekauft.Wie bei den Akquisitionen der schweizerischen Elektrowatt und des konventionellen Kraftwerksgeschäfts des US-Konzerns Westinghouse, die beide 1998 vollzogen werden, stärkt das vor allem den Ausländeranteil der 386 000 Siemensianer. Die Phase des massiven Umbaus scheint beendet.Zwar sieht von Pierer Siemens als "lebenden Organismus", dessen Portfolio ständig überprüft werden müsse."Spektakuläre Veränderungen" stünden aber vorerst nicht an.Das glaubt auch BV-Analyst Hasler.Mit dem Verkauf größerer Brocken, wie zuletzt des Rüstungsgeschäfts, sei 1998 nicht mehr zu rechnen.Allenfalls stünden kleinere Teilbereiche wie etwa das Hörgeräte-Geschäft zur Disposition.Das neue Jahr stehe für Siemens "ganz klar" im Zeichen von Kooperationen.Ziel dabei sei es, Kosten für Forschung und Entwicklung zu teilen, um Ertragspotentiale zu schaffen. Der Analyst hat dabei vor allem den Bereich Halbleiter im Auge, der für Siemens immer mehr zur Ertragsquelle der Zukunft werde.Als Beleg führt er die Ausbaupläne von Siemens in Dresden an, wo zusammen mit dem US-Konzern Motorola mehrere hundert Millionen DM in die dortige Chip-Produktion investiert werden sollen.Kooperationspläne gibt es auch für den Siemens-Kraftwerksbereich KWU.Dort verhandelt man mit der weltgrößten Atomfirma British Nuclear Fuel (BNFL).KWU soll mit dem Brennelemente-Bereich von BNFL verschmolzen werden. Den Zwang zur Kooperation verspürt das Unternehmen beim derzeit wohl größten Sorgenkind des Konzerns, dem vor drei Jahren von Erlangen nach Berlin verlagerten Bereich Verkehrstechnik.Als einziger Bereich wird das Geschäft rund um den ICE auch im laufenden Geschäftsjahr noch rote Zahlen schreiben.Verantwortlich dafür seien nicht nur der globale Preisverfall bei Zügen, sondern auch hausgemachte Probleme, bekannte von Pierer. Lehrgeld bezahlt habe der Verkehrstechnikbereich speziell in Asien.Dort kooperiert Siemens nun mit seinem alten französischen Konkurrenten GEC-Alsthom und hat große Chancen, im Frühjahr 1998 den Zuschlag für einen prestigeträchtigen Milliardenauftrag aus Taiwan zu erhalten.Der Erfolg des "Eurozugs" in Taiwan, einer Kombination aus ICE und Frankreichs TGV, wird für die Zukunft des Siemens-Bereichs Verkehrstechnik und seine Berliner Werke mitentscheidend sein. Gerade davon dürfte abhängen, ob das geplante "Geradeausfahren" beim Personal auch für Berlin gilt, wo seit 1990 etwa ein Drittel aller Siemens-Stellen gestrichen wurden.Noch immer gilt die Bundeshauptstadt mit 19 000 Beschäftigten und der Siemensstadt als größter Siemens-Fertigungsstandort in Deutschland.Noch immer ist der Konzern hier größter privater Arbeitgeber.Neue Stellen würden bei einem Zuschlag für Taiwan vorwiegend vor Ort entstehen, bremste Siemens jedoch zuletzt hochgeschraubte Erwartungen. Allerdings gilt das Projekt als Türöffner für weitere Zugaufträge in Asien.Börsianer halten es für möglich, daß die bislang auf Asien beschränkte Zweckehe zwischen ICE und TGV auf andere Regionen bis hin zur Kapitalverflechtung ausgedehnt wird.Das sind aber Spekulationen.Klar ist dagegen, daß Siemens von Verkehrstechnik bis Gasturbinen und öffentlicher Kommunikation in Berlin bis zum Jahr 2000 etwa eine Milliarde DM investiert.Ab 1999 sieht BV-Analyst Hasler auch für das derzeitige Sorgenkind Verkehrstechnik "sehr gute Perspektiven".Wichtiger ist, daß sich von Pierer zum Geburtsort des Konzerns bekennt: "Berlin ist für uns immer ein wichtiger Standort gewesen, und es wird auch in Zukunft ein wichtiger Standort sein", beruhigt er.

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