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Roland Busch gehört seit April dem Siemens-Vorstand an.

© Andreas Heddergott

Siemens-Vorstand Busch: „Wir können uns ein Engagement in Berlin vorstellen“

Siemens-Vorstand Roland Busch über die Hauptstadt, das Schaufenster für Elektromobilität, Geschäfte mit Städten und intelligente Stromnetze.

Herr Busch, Berlin hatte sich Hoffnung gemacht, Sitz des neuen Unternehmensbereichs Infrastruktur und Städte zu werden. Warum ist nichts daraus geworden?

Das war eine Diskussion, die vor allem in den Medien stattgefunden hat. Und es war keine Entscheidung gegen Berlin. Uns ging es von Anfang an darum, eine schlanke Organisation aufzubauen – also den Standort dort zu etablieren, wo die meisten Stabsstellen ohnehin schon sitzen und auf deren Ressourcen wir auch zurückgreifen können. Das ist eben München mit der Konzernzentrale. Jetzt ist es unsere Aufgabe, mit einigen Hundert Städten auf der ganzen Welt in Dialog zu treten – mit vielen Bürgermeistern habe ich schon gesprochen.

Hatten Sie schon Kontakt mit dem Regierenden Bürgermeister von Berlin?

Noch nicht persönlich, aber das steht auf der Agenda. Aber wir sind auf vielen Ebenen mit der Stadt intensiv im Gespräch – das wird auch in Zukunft so bleiben. Wir sind dort ja nicht nur mit unserer Verkehrstechnik-Division Mobility stark vertreten. Unser System, mit dem der Verkehr in ganz Berlin gesteuert wird, ist eines unserer Vorzeigeprojekte. Auch das Schaufenster Elektromobilität könnte ein wichtiges Thema in Berlin werden.

Wie wird das aussehen?

Berlin will eine der Städte in Deutschland werden, in denen Systeme für Elektromobilität erprobt werden. Wir sehen das mit großem Interesse und könnten uns durchaus auch ein Engagement vorstellen, wenn die Rahmenbedingungen passen. Denn Siemens bietet das gesamte Spektrum für die elektromobile Zukunft.

Wird Berlin von dem neuerlichen Konzernumbau bei Siemens profitieren?

Der neue Sektor ist auf Wachstum ausgerichtet. Ich hoffe daher, beide Seiten werden profitieren. Ich sehe große Chancen, etwa bei der Verkehrstechnik, intelligenten Stromnetzen und dem Gebäudemanagement. Ich hoffe, wir können weitere Projekte starten.

Haben Sie entschieden, wo neben London die neuen Kompetenzzentren entstehen?

Der Prozess läuft noch. Wir suchen nach einem Standort in Asien und einem in den USA. Wir werden in diesen Zentren auch neue Kompetenzen aufbauen. Städte sind ganz besondere Kunden. Sie wollen meist keine bestimmte Technik kaufen, sondern sie brauchen Lösungen für ihre Probleme: um zum Beispiel den Verkehrsfluss zu steigern oder den CO2-Ausstoß zu reduzieren.

Die meisten haben aber kein Geld.

Ja, sie sind natürlich sparsam und auf Sicherheit bedacht: Sie wollen Lösungen, die funktionieren. Die Kompetenzzentren werden daher auch aufzeigen, welche Lösungen in welcher Konstellation sich weltweit schon bewährt haben. Das hilft den Städten und auch uns in der Entwicklung.

Sie starten den neuen Sektor mit 16,5 Milliarden Euro Umsatz und 81<ET>000 Mitarbeitern. Wo wollen Sie in fünf Jahren sein?

Für konkrete Aussagen ist es zu früh. Klar ist: Wir wollen schneller wachsen als der Markt – und damit auch schneller als unsere Wettbewerber.

Wenn Ihr Bereich die Wachstumsstory im Konzern ist, werden Sie dann stärker wachsen als die anderen Bereiche Industrie, Energie und Gesundheit?

Das kann man nicht vergleichen. Im Industrie- und Energiesektor gibt es gewisse Investitionszyklen. Oder denken Sie an die Finanz- und Wirtschaftskrise: Da ist zum Beispiel die Nachfrage aus der Autoindustrie weltweit eingebrochen. Jetzt ist es umgekehrt. Auch der neue Sektor hat eigene Investitionszyklen, aber sie sind weniger volatil, bieten mehr Kontinuität und Planungssicherheit. Wir glauben, dass wir mit dem neuen Sektor die Zyklen in den verschiedenen Märkten gut ausbalancieren können. In der Summe gibt das Siemens Stabilität.

Aber Städte haben doch auch mal mehr und mal weniger Geld.

Es gibt immer den Druck öffentlicher Haushalte. Kaum eine Stadt hat richtig viel Geld. Aber Städte investieren auch in Zeiten knapper Kassen. Denn sie müssen ihre Infrastrukturen kontinuierlich weiterentwickeln, damit nicht irgendwann ihre Stromversorgung oder der Verkehr zum kritischen Engpass werden.

Welche Rendite streben Sie an?

Wir messen uns an unseren Wettbewerbern. Und unser Anspruch ist, über den Zyklus hinweg bei der Rendite in der Top-Liga der Wettbewerber in diesem Markt mitzuspielen. Dass Städte Sparzwängen unterliegen, heißt nicht, dass wir in dem Markt kein Geld verdienen können. Wir haben Finanzierungsideen, mit denen man zum Beispiel Projekte für höhere Energieeffizienz und damit zum Klimaschutz umsetzen kann.

Wie etwa beim Energy-Contracting?

Das ist ein gutes Beispiel. In Berlin haben wir 200 öffentliche Gebäude energetisch modernisiert. Die Stadt senkt so pro Jahr ihre Energierechnung um 5,3 Millionen Euro. Aus diesen Einsparungen bezahlt die Stadt dann uns. Dadurch gewinnen beide Seiten – und die Umwelt.

Wie viele solcher Projekte gibt es?

Wir haben weltweit rund 6500 Gebäude energetisch saniert und uns um die entsprechende Finanzierung gekümmert. Unsere Kunden haben so insgesamt zwei Milliarden Euro an Energiekosten eingespart. Den größten Umsatz mit diesem Modell macht unsere Gebäudetechnik in den USA.

Worauf fokussieren Sie sich am Anfang?

Wir werden uns auf die Städte konzentrieren, die tatsächlich willens und in der Lage sind, Projekte auch umzusetzen. Deswegen nehmen wir unsere Financial Services mit ins Boot. Wachstumspotenziale sehen wir dabei nicht nur in den schnell wachsenden Städten Asiens, sondern auch bei der Sanierung bestehender Gebäude und Infrastrukturen in den etablierten Märkten Europas und den USA.

Sie bauen neue Infrastrukturen in der ganzen Welt auf. Sind wir hierzulande noch auf dem Stand der Technik?

Wenn ich Deutschland mit anderen Ländern vergleiche, sind unsere Stromnetze in Ordnung. Allerdings sind wir im Vergleich zu den USA oder Italien im Rückstand, was die Einführung intelligenter Stromzähler, der Smart-Meter, betrifft. Wenn wir nicht wissen, was und wie verbraucht wird, können wir auch das Angebot nicht optimal steuern. Beim Smart- Meter hat Deutschland also noch Nachholbedarf. Und in Zukunft werden wir immer mehr fluktuierende Energien und dezentrale Energieerzeugung haben – dafür ist unser Netz auch noch nicht gerüstet. Insoweit gibt es Handlungsbedarf, der mit der von der Politik eingeleiteten Energiewende natürlich noch aktueller wird.

Für intelligente Stromnetze müssen Menschen akzeptieren, dass ein Smart-Meter in ihrem Haus eingebaut und eventuell ein Strommast in ihrer Nachbarschaft aufgestellt wird. Glauben Sie, dass das heute in Deutschland durchsetzbar ist?

Wenn wir mehr erneuerbare Energie wollen, müssen wir neue Wege gehen – sonst funktioniert die Energiewende nicht. Auch der Verbraucher muss mitziehen. Ich glaube, dass es schwierig ist, jeden Einzelnen zu überzeugen. Aber die nächste Generation denkt schon ganz anders.

Sie wollen wachsen. Bekommen Sie hierzulande die Mitarbeiter, die Sie brauchen?

Es wird in der Tat ein Problem, genug Ingenieure zu finden. Wir haben schon heute allein in Deutschland 4000 offene Stellen bei Siemens, der Großteil davon für Ingenieure. In Berlin haben wir in letzter Zeit sehr viele Mitarbeiter eingestellt, und wir haben immer noch rund 230 offene Stellen zu besetzen.

Das Gespräch führte Corinna Visser.

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