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AUB II

© dpa

Siemens: "Wir haben Geld gespart"

Steuerhinterziehung oder Firmenstrategie? Der Ex-Siemens-Zentralvorstand bewertet vor Gericht die geschmeidige Zusammenarbeit mit der Arbeitnehmervertretung AUB. Die Urteilsverkündung wird Ende November erwartet.

Die jahrelang verdeckt geflossenen Siemens-Millionen zum Aufbau einer Gegengewerkschaft zur IG Metall sind nach Angaben des früheren Zentralvorstands Johannes Feldmayer eine bewusste Firmenstrategie gewesen. "Dass das wirklich gewollt war, war keine Frage“, sagte er am Mittwoch zu Beginn eines Prozesses vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth. Für die Zahlung von mehr als 30 Millionen Euro an den früheren Bundesvorsitzenden der Arbeitnehmerorganisation AUB, Wilhelm Schelsky, trage er die Verantwortung, sagte er. Die Anklage wirft ihm vor, dadurch die AUB als Gegengewicht zur IG Metall aufgebaut zu haben.

Der Ort, an dem diese Frage geklärt werden soll, hat eine besondere Geschichte: Der Gerichtssaal 600 im Justizgebäude an der Fürther Straße war vor 60 Jahren der Schauplatz der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse. Noch heute gebietet er Ehrfurcht, ist komplett holzgetäfelt, mit wuchtigen Steinportalen und protzigen Kristalllüstern. Richter Richard Caspar eröffnete dort vor vollem Haus das spektakuläre Wirtschaftsverfahren gegen Feldmayer und Schelsky, der ebenfalls erscheinen musste.

Die Anklage lautet Steuerhinterziehung, Untreue und Betrug

Beide fühlen sich unschuldig. Feldmayer begründete dies am ersten Prozesstag ausführlich, aber nicht durchweg plausibel. Schelsky will sich später vor Gericht äußern, hatte aber schon im Vorfeld per Anwalt seine persönliche Unschuld erklären lassen. Verhandelt wird nicht das mutmaßliche Installieren einer Anti-Gewerkschaft in Betriebs- und Aufsichtsrat an sich. Die Anklage lautet auf Steuerhinterziehung, Untreue und im Fall von Schelsky auch auf Betrug an Siemens. "Ich trage die Verantwortung für alle Zahlungen“, räumte Feldmayer ein, der bis Ende 2007 gut drei Jahrzehnte für Siemens tätig war.

Diese Gelder umfassen laut Staatsanwaltschaft 44 fingierte Rechnungen über insgesamt gut 30 Millionen Euro, die per Scheinvertrag von Siemens an Schelsky geflossen seien. Offiziell war das als Beraterhonorar deklariert. In Wahrheit soll Schelsky die AUB aufgebaut und ihr bei Siemens zu vielen Betriebsratsmandaten sowie einer Vertretung im Aufsichtsrat verholfen haben. Hier wird es spitzfindig. Siemens habe mit diesen Geldern lediglich den Aufbau der AUB-Organisation gesponsert und nicht gezielt einzelne Betriebsräte oder deren Abstimmverhalten gekauft, verteidigte sich Feldmayer. Niemals habe er "einen Gedanken daran verschwendet“, dass sein Vertrag 2001 mit Schelsky unrechtmäßiges Handeln ausgelöst haben könnte. Klar sei ihm jedoch gewesen, dass dieser als "Lobbyist für Siemens“ tätig war und genehme Kandidaten für Betriebsratswahlen ausgewählt habe.

AUB sorgte für brave Siemensmitarbeiter

Insgesamt 20 Jahre, bis 2006, habe der "Unternehmensberater“ für Siemens gearbeitet und dabei die AUB in Stellung gebracht. Sie gilt als betont arbeitgeberfreundlich und Garant für fügsame Mitarbeiter. Die AUB habe "sehr positiv gewirkt“ und als erste Arbeitnehmervertretung mit Siemens einen Vertrag zur Arbeitszeitflexibilisierung unterzeichnet, sagte Feldmayer. Für die Betroffenen habe das unbezahlte Mehrarbeit und Lohnverzicht bedeutet.

Dann sagt er den Satz, der für seine juristische Verteidigung entscheidend, moralisch aber entlarvend ist. "Wir haben uns unter dem Strich Geld gespart“, versichert Feldmayer. Denn wegen Untreue kann er nur verurteilt werden, wenn sein Schelsky-Vertrag für Siemens finanziell nachteilig war.

Richter könnte Manager hinter Gitter bringen

Richter Casper ließ durchblicken, was er von der Sache hält. "Die AUB-Kandidaten haben zu Entscheidungen verholfen, die aus Sicht von Siemens die einzig richtigen waren“. Er stellte zudem fest, dass der AUB durch die Siemens-Gelder Wettbewerbsvorteile gegenüber der echten Gewerkschaft IG Metall entstanden sind. Sollte Caspar bei seiner Urteilsverkündung Ende November einen Schuldspruch fällen, drohen Schelsky und Feldmayer mehrere Jahre Haft.

Thomas Magenheim-Hörmann

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