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Skandal-Serie: Siemens sucht den Neuanfang

Entnervt von Schmiergeldskandal und BenQ-Mobile-Pleite haben die Siemens-Aktionäre auf der Hauptversammlung in einer Generalabrechnung mit der Führungsspitze ihrem Unmut Luft verschafft.

München - "Pleiten, Pech und Pannen" hätten in den vergangenen Monaten das Bild des Unternehmens bestimmt, schimpfte Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz vor 12.000 Anteilseignern in der Münchner Olympiahalle. "Der Aktionär hat den Eindruck, dass der Vorstand nicht mehr das Zepter in der Hand hat, sondern getrieben wird." Auch andere Redner kritisierten das Krisenmanagement. Doch angesichts des größten Skandals in der Unternehmensgeschichte fiel die Kritik noch relativ milde aus. Führung und Aktionäre wollen den Blick nach vorne richten und einen Neuanfang suchen.

Vorstandschef Klaus Kleinfeld und der Aufsichtsratsvorsitzende Heinrich von Pierer zeigten sich vor Beginn des Aktionärstreffens in guter Stimmung. "Nachdem ich heute früh mal ausnahmsweise mit meiner Frau frühstücken konnte, bin ich allerbester Laune", sagte Pierer. Kleinfeld wiederum präsentierte zufrieden die Zahlen für das erste Quartal 2006/07 (30. September). Der Gewinn der Bereiche legte um die Hälfte auf 1,6 Milliarden Euro zu. "Das operative Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen, auf der Wachstumsseite haben wir ein gutes Tempo hingelegt", sagte Kleinfeld. Zugleich gab er den geplanten Börsengang der Autosparte VDO und den Kauf der US-Software-Firma UGS bekannt. Der Börse zeigte sich von Kritik der Aktionäre unbeeindruckt: Die Aktie erreichte mit einem Kursanstieg von zeitweise mehr als sechs Prozent auf über 83 Euro den höchsten Stand seit Mitte 2001 - und überholte dabei Eon als wertvollster Dax-Konzern.

"Gegen Betrug ist kein Kraut gewachsen"

In der Aktionärs-Aussprache drehte sich aber zunächst alles um die Schmiergeldaffäre. Die Vorwürfe waren dabei immer die selben: Es sei überraschend, dass das Verschwinden von 200 bis 420 Millionen Euro in schwarze Kassen nicht aufgefallen sei, sagte Henning Gebhardt von der größten deutschen Fondsgesellschaft DWS. Als dann die ersten Hinweise bekannt geworden seien, habe der Vorstand zunächst versucht, das wahre Ausmaß der Affäre unter der Decke zu halten, bemängelte Daniela Bergdolt von der DSW. Doch im Verlauf der Diskussion kam durchaus auch Verständnis auf. "Gegen Betrug ist kein Kraut gewachsen", sagte ein Kleinaktionär. Ein anderer schimpfte über die "selbst ernannten Berufsmoralisten", die Siemens jetzt kritisierten.

So forderten die Vertreter der großen Fonds und der Aktionärsschutzvereinigungen zwar auch, Vorstand und Aufsichtsrat nicht zu entlasten. Den Rücktritt von Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer, in dessen Amtszeit als Vorstandschef der Aufbau des Systems schwarzer Kassen fällt, verlangte aber niemand von ihnen direkt. Lediglich Willi Bender von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) deutete an: "Siemens braucht einen Neuanfang und eine neue Glaubwürdigkeit. Und die ist ohne personelle Konsequenzen nicht zu haben."

Pierer aber will Aufsichtsratschef bleiben. Ein Wort des Bedauerns hatte er allerdings parat. Alarmiert durch einzelne Korruptionsfälle habe der Konzern unter seiner Führung Maßnahmen ergriffen, um solche Dinge ein für alle Mal abzustellen, sagte er. "Ich bedauere zutiefst, dass dies offenbar nicht in ausreichender Weise gelungen ist." (Von Axel Höpner, dpa)

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