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Großer Kuchen. Experten schätzen, dass das Marktvolumen bis 2025 auf mehr als 43 Milliarden Dollar wachsen wird.

© picture alliance / dpa

Smart Parking: Das gute Geschäft mit dem engsten Raum

Parkplätze sind ein knappes Gut, vor allem in Großstädten. „Smart Parking“ wird ein Milliardenmarkt - nicht nur in Berlin.

Rund 100 Stunden verbringt ein Autofahrer im Jahr damit, einen Parkplatz zu suchen. Pro Fahrt legt er dabei 4,5 Kilometer zusätzlich zurück. Danach steht das Auto herum: durchschnittlich 23 Stunden am Tag werden Privatwagen nicht bewegt. In Großstädten wie Berlin wird knapper Parkraum und der Suchverkehr zu einem immer größeren Problem. Obwohl die Bundeshauptstadt relativ schwach motorisiert ist, drängeln sich in der City immer mehr Autos. Auch deshalb, weil jeden Tag gut 200.000 Pendler aus dem Umland in die Stadt strömen, viele davon mit dem eigenen Privat- oder Dienstwagen. Etwa ein Drittel des Stadtverkehrs entfällt täglich auf die Parkplatzsuche.

Um die Blechlawine in den Griff zu kriegen und den Stress der Autofahrer zu mildern, lassen sich Unternehmen etwas einfallen auf dem noch jungen Markt für „Smart Parking“. Möglich machen dies Erfindergeist und der technische Fortschritt. Moderne Autos gleichen fahrenden Computern, die untereinander und mit ihrer Umwelt über Sensoren, Navigationssysteme und das Internet vernetzt sind. Daraus lässt sich Kapital schlagen für technische Dienstleistungen, die die Suche nach Parkplätzen erleichtern. Oder für Modelle des „Shared Parking“, bei denen verfügbare kostenpflichtige Parkplätze – seien sie privat oder öffentlich – von mehreren Nutzern geteilt werden.

Es entsteht ein Milliardenmarkt, wie das Beratungsunternehmen Frost & Sullivan schätzt: Lag der Umsatz mit intelligentem Parken 2014 in Europa und Nordamerika bei gut sieben Milliarden Dollar, könnte er bis 2025 auf mehr als 43 Milliarden Dollar wachsen. Parkplatz-Knappheit als Wachstumsmotor, vor allem in den globalen Megacities.

Siemens testet in Berlin

Siemens demonstriert seit einigen Monaten an der Berliner Bundesallee, wie ein intelligentes Parkleitsystem funktionieren könnte. Auf der Länge von einem Kilometer wurden an Laternenmasten Radarsensoren angebracht, die jeweils sieben Parkplätze und die angrenzenden Straßen, Rad- oder Fußwege überblicken. Das „Über-Kopf-System“ sendet via Smartphone oder Navi Autofahrern in Echtzeit Informationen über freie Parkplätze. Bis zum Sommer soll das Pilotprojekt laufen – dann liegt es am Land Berlin oder einzelnen Bezirken, ob Siemens mit seinem Sensorennetzwerk ins Geschäft kommt. „Wir planen, bereits Ende 2016 in der Lage zu sein, auf mögliche umfassendere Ausschreibungen für kommerzielle Parkmanagementlösungen zu reagieren“, sagt Marcus Zwick, Leiter des Siemens-Innovationsmanagements im Bereich Verkehr. Auch in Dubai und anderen Metropolen in Europa ist Siemens im Gespräch oder mit Testprojekten bereits unterwegs. Einnahmequellen lägen nicht nur in der Bereitstellung der Infrastruktur, sondern vor allem in weiteren Dienstleistungen, die mit Hilfe der Parkdaten generiert würden.

Doch auch die klammen Kommunen profitierten, sagt Zwick. „Für eine Stadt rechnet sich das System, wenn durch Routing der Autofahrer die Infrastruktur optimal genutzt wird und die Effizienz der Parkraumbewirtschaftung gesteigert werden kann.“ Erfahrungen anderer Unternehmen mit Parkplatzsensoren in den USA sind vielversprechend: In San Francisco reduzierte sich der Suchverkehr seit 2010 um mehr als 40 Prozent.

Der Berliner Senat beobachtet das Siemens-Pilotprojekt noch. „Wir sind ganz am Anfang“, heißt es in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. „Vieles muss noch geklärt werden.“ In Berlin gibt es derzeit 40 Parkzonen mit insgesamt knapp 105 000 bewirtschafteten öffentlichen Stellplätzen. Daten über die Zahl der öffentlichen Parkplätze insgesamt sowie Parkhaus-Stellplätze liegen nicht vor.

Daimler, BMW, VW und ganz viele Start-ups

Auch die Autoindustrie und ihre Zulieferer haben das Geschäftsfeld „Smart Parking“ entdeckt. Audi vereinbarte Ende 2015 mit der Stadt Somerville an der Ostküste der USA ein Gemeinschaftsprojekt, bei dem pilotiertes Parken, Technologien für Schwarmintelligenz und vernetzte Ampeln zum Einsatz kommen sollen. BMW forscht seit 2011 in Kooperation mit dem führenden Anbieter von Echtzeitverkehrsinformationen, Inrix, an Lösungen für bequemeres Parken und schnelleres Finden von freien Stellflächen. Titel: „Dynamische Parkwahrscheinlichkeitsprognose“. Bosch wiederum stellte Anfang des Jahres auf der Technik-Messe CES in Las Vegas sein Konzept einer vernetzten Parkplatzsuche vor, bei dem Autos Lücken am Straßenrand erkennen und in eine Datenbank eintragen, die von anderen Fahrern auf der Suche nach einem Abstellplatz für ihr Fahrzeug genutzt werden kann. Das Auto soll nach den Vorstellungen der Bosch-Ingenieure zum rollenden Sensor werden.

Daimler und Volkswagen binden in ihre Mobilitäts-Apps inzwischen auch private Parkplatz-Angebote ein. Allein in diesem Peer-to-Peer-Markt rechnet etwa Roland Berger bis 2020 mit einem Geschäftsvolumen von zwei Milliarden Euro. Ein Kuchen, von dem sich auch zahlreiche Start-up-Firmen ein Stück abschneiden wollen. ParkHere, UnserParkplatz.de, ParkU, Ampido oder die bereits 2013 in Berlin gestartete Firma ParkingList – hinter den mobilen Geschäftsmodellen steckt eine ähnliche Idee: Den riesigen, ungenutzten Bestand an vorhandenen Parkplätzen in privaten Tiefgaragen oder auf Firmengeländen für die Allgemeinheit erschließen.

Geschäftsmodellen fehlt noch die kritische Masse

Beispiel ParkU: Die Online-Parkplatzbörse bietet eine kostenlose App an, mit der Nutzer Zugang zu Tiefgaragen oder reservierten Stellplätzen hinter Schranken und Rolltoren erhalten. Dazu werden beim Parkplatzanbieter Module („Sesam- Boxen“) installiert, die der ParkU-Nutzer per Smartphone ansteuert, um die Schranken zu öffnen. Das Anbieten von Parkplätzen ist für die Vermieter kostenlos; Zeiten und Preise können sie frei bestimmen. Bezahlt wird bargeldlos via Kreditkarte oder Paypal. ParkU erhält bei jeder Parkplatzbuchung eine Provision.

„Bis dato wurden 200 Sesam-Boxen in die elektrischen Schranken- und Toranlagen von Parkplatzbesitzern integriert“, sagt eine Sprecherin. Noch fehlt es also an der kritischen Masse, um das Geschäftsmodell profitabel zu machen. 45 000 Nutzer seien bis heute registriert, 5000 Parkplätze von 941 Anbietern in mehr als 15 Städten in der Schweiz, Deutschland, Österreich und den Niederlanden sind aktuell verfügbar. Wie alle Anbieter auf dem Smart-Parking-Markt spekuliert auch ParkU darauf, dass es in den Großstädten künftig noch enger wird.

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