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Solarbranche: Angst vor der Sonne aus Fernost

Die Gefahr kommt mal wieder aus dem Osten. Vor allem deutsche Solarfirmen nutzen derzeit jede Gelegenheit, speziell die heimischen Hausbesitzer hieran zu erinnern. Sie schüren Panik vor Modulen aus Asien – und produzieren selber dort.

Berlin – Die Gefahr kommt mal wieder aus dem Osten. Vor allem deutsche Solarfirmen nutzen derzeit jede Gelegenheit, speziell die heimischen Hausbesitzer hieran zu erinnern. Vergangene Woche war es der nach eigenen Angaben weltgrößte Solarzellenhersteller Q-Cells aus Bitterfeld-Wolfen in Sachsen-Anhalt: In einer als „Ratgeber“ überschrieben Mitteilung warnt das Unternehmen eindringlich vor Modulen aus Fernost. „Einige Produktionsstätten, vor allem in Asien, fertigen noch in Handarbeit. Dadurch entstehen mehr mögliche Fehlerquellen als in hoch automatisierten Fabriken“, zitiert Q-Cells Uwe Hupach vom TÜV Rheinland.

Der Experte berichtet außerdem vom sogenannten „Hot-Spot-Effekt“ bei Modulen, der eine deutliche Leistungsverschlechterung verursache. Durch Produktionsfehler würden sich Zellen stark aufheizen. „Das kann im schlimmsten Fall zum Ausfall der gesamten Solaranlage führen.“ Dann darf Q-Cells den Experten noch mit den Worten zitieren: „Gute Qualität erfordert hohen technischen Aufwand – und der hat seinen Preis.“

Will dieser TÜV-Mann Hausbesitzer vor Schaden bewahren – oder vor allem Q-Cells helfen? Denn das Unternehmen sieht seine Produkte durch Solarmodule aus Asien bedroht. Q-Cells, wie praktisch alle deutschen Hersteller von Solon bis Solarworld, bangt um seine Existenz. Seit Monaten fallen die Preise, asiatische Konkurrenten drücken ihre Module teils mit Kampfpreisen von einem Euro je Watt Leistung auf den Markt. Deutsche Hersteller müssen etwa zwei Euro oder mehr verlangen. Vor diesem Hintergrund wissen sich die deutschen Unternehmen derzeit offenbar nicht anders zu helfen, als Angst vor Fernost zu schüren.

Das Prinzip ist nicht neu. In den 80ern warnten auch VW und Daimler Autofahrer mehr oder minder offen vor Toyotas „Japan-Schrott“, AEG und Siemens sahen später Toshiba und Samsung als Gefahr. Die jüngsten Warnungen der Solarhersteller haben aber eine neue Qualität. Denn viele lassen sich selbst maßgeblich aus Asien beliefern – oder produzieren gar dort. Q-Cells etwa baut derzeit ein Werk in Malaysia auf und hat bereits 2007 das chinesische Unternehmen LDK Solar beauftragt, bis zum Jahr 2019 rund 34 000 Tonnen Silizium zu Wafern zu verarbeiten, das sind zentrale Komponenten der Solarmodule.

Zwar finden deutsche Hausbesitzer, die Sonnenstrom produzieren, und so bis zu 43 Cent Einspeisevergütung je Kilowattstunde vom Staat kassieren wollen, durchaus schlechte chinesische No-Name-Module auf dem Markt. Allerdings handelt es sich dabei um Exotenprodukte, vor deren Einbau jeder gute Fachhändler abrät. Der TÜV Rheinland – und das steht natürlich nicht in der Q-Cells-Mitteilung – hat aber auch mehrere Solarmodule aus China zertifiziert. Entscheidend beim Kauf ist ein Siegel mit der IEC- Norm 61215 für handelsübliche Module auf Basis des kristallinen Siliziums.

Die Elektro-Kirchner GmbH, Pionierin bei der Installation von Anlagen, bietet jetzt eine Geld-Zurück-Garantie für chinesische Module. Wer innerhalb des ersten Halbjahres nach Montage nicht zufrieden ist, kann die Handwerker rufen und sich kostenfrei die Solarpanels wieder vom Dach holen lassen. Mit diesen und ähnlichen Aktionen wollen Händler deutschen Sonnenstromfreunden die Angst vor „Made in China“ nehmen. „In der Qualität ihrer Produkte können Markenhersteller aus China mit Unternehmen in Europa und den USA mithalten. Unternehmen wie Suntech Power, Trina oder Yingli haben vielleicht nicht so klangvolle Namen, bieten ihre Module aber zu günstigeren Preisen an“, sagt Bernd Schüßler vom Fachmagazin Photon in Aachen.

„Die deutschen Hersteller haben die asiatische Konkurrenz über Jahre unterschätzt“, meint Wolfgang Seeliger, Energie-Analyst bei der LBBW. Jetzt sieht er zwei Möglichkeiten: Entweder Q-Cells und Co. verlagern praktisch ihre gesamte Produktion in Billiglohnländer Asiens. So könnten sie die Kosten um 30 bis 35 Prozent senken. Oder sie produzieren weiter in Europa – dann müssten sie aber neue Zellkonzepte entwickeln und die Wirkungsgrade eines Moduls um 15 bis 20 Prozent erhöhen. Dafür würden Kunden auch mehr Geld zahlen. Verbraucher seien zudem bereit, weitere zehn Prozent mehr auszugeben, wenn es sich um ein in Deutschland gefertigtes Produkt handelt. Sich aber „deutsch“ zu geben und in China zu produzieren, das nennt Seeliger „irgendwie schräg“.

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