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Wirtschaft: Solbes Paradox

Der EUWährungskommissar Pedro Solbes gab vergangene Woche Rätsel auf. Er kritisierte Frankreichs Steuersenkungspläne, warnte aber gleichzeitig Deutschland vor Steuererhöhungen.

Der EUWährungskommissar Pedro Solbes gab vergangene Woche Rätsel auf. Er kritisierte Frankreichs Steuersenkungspläne, warnte aber gleichzeitig Deutschland vor Steuererhöhungen. Die Befürchtungen von Euro-Skeptikern schienen wahr zu werden: Die EU-Vorgaben erlauben weder einen Schritt nach vorn noch zurück. Aber wie bei jedem Paradox liegen auch hier die Dinge anders als sie scheinen.

Solbes Standpunkt ist vernünftig. Man vergisst leicht, dass auch der Staat Ein- und Ausgaben hat. Fast jedes europäische Land könnte eine kräftige Steuersenkung vertragen. Doch ab einem gewissen Punkt muss man auch die Ausgabenseite angehen. Verstehen Sie uns nicht falsch: Natürlich würden Steuersenkungen das Wachstum in Europa ankurbeln. Und das Wachstum würde wiederum dem Staat mehr Steuern einbringen und die „Kosten“ der Steuersenkungen ausgleichen. Aber die Staatsquote liegt in Europa im Schnitt bei 45 Prozent. Das ist viel zu hoch.

Im vergangenen Monat machte der Präsident der EU-Kommission, Romano Prodi, Schlagzeilen, als er den EU-Stabilitätspakt „dumm“ nannte. Solbes wandte zumindest dieses Mal die dummen Vorgaben mit etwas Intelligenz an. Wir haben schon früher Bedenken gegenüber dem Stabilitätspakt geäußert.

Er räumt der Verringerung des Staatsdefizits eine hohe Priorität ein. Das scheint zwangsläufig auf höhere Steuern hinauszulaufen oder zumindest Steuersenkungen zu verhindern. Zwar hat Solbes diese Befürchtungen nicht ganz zerstreut. Doch indem er auf die Bedeutung staatlicher Ausgaben einging, hat er gezeigt, dass die Vorgaben des Stabilitätspaktes mehr als ein Steuersenkungshemmnis sein können. Solbes ging sogar noch weiter. Er wies darauf hin, dass Wirtschaftswachstum das Haushaltsdefizit verkleinert und dass Wachstum nur mit Reformen einhergeht. Dazu gehören Arbeitsmarktreformen, zu denen sich die europäischen Staatschefs nicht durchringen können. Dabei könnten diese Reformen das deutsche Haushaltsdefizit auf zwei Weisen verringern: durch mehr Wachstum und niedrigere Sozialausgaben.

Die EU-Kommission kann Deutschland nicht zu Einschnitten bei seiner Sozialpolitik zwingen. Aber Solbes kann seine einflussreiche Position nutzen, indem er mehr fordert als nur die Einhaltung des Stabilitätspaktes. Dann werden dumme Vorgaben sinnvoller.

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