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Wirtschaft: Solidarität erhalten, Wettbewerb fördern

Finanzierungs- und Trägerstrukturen von Krankenhäusern müssen reformiert werdenVON VON KLAUS-DIRK HENKEÜberall ist es gefragt: Ein besseres Verwaltungsmanagement.Im Europäischen Zentrum für Staatswissenschaften und Staatspraxis sprachen Experten zwei Tage lang über ein besonderes Thema in diesem Zusammenhang: Die Krankenhäuser mit ihren Kosten-, Finanzierungs- und Trägerstrukturen.

Finanzierungs- und Trägerstrukturen von Krankenhäusern müssen reformiert werdenVON VON KLAUS-DIRK HENKEÜberall ist es gefragt: Ein besseres Verwaltungsmanagement.Im Europäischen Zentrum für Staatswissenschaften und Staatspraxis sprachen Experten zwei Tage lang über ein besonderes Thema in diesem Zusammenhang: Die Krankenhäuser mit ihren Kosten-, Finanzierungs- und Trägerstrukturen.Fast fünf Prozentpunkte des Beitragssatzes der Krankenversicherung entfallen auf die Ausgaben für die Behandlung in Krankenhäusern, ein Anteil der kontinuierlich zunimmt.Fast 100 Mrd.DM werden ausgegeben; weit über eine Million Menschen finden hier ihren Arbeitsplatz. Der mit dem Gesundheitsstrukturgesetz aus dem Jahre 1993 erfolgte Einstieg in die leistungsorientierte Vergütung für alle Krankenhäuser hat zu einer Entwicklung geführt, deren Konsequenzen in allen Einzelheiten noch gar nicht abzusehen sind.Zu nennen ist hier vor allem der Wandel der Pflegesätze Neben den überregional gültigen Fallpauschalen und Sonderentgelten sind krankenhausindividuelle Abteilungs- und Basispflegesätze mit den Krankenkassen zu verhandeln.Weitere Elemente sind die Kooperation der ambulanten und stationären Behandlung.sowie erste - vor allem in Berlin noch - zaghafte Schritte in Richtung der Finanzierung von Krankenhausinvestitionen und der laufenden Betriebsausgaben aus einer Hand.Diese veränderten Rahmenbedingungen haben schon zu erheblichen Anpassungsreaktionen geführt: In der Deutschland gab es im Jahr 1995 insgesamt 2325 Krankenhäuser mit 609 123 Betten.Sowohl die Zahl der Krankenhäuser als auch die der Betten ist in der Vergangenheit kontinuierlich gesunken.1991 gab es noch 2411 Häuser mit 655 565 Betten.Bei den Universitätsklinika ist die Situation allerdings differenzierter, dadie Aufgaben in Forschung, Lehre und Weiterbildung hinzutreten. In Deutschland gibt es eine historisch gewachsene Trägerstruktur aus öffentlichen Krankenhäusern, freigemeinnützigen Krankenhäusern und privaten Krankenhäusern.Diese pluralistische Struktur hat sich nach verbreiteter Ansicht als flexibel und leistungsfähig erwiesen.Allerdings scheinen Krankenhäuser mit unterschiedlicher Trägerstruktur unterschiedlich gut für die zukünftigen Herausforderungen gerüstet zu sein.41 Prozent der allgemeinen Krankenhäuser sind in öffentlicher Trägerschaft, weitere 41 Prozent in freigemeinnütziger Trägerschaft und 18 Prozent der Einrichtungen werden als Privatkliniken geführt.Dieses scheinbar ausgewogene Bild verschiebt sich aber, wenn nicht die Zahl der Einrichtungen, sondern die viel wichtigere Bettenkapazität betrachtet wird.Hier sind 57 Prozent der Betten in öffentlichen Einrichtungen aufgestellt, 38 Prozent in freigemeinnützigen und nur ganze vier Prozent in privat betriebenen Häusern.Das Bild der typischen Privatklinik als kleine, hochspezialisierte Einrichtung im Eigentum der Ärzte wandelt sich, da es zunehmend Kapitalgesellschaften gibt, die größere Einrichtungen oft besser und billiger betreiben. Auch im stationären Bereich ist der strukturelle Wandel als Antwort auf vielfältige Herausforderungen (medizinischer Fortschritt, steigende Zahl von Einpersonenhaushalten, chronisch und vielfach erkrankten Menschen, Integration der Betriebs- und Behandlungsabläufe, medizinische Informatik und Telematik, Kostendruck) unerläßlich.Verkrustungen und Blockaden in den Köpfen sind trotz vielfältiger Änderungen noch immer vorhanden.Die Kompetenz der Versicherten, der Patienten und ihrer Angehörigen, der Verwaltungsdirektoren, der Ärzte, der Schwestern und oft der Krankenhausträger reicht noch lange nicht aus, um als notwendig angesehene Veränderungen herbeizuführen. Als z.B.die Parkklinik Weißensee in Ost-Berlin nach Wegfall der Mauer erbaut wurde, schien es der Bevölkerung unvorstellbar, daß es fast ausschließlich für die Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung zur Verfügung stand.Als Beispiel für Einklassenmedizin ist dieses Haus der Allgemeinversorgung nie durch die Presse gegangen.Diese Klinik ist bereits jetzt ein Medizin- bzw.Gesundheitspark mit einer Vielzahl gesundheitlicher und sozialer Einrichtungen.Dazu gehören Arztpraxen, eine Pflegestation und betreutes Wohnen, ein Kindergarten, eine Tagesklinik, ein joint venture bei den teuren Großgeräten mit einem anderen Haus und einer Gemeinschaftspraxis, ausgelagerten Laborleistungen und eine Sozialstation - entsprechend den Bedürfnissen der dort lebenden und zu versorgenden Bevölkerung.Dieses Beispiel sollte Schule machen und zwar durch weitere dieser Einrichtungen im stationären Bereich und in der Pflege, aber auch anderswo. Im Europäischen Vergleich zeichnen sich deutsche Krankenhäuser mit einer signifikant höheren Verweildauer und wesentlich höheren Fallkosten aus.Mit 2,1 Pflegetagen pro Einwohner wurden Krankenhäuser in Deutschland mehr als doppelt so stark frequentiert als in vergleichbaren Nachbarländern, wie z.B.Großbritannien (0,9 Tage), die Niederlande (1,1 Tage) oder Spanien (0,8 Tage).Die Ursachen hierfür werden in Deutschland häufig in einer mangelhaften Kooperation und Koordination der stationären und ambulanten Versorgung gesehen, lassen sich aber nur durch einen europaweiten Vergleich der Versorgungsstrukturen ermitteln. Es ist beklagenswert, daß in der Öffentlichkeit die Gleichzeitigkeit von unverzichtbarer Solidarität und ebenso notwendigem Wettbewerb im Krankenhausbereich noch immer als unüberbrückbarer Gegensatz gesehen wird.Viele Menschen bringen das Gesundheitswesen zu oft in den Geruch der Zweiklassenmedizin und des Rosinenpickens.Ist es ein Rosinenpicker oder ein dynamischer Unternehmer, der strukturelle Veränderungen herbeiführt, die allen zugute kommen? Der Autor ist Professor am Europäisches Zentrum für Staatswissenschaften und Staatspraxis der Technischen Universität, Berlin.

KLAUS-DIRK HENKE

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