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Richtungsweisend. Lutz Lehmann, Leiter des Heizkraftwerks Lichterfelde, zeigt den Ort des geplanten Ersatzbaus. Die neue Gas- und Dampfturbinenanlage mit ressourcensparender Kraft-Wärme-Kopplung soll ab 2012 direkt neben der alten entstehen.Foto: Dietmar Gust/BEA

© Berliner Energieagentur / Gust

Wirtschaft: Sonne auf dem Dach, Elektroauto an der Dose

Intelligente Stromnetze: Wie sich die Technische Universität die Energieversorgung Berlins im Jahr 2037 vorstellt

Berlin - 26 Jahre vor der 800-Jahrfeier Berlins hat die Technische Universität (TU) Berlin schon mal mit den Vorbereitungen begonnen: In einer von Vattenfall und Siemens mit 140 000 Euro finanzierten Studie haben Wissenschaftler ein Konzept namens „Intelligente Energieversorgung für Berlin 2037“ verfasst. Am Montag wurde das Gutachten vorgestellt, das zeigen soll, wie Berlin Energie sparen und das Klima schonen kann.

Wesentliches Kriterium für die Forscher um den Energienetz-Experten Kai Strunz war, den Anteil des Ökostroms zu maximieren. Dazu sollen Puffer geschaffen werden, um die jeweilige Nachfrage ans wetterbedingt schwankende Angebot von Wind- und Sonnenstrom anzupassen. Solche Puffer können Elektroautos sein, die in Zeiten mit geringer Ökostrom-Einspeisung einen Teil ihrer Batterieladung abgeben und in Phasen mit viel Wind oder Sonnenschein wieder aufgeladen werden. Ebenso geeignet seien Kühlschränke und Klimaanlagen, die bei großem (Öko-)Stromangebot und/oder geringer Nachfrage – etwa nachts – „auf Vorrat“ kühlen. Entsprechend weniger müssen konventionelle und klimaschädliche Kraftwerke beisteuern.

Zu 60 Prozent könne Berlin auf diese Weise bis 2037 mit CO2-freiem Strom versorgt werden, folgert Strunz. Voraussetzung dazu sei aber die Schaffung eines „Smart Grid“. Dieses intelligente Stromnetz soll Angebot und Nachfrage austarieren – zum Vorteil der Kunden, die beispielsweise ihre E-Autos immer dann laden, wenn der Strom gerade billig ist. 14 Prozent weniger CO2 bringen nach den Berechnungen der TU allein die Elektroautos. Wobei die Studie auf der Annahme beruht, dass je 35 Prozent der Berliner Fahrzeugflotte dann aus reinen Elektroautos und aus solchen mit zusätzlichem Verbrennungsmotor („Plug-in-Hybrid“) bestehen.

Die für die intelligenten Netze erforderliche aufwändige Regelungstechnik erprobt der Vattenfall-Konzern bereits in einem sogenannten virtuellen Kraftwerk im Märkischen Viertel. Die Zahl der teilnehmenden Haushalte soll nach Auskunft des Berliner Vattenfall-Chefs Rainer Knauber bis Ende dieses Jahres von 10 000 auf 100 000 steigen. Zugleich untersucht der Versorger dort, welche Kostenvorteile die Kunden erwarten, wenn sie ihren Stromverbrauch dem aktuellen Angebot anpassen.

Der notwendige Ausbau des innerstädtischen Stromnetzes ergibt sich nach Auskunft von Knauber schon durch den laufenden Zubau von Photovoltaikanlagen. Die TU-Studie geht davon aus, dass bis 2037 auf 30 Prozent der nach Süden ausgerichteten, schattenfreien Berliner Dächer Solarstrommodule stehen. Der Anteil der Ökostrom-Produktion in Berlin solle von zurzeit 1,6 auf neun Prozent steigen, der im ostdeutschen Vattenfall- Versorgungsgebiet von 25 auf 37 Prozent.

Die größten Energiefresser sind jedoch die Gebäudeheizungen. Anhand sechs charakteristischer Typen von Wohn- und Bürogebäuden haben die Wissenschaftler 45 bis 50 Prozent Einsparpotenzial für realistisch befunden. Ob Dämmung, Fenstertausch oder ganz neue Heizung mit Fernwärmeanschluss oder Blockheizkraftwerk im Keller – fast jede Investition rentiere sich. Allerdings müsse die Sanierungsrate deutlich auf drei Prozent pro Jahr steigen. Dafür seien „erhebliche finanzielle Fördermittel“ notwendig.

Davon abgesehen ist das Konzept nicht an politische Prämissen geknüpft. Aus Sicht des Berliner Siemens-Chefs Burkhard Ischler könnten die formulierten Einsparziele allerdings durchaus in die nächste Koalitionsvereinbarung eingehen. Der bisherige rot-rote Senat hat beim größten Einzelposten kapituliert: Der Entwurf eines Klimaschutzgesetzes, das Wohnungseigentümer zur energetischen Sanierung verpflichten sollte, wurde nach Protesten beerdigt. Und das Energiekonzept des Senats reicht nur bis 2020.

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