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Wirtschaft: Sorge um den Standort

Vergraulte Investoren, demotivierte Unternehmer – Experten warnen vor pauschaler Kapitalismus-Kritik

Unternehmer, Verbände und Ökonomen warnen davor, dass die anhaltende Kapitalismus-Debatte zu einer allgemeinen Kritik an renditeorientierten und risikobereiten Unternehmern ausarten könnte. Der gute Ruf des Wirtschaftsstandorts Deutschland sei außerdem in Gefahr, wenn ausländische Investoren pauschal in den Verdacht gerieten, als Heuschrecken einzufallen, um deutsche Unternehmen auszuschlachten.

„Schon jetzt hat der Standort Schaden genommen“, glaubt Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom). Nach der Neid-Diskussion um Managergehälter habe die aktuelle Debatte eine neue Qualität bekommen: „Internationale Investoren, auf die wir angewiesen sind, werden jetzt gezielt und kollektiv ausgeladen“, sagte Rohleder dem Tagesspiegel am Sonntag. Die Debatte „droht sich zu einer generellen Kritik an der Marktwirtschaft auszuweiten“, fürchtet auch Patrick Adenauer, neuer Präsident der Arbeitsgemeinschaft Selbstständiger Unternehmer (ASU). „So weit darf es nicht kommen“, sagte er dieser Zeitung.

Neu angefacht wurde die von SPD-Chef Franz Müntefering angestoßene Diskussion in dieser Woche von den Ereignissen bei der Deutschen Börse. Vorstandschef Jürgen Seifert und Aufsichtsratschef Rolf Breuer waren von angloamerikanischen Fonds entmachtet worden. Die Bundesregierung prüft deshalb Möglichkeiten für eine stärkere Kontrolle und mehr Transparenz bei Hedge-Fonds. Münteferings Heuschrecken-Kritik an Finanzinvestoren stößt indes auch in SPD-Kreisen auf Kritik.

„Ich stehe dieser Propaganda fassungslos gegenüber“, sagte Ulrich Pfeiffer, Sprecher des Managerkreises der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung, dem Tagesspiegel. „Arbeitgeber und Arbeitnehmer sitzen in Deutschland in einem Boot, und müssen zusammen vorankommen.“ Diese Solidarität dürfe mit der Heuschrecken-Debatte nicht aufs Spiel gesetzt werden.

Experten fürchten, dass zahlreiche Beispiele für gut geführte und gesellschaftlich engagierte Unternehmen in der pauschalen Kapitalismus-Schelte untergehen. „Diese Art von Kritik, die die Komplexität des Themas aus den Augen verliert, kippt das Kind mit dem Bade aus“, warnt etwa Herbert Hax, früherer Wirtschaftsweiser und heute Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Wirtschaftsministeriums.

Übergangen von der Pauschalabrechnung fühlen sich Initiativen, die erfolgreich das gesellschaftliche Engagement von Unternehmern fördern – jenseits von Wettbewerb und Gewinnmaximierung. „Die Akteure tun dies aus Überzeugung, und sie tun es mit Erfolg“, sagt Jochen Tscheulin von der „Initiative für Beschäftigung“, der größten konzertierten Aktion der deutschen Wirtschaft zur Verbesserung der Beschäftigungssituation. Das 1998 von BASF, der Bertelsmann-Stiftung und der Chemie-Gewerkschaft IG BCE initiierte Projekt, an dem sich 400 Unternehmen mit rund 300 Beschäftigungsinitiativen beteiligen, habe seit der Gründung „mehrere zehntausend Arbeitsplätze geschaffen oder gesichert“, sagt Tscheulin. Zu befürchten sei nun, dass eine undifferenzierte Kritik an „den Kapitalisten“ engagierte Unternehmer demotiviere. „Freiwilliges Engagement braucht auch Würdigung“, sagt Tscheulin.

Münteferings Heuschrecken-Bild führe ad absurdum, was die rot-grüne Regierung an sinnvollen und durchaus investitionsfreundlichen Gesetzen auf den Weg gebracht habe, meinen Kritiker. „Wir haben die Heuschrecken doch seit Jahren herbeigebetet“, sagt Gunter Kayser, Geschäftsführer des Bonner Instituts für Mittelstandsforschung (IfM). „Jetzt ist plötzlich alles schlecht, was man vorher den Unternehmen empfohlen hat.“ Zumal den kleinen und mittelständischen Firmen, die nach einhelliger Meinung von Experten auf externes Kapital dringend angewiesen sind. Kayser: „Das Bild des Unternehmers als Corporate Citizen – als ,guter Bürger’ – war gerade in der öffentlichen Wahrnehmung angekommen.“ Nun gefährde der Heuschrecken-Diskurs diesen Imagegewinn wieder.

Verheerend wirkt der Tonfall der Debatte vor allem im Ausland. Internationale Investoren fürchteten, dass Münteferings Polemik Konsequenzen in der Steuerpolitik oder Gesetzgebung haben könnte, sagt Herbert Hax. „Das kommt bei Ausländern, die Deutschland als Investitionsstandort in Betracht ziehen, gar nicht gut an.“ Das befürchtet auch Thomas Pütter, Vorsitzender des Bundesverbands Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK). „Kapital investiert am liebsten dort, wo es geschätzt wird“, sagte Pütter dem Tagesspiegel. Der „Investitionsmagnetismus“ des Standorts Deutschland werde hoffentlich nicht nachlassen. Die Anziehungskraft für ausländisches Kapital ist ohnehin nicht groß: Obwohl Ausländer ihre Kapitalbeteiligungen in Deutschland im vergangenen Jahr um 8,1 Milliarden Euro aufstockten, wurden nach Schätzungen der Uno-Konferenz für Handel und Entwicklung (Unctad) per saldo rund 49 Milliarden Euro aus Deutschland abgezogen.

Für viele Branchen wäre es fatal, wenn Finanzinvestoren künftig einen Bogen um Deutschland machen würden: „Es ist für den innovativen deutschen Mittelstand ausgesprochen schwierig, sich in Deutschland Kapital zu besorgen“, sagt Bitkom-Geschäftsführer Rohleder. „Die aktuelle Diskussion ist gerade für unsere Branche deshalb katastrophal.“ Die deutsche ITK-Branche wolle im laufenden Jahr 10000 zusätzliche Arbeitsplätze schaffen – und sie könne noch mehr tun. Nehme die Kapitalismus-Kritik jedoch an Schärfe zu, „stehen viele Jobs auf dem Spiel“, warnt Rohleder.

80 Prozent der Arbeitsplätze in Deutschland stammen von den gut drei Millionen Mittelständlern. ASU-Präsident Patrick Adenauer, selbst Geschäftsführer einer Baufirma in Köln, ist sich sicher, „dass die Investitionen gerade in kleinen und mittleren Firmen zurückgehen werden“, wenn die Kapitalismus-Debatte weiter in die falsche Richtung laufe.

Damit es so weit nicht kommt, appelliert BVK-Chef Pütter auch an die eigene Branche: „Es zeigt sich, das wir die Öffentlichkeit noch zu wenig über unsere Arbeit aufgeklärt haben.“ So belegten etwa Studien aus den 90er Jahren, dass deutsche Unternehmen, an denen Private-Equity-Firmen beteiligt waren, „deutlich mehr Arbeitsplätze geschaffen haben als der Durchschnitt der Industrie“. Arbeitsplätze, so gibt Pütter zu bedenken, seien aber nicht der einzige Maßstab für den Gesundheitszustand eines gut geführten Unternehmens. Nachhaltiges Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit seien ebenso wichtig. „Hier können Finanzinvestoren als Katalysator wirken.“

Das Thema Beschäftigung werde von vielen angloamerikanischen Finanzinvestoren „weniger sensibel behandelt als etwa bei Eigentümerunternehmern, die ihre Firma wie eine Familie betrachten“, räumt Heino Meerkatt, Private-Equity-Fachmann bei der Unternehmensberatung Boston Consulting, ein. „Sie sichern Beschäftigung nicht um der Beschäftigung willen.“ Falsch sei aber die Annahme, Beteiligungsfirmen seien stets nur an der schnellen Befriedigung ihres Renditehungers interessiert. „Ein Finanzinvestor, der bei einem deutschen Unternehmen einsteigt, kann nur Geld verdienen, wenn er ein blühendes Feld hinterlässt“, sagt Meerkatt. „Ein Feld, das auch nach seinem Ausstieg weiterblüht und nicht einfach abgeerntet wurde.“

C.Brönstrup[H.Mortsiefer], F.Wisdorff

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