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Wirtschaft: Sparen im Zeichen des Kreuzes

Die Wirtschaftskrise setzt auch der Kirche zu. Die reagiert sehr weltlich – mit Entlassungen

In Berlin wird gespart – 600 Arbeitsplätze fallen weg. In Aachen sind zu viele Mitarbeiter an Bord – 370 sollen gehen. In Eichstätt müssen die Personalkosten runter – 120 Jobs werden gestrichen. In Trier verlangen die Manager eine bessere Bilanz – 161 Stellen müssen weg. Selbst im reichen Köln kriselt es – 350 Beschäftigte sind bald überflüssig. Schon wieder neue Hiobsbotschaften für den deutschen Arbeitsmarkt. Doch dieses Mal kommen sie nicht von Unternehmen, sondern von der katholischen Kirche. Die 27 Bistümer in der Bundesrepublik müssen sparen – und setzen nun den Rotstift beim Personal an. Selbst vor betriebsbedingten Kündigungen schrecken die Bischöfe nicht zurück. Früher undenkbar, heute Normalität.

Die Kirche gehört zu den wichtigsten Wirtschaftsfaktoren in Deutschland. Katholische und evangelische Kirche kommen zusammen auf 1,3 Millionen Beschäftigte – nur beim Staat arbeiten mehr Menschen. Das Imperium im Zeichen des Kreuzes umfasst ein breites Spektrum von Unternehmen: den Sozialverband Caritas, Krankenhäuser, Kindertagesstätten, Pflegeheime, Stiftungen, Beteiligungen an Immobiliengruppen und Banken. Zum Konzern gehören auch Tourismus-Unternehmen, Hotels, Brauereien, Gutshöfe, Zeitungen und Buchverlage. Die Kirche besitzt neben Gottes- und Gemeindehäusern noch weitere attraktive Immobilien und Grundstücke sowie ausgedehnte Waldflächen.

Über Wert, Umsatz und Gewinn ihres gesamten Besitzes hält sich die katholische Kirche allerdings bedeckt. Jedes Bistum wirtschaftet in eigener Regie und ist den Gläubigen keine Rechenschaft schuldig. Schätzungen zufolge summiert sich das Vermögen allein der katholischen Kirche auf mehrere hundert Milliarden Euro – kaum verkäufliche Immobilien wie der Kölner Dom allerdings eingerechnet.

Doch die Wirtschaftskrise setzt auch der Kirche zu. Ihre Einnahmen aus der Kirchensteuer bröckeln. Denn die ist an die Lohn- und Einkommensteuer gekoppelt – und dieses Aufkommen geht seit Jahren zurück. Einerseits wegen der Arbeitslosigkeit und der stagnierenden Löhne und Gehälter, andererseits wegen der rot-grünen Steuerreform seit 1999. Allein die dritte Stufe, seit Januar dieses Jahres in Kraft, dürfte Ausfälle von bis zu zehn Prozent verursachen, schätzen die Finanzexperten der Bistümer. Die Zuschüsse von Bund, Ländern und Kommunen für Einrichtungen wie Kindergärten sind auch weniger geworden. Die Bistümer Berlin und Aachen sind zudem wegen Missmanagements mittlerweile Sanierungsfälle.

Hinzu kommt der Mitgliederschwund. In Deutschland ist die Zahl der Katholiken seit 1990 im Schnitt um gut 150000 pro Jahr zurückgegangen. Einer Prognose für den Verband der Diözesen Deutschlands zufolge muss die Kirche bis 2028 auf mehr als ein Viertel ihrer Mitglieder verzichten.

Die Kirche hat auf die Herausforderungen reagiert – und ist nun auf Sanierungskurs. „Zimperlich ist die katholische Kirche dabei nicht“, sagt Renate Richter von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. In den kommenden Jahren stehen nicht nur Lohnsenkungen an, sondern auch mehrere tausend Stellen werden gestrichen. „Die Kirche darf in schlechten Zeiten nicht vergessen, was sie in ihren Sozialwörtern gefordert hat“, mahnt Carsten Frerk, Politologe und Kirchenkritiker aus Hamburg. Starken Widerstand muss die Kirche nicht befürchten: Laut Grundgesetz hat sie als Arbeitgeber eine Sonderstellung. Streiks sind nicht vorgesehen.

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