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Wirtschaft: Sparkassen: Öffentlich-rechtliche Banken fürchten Kontrolle aus Brüssel

Vor "einem ausufernden Observationsrecht" der EU-Wettbewerbskommission hat das geschäftsführende Vorstandsmitglied des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), Holger Berndt, gewarnt. Der Ministerrat müsse der Kommission klare politische Vorgaben machen, forderte Berndt am Mittwoch.

Vor "einem ausufernden Observationsrecht" der EU-Wettbewerbskommission hat das geschäftsführende Vorstandsmitglied des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), Holger Berndt, gewarnt. Der Ministerrat müsse der Kommission klare politische Vorgaben machen, forderte Berndt am Mittwoch. Selbst bei Aufgaben der Daseinsvorsorge werde der Handlungsspielraum der Länder durch die EU-Wettbewerbspolitik erheblich eingeschränkt.

Hinter der Kritik der Sparkassen steht die Sorge um die Zukunft öffentlich-rechtlicher Banken in Deutschland. Durch die Krise der Bankgesellschaft Berlin steht das Thema wieder ganz oben auf der Tagesordnung. Die EU-Wettbewerbskommission stört sich an den staatlichen Haftungsgarantien für öffentlich-rechtliche Banken in Deutschland. Brüssel wertet diese Garantien zum Teil als unzulässige Beihilfen, weil sie nicht mit dem EU-Wettbewerbsrecht vereinbar sind und auch nicht länger mit nationaler Daseinsvorsorge rechtfertigt werden können. Was aber bedeutet Daseinsvorsorge?

Daseinsvorsorge ist ein altmodischer Begriff, der nicht mehr in die Zeit zu passen scheint. Die Wortschöpfung stammt aus dem Jahr 1938, von dem deutschen Verwaltungsrechtler Ernst Forsthoff. Forsthoff umschrieb Daseinsvorsorge als "Erbringung von Leistungen wirtschafts-, gesellschafts-, sozial- oder kulturpolitischer Art mit Hilfe staatlicher Mittel". Bis heute gibt es diese Art der Daseinsvorsorge. Ob Straßen oder Wasserleitungen, ob Krankenhäuser oder Schulen - die öffentliche Verwaltung hat stets dort helfend eingegriffen, wo Mensch und Markt von allein bestimmte Lebensbereiche nicht ausreichend organisieren konnten.

Auch die ersten Sparkassen waren vor rund 250 Jahren aus rein fürsorglichen Erwägungen gegründet worden. Denn mit den kleinen Leuten wollten die großen Banken im allgemeinen damals nichts zu tun haben. Mit der Daseinsvorsorge hingegen konnte Vater Staat Versorgungssicherheit, gleichberechtigten Zugang zu bestimmten Dienstleistungen und eine gerechte Verteilung gewährleisten. Auch heute, so Berndt, werde die "Dezentralität" der Institute am besten durch die öffentlich-rechtliche Rechtsform gesichert. Doch Europas Binnenmarkt fußt auf freiem Wettbewerb. Wettbewerbsverzerrungen durch staatliche Garantien oder Monopole, wie sie oft mit dem sozialstaatlichen Modell der Daseinsvorsorge einhergehen, vertragen sich mit mehr mit den heutigen Spielregeln der Union.

1996 erinnerte die EU-Kommission die Mitgliedsländer daran, dass auch Leistungen der Daseinsvorsorge grundsätzlich dem EU-Wettbewerbsrecht unterliegen und gegebenenfalls privatisiert werden müssen. Im Herbst legte Brüssel überarbeitete Leitlinien zur öffentlichen Daseinsvorsorge vor, wonach die einzelnen Mitgliedsländer in erster Linie selber definieren können, was sie unter Daseinsvorsorge verstehen. Auch die Frage, ob die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse durch den Staat oder private Unternehmen mit entsprechenden Auflagen erbracht werden, sollen die Länder alleine beantworten. Tatsächlich habe man keinen Freiraum, sagt Berndt. Denn: Brüssel behält sich vor, von Fall zu Fall zu prüfen, ob Leistungen der Daseinsvorsorge nicht doch im freien Wettbewerb erbracht werden können.

mo

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