zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Sparpaket stürzt den Bau tief in die Krise

Massiver Protest gegen Regierungsbeschlüsse zur Eigenheimförderung /Beschäftigung sinkt in einem Jahr um elf Prozent

Berlin (mot/msh). Die deutsche Bauwirtschaft schlägt Alarm: Während am Mittwoch 1000 Bauleute in Berlin gegen die Regierungspläne zur Kürzung der Eigenheimzulage auf die Straße gingen, untermauerten der Bauindustrieverband und das Statistische Bundesamt (Destatis) mit neuen Zahlen die Krise der Branche.

Der Wohnungsbau war im September weiter stark rückläufig, der Wirtschaftsbau leidet immer stärker unter der Konjunkturflaute, und nur im öffentlichen Bau entspannte sich die Lage zuletzt etwas. Eine Trendwende erwartet der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie aber kurzfristig nicht. Im Gegenteil: Die Kürzung der Eigenheimförderung werde die Schieflage der Branche noch verschärfen, hieß es.

Zu spüren bekommen dies vor allem die Beschäftigten. Im September arbeiteten laut Destatis noch 859000 Menschen in den Baufirmen – 11,2 Prozent weniger als im Vorjahresmonat. Im Vergleich zum September 2001 verbuchte das Baugewerbe um 5,5 Prozent gesunkene Umsätze (7,9 Milliarden Euro) und um preisbereinigt 0,4 Prozent niedrigere Auftragseingänge. Während die Nachfrage im Hochbau um 9,1 Prozent sank, nahm sie im Tiefbau um 10,5 Prozent zu. Von Januar bis September lagen die Auftragseingänge um 5,7 Prozent unter Vorjahresniveau. Der Gesamtumsatz ging um 7,5 Prozent auf 60,5 Milliarden Euro zurück.

Vor allem bei der Wohnungsbaunachfrage, die in den ersten neun Monaten dieses Jahres nach Verbandsangaben um nominal gut 16 Prozent sank, fürchtet die Baubranche weitere Einschnitte durch die Kürzung der Eigenheimzulage. Die am Mittwoch vom Kabinett beschlossene Neuregelung sieht vor, dass Familien mit Kindern künftig einen Sockelbetrag von 1000 Euro Förderung bekommen, zuzüglich 800 Euro je Kind. Gefördert wird rückwirkend, wenn ein Paar binnen vier Jahren nach Baubeginn oder Hauskauf Nachwuchs bekommt. Die Zulage wird acht Jahre lang gezahlt – unabhängig davon, ob es sich um einen Neubau oder den Kauf eines Altbaus handelt. In den Genuss der Zulage kommen Alleinerziehende mit einem Einkommen bis 70000 Euro und Verheiratete, die nicht mehr als 140000 Euro verdienen. Dazu kommen 20000 Euro pro Kind.

Nach Ansicht von Volkswirten wird die neue Eigenheimzulage und eine Verschlechterung der Abschreibungsbedingungen die Bauwirtschaft weiter belasten. „Die Koalitionsbeschlüsse werden ein rapides Absinken der Baunachfrage zur Folge haben“, sagt Bernd Bartholmai, Bauexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Im Mietwohnungsbau werde „die Investitionsbereitschaft gegen null tendieren“.

Auch das IfoInstitut rechnet beim Bau von Eigenheimen und Mietwohnungen mit einer „deutlichen Reduzierung der Nachfrage“ nach Bauleistungen. Da die Neuregelung erst 2003 in Kraft trete, werde es bis Ende 2002 aber noch zu einem deutlichen Anstieg der Bauanträge und einer kurzfristig stärkeren Nachfrage nach fertigen Häusern und Wohnungen kommen, sagt Ifo-Branchenexperte Volker Rußig. „Es wird einen Ansturm auf vorhandene Gebäude geben.“ Insgesamt begrüßt Rußig die Maßnahmen der Regierung. Der Abbau von Subventionen und die Konzentration der Förderung auf Familien sei „nicht zu kritisieren“. Rußig: „Man kann nicht immer über Subventionsabbau reden und dann schreien, wenn er kommt.“

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false