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Wirtschaft: SPD sieht Zwang zur Einigung im Tarifrecht

Minister Schartau: Union kann Gespräche nicht scheitern lassen / CDU: Keine Kompromisse um jeden Preis

Berlin (ded/ce). NordrheinWestfalens Arbeitsminister Harald Schartau (SPD) hat die Union davor gewarnt, die Verhandlungen über eine Änderung des Tarifvertragsrechts im Vermittlungsausschuss scheitern zu lassen. „Jeder sollte sich von der Illusion lösen, er könne aufstehen und sich ins Gebüsch hauen“, sagte Schartau, der NRW in der Arbeitgsgruppe Wirtschaft und Arbeit vertritt. Es gäbe einen „Einigungszwang“ wie selten zuvor. Den verhärteten Kurs der Union bei der Tarifautonomie und das drohende Nein zum Vorziehen der Steuerreform bezeichnete Schartau als „Taktik“. Es gehe derzeit nur darum, „wer sich am Ende die Lorbeeren anheften kann“. Der Vorsitzende der Gewerkschaft Bergbau Chemie Energie (IGBCE), Hubertus Schmoldt, sagte auf einer Veranstaltung des Erzbistums Essen, er sei zuversichtlich, dass es zwischen den Tarifparteien „bis zum 10. Dezember zu einer außergesetzlichen Einigung“ kommt. Am 10. Dezember kommt der Vermittlungsausschuss aus Bundesrat und Bundestag zusammen.

Hessens Ministerpräsident Roland Koch sagte auf dem Deutschen Arbeitgebertag in Berlin, manchmal sei es besser, auf Kompromisse zu verzichten. Man dürfe nicht um jeden Preis kurzfristig Ergebnisse erzielen wollen. Zunächst gelte es, „aus dem Arbeitsmarkt wieder einen Arbeitsmarkt zu machen“. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt bedauerte die Blockadehaltung der Gewerkschaften. Am Mittwoch waren die Gespräche zwischen den Arbeitgebervertretern und DGB-Chef Michael Sommer gescheitert. „Wir können auf gesetzliche Regelungen nur dann verzichten, wenn die Tarifvertragsparteien kurzfristig selbst betriebliche Öffnungsklauseln vereinbaren“, sagte Hundt. Mit Öffnungsklauseln können auf betrieblicher Ebene etwa Arbeitszeiten anders als im Flächentarifvertrag geregelt werden. Beim Gehalt können Einstiegstarife vereinbart werden oder der Verzicht auf Sonderzahlungen. Für wirtschaftliche Notlagen gibt es Härteklauseln. Die Arbeitgeber fordern , nicht nur in schlechten Zeiten Abweichungen zuzulassen, sondern generell den Betrieben mehr Spielraum zu geben. „Und zwar, ohne dass irgendeine Gewerkschaft da mitredet“, sagte Hundt.

Schartau verteidigte die Weigerung von Rot-Grün, Öffnungsklauseln für betriebliche Bündnisse gesetzlich im Tarifvertragsrecht zu verankern. Die Tarifpartner seien in der Lage, weiterhin zu flexibilisieren. Er forderte die Gewerkschaften auf, Abweichungen vom Tarifvertrag „nicht als Sündenfall“ zu betrachten. Kompromissbereitschaft deutete Schartau beim Kündigungsschutz an. Die Union hatte gefordert, den Schwellenwert für den Kündigungsschutzes in Betrieben von fünf auf 20 Personen heraufzusetzen. Schartau regte jedoch an, nicht unbedingt nach der Betriebsgröße, sondern nach der Beschäftigungsdauer zu gehen: Je länger jemand in einem Unternehmen beschäftigt sei, desto höher müssten auch die Anforderungen an den Kündigungsschutz sein.

In seinem jetzigen Gewand sei der Kündigungsschutz „zynisch“ gegenüber denen, die keine Arbeit haben, sagte Koch. Um wenige zu schützen, werde die Hemmschwelle für die Firmen, Leute einzustellen, so hoch gehalten, dass viele überhaupt keine Chance mehr bekämen. Koch sieht im Arbeitsmarkt „die schlimmsten und gefährlichsten Regulierungen“, die den Aufschwung gefährden. Auch kleine Betriebe müssten eine legale Möglichkeit erhalten, eine „Schicksalsgemeinschaft“ zu bilden. Dazu gehörten flexible Arbeitszeiten. Es sei „inhuman“, Arbeitnehmern die Chance zu verwehren, durch Mehrarbeit ihren Arbeitsplatz zu sichern.

Hundt forderte eine vollkommen neue Arbeitsmarktverfassung, die den Betrieben mehr Gestaltungsräume in Hinblick auf Arbeitszeit, Kündigung und Entlohnung lässt. Für Schartau ist auch der Verzicht auf Mindestlöhne für Langzeitarbeitslose kein Tabu. Es sei wichtig, dass sie die Möglichkeit bekämen, selbst eine geringfügig bezahlte Beschäftigung anzunehmen, sagte der SPD-Politiker. Umgekehrt halte er nichts davon, wenn in manchen Sektoren Langzeitarbeitslose für zwei Euro die Stunde arbeiten müssten. Auf Drängen der SPD-Linken hatte Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) im Gesetzentwurf für die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe vorgesehen, dass Langzeitarbeitslose keine Jobs zu Löhnen annehmen müssen, die unterhalb der ortsüblichen Vergütung oder des Tariflohnes liegen. Arbeitgeberpräsident Hundt sagt, die geplante Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe sei richtig, werde aber schief gehen, „wenn jemand, der zehn oder zwanzig Jahre lang Sozialhilfe bezogen hat, einen Job als unzumutbar ablehnen kann, wenn er nicht Tariflohn bekommt.“

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