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Hauptsache billig. So war das bei den Deutschen in den vergangenen Jahren. Inzwischen gibt es eine leichte Trendwende: Beim Einkauf von Lebensmitteln wird die Qualität zunehmend wichtiger. Foto: dpa

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Wirtschaft: Speckcreme aus dem Glas

Hohe Rohstoffkosten prägen die weltgrößte Ernährungsmesse Anuga / Tendenziell steigen die Preise für Weizen und Mais

Berlin - Der Preis ist wichtiger als die Qualität: Nach dieser Vorgabe kaufen die meisten Deutschen nach wie vor ihre Lebensmittel. Auf der an diesem Sonnabend beginnenden Anuga, der weltweit führenden Ernährungsmesse, wird das wieder bestätigt. 6600 Anbieter aus 100 Ländern zeigen in Köln ihre neuesten Produktideen, zum Beispiel Käse mit Biergeschmack, Speckcreme aus dem Glas oder einen koreanischen Bio-Bambustee. Der Schwerpunkt liegt auf so genannten Convenience-Produkten. Das sind Lebensmittel, die besonders schnell und einfach zuzubereiten sind. Wer sich für den Burger zum Toasten entscheidet, braucht keine Pfanne – und die Brötchen sind auch schon vorgeschnitten. Doch die fantasievollen Kreationen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Branche Probleme hat mit den hohen Rohstoffpreisen. Sie sind ein Grund dafür, dass der Handel in den ersten neun Monaten des Jahres die Preise um rund drei Prozent angehoben hat. Erst in dieser Woche verteuerte Aldi Süd das Kilogrammpäckchen Zucker um fast ein Drittel, weitere Einzelhändler zogen nach. Damit belegt die Preisentwicklung des Zuckers den allgemeinen Trend auf dem Weltmarkt: Auch die Rohstoffe für Nahrungsmittel werden immer teurer.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Naturkatastrophen wie Überschwemmungen oder Dürren vermindern die Ernten. Zuletzt hat es in den amerikanischen Weizenanbaugebieten so wenig geregnet, dass der trockene Boden jetzt die Aussaat für die nächste Ernte massiv beeinträchtigt. Auch der Biospritboom treibt die Preise in die Höhe: Nach Angaben der Hilfsorganisation Oxfam landen mittlerweile 40 Prozent des in den USA angebauten Mais im Tank. Verstärkend kommt hinzu, dass die Nachfrage der Schwellenländer zunimmt, steigende Löhne sorgen dort für mehr Kaufkraft. Die Essgewohnheiten ändern sich, die Menschen essen immer mehr Fleisch.

Oxfam macht ferner die zunehmende Spekulation mit Rohstoffen für die steigenden Preise verantwortlich. Nach Angaben der Hilfsorganisation sind die Getreidepreise heute 18 Prozent höher als im vergangenen Jahr. „Wir gehen davon aus, dass die Preise auf diesem hohen Niveau bleiben werden. Zusätzlich werden sie in Zukunft immer stärker schwanken“, sagt Marita Wiggerthale, Agrarexpertin von Oxfam. Das schadet besonders den Kleinbauern. „Die stabilen Zeiten sind vorbei“, ist sie überzeugt.

Steigen die Rohstoffpreise, steigen auch die Preise in den Läden. Die Marktführer „Schwartau“ und „Zentis“ haben Preissteigerungen bei ihren Konfitüren in den kommenden Wochen angekündigt. Hier liegt es aber nicht allein am teurer gewordenen Zucker: Auch Früchte wie Erdbeeren oder Sauerkirschen haben sich im Einkauf verteuert. Schuld sind hier vor allem Ernteausfälle in Europa – zu kalt war es im Frühjahr, zu trocken im Sommer. Doch alles in allem werden demnächst vor allem Produkte teurer, die Zucker enthalten: Weihnachtsgebäck wie Lebkuchen oder Printen sind davon betroffen. Wer zum Gebäck von „Lambertz“ greift, muss in dieser Saison bis zu zehn Prozent mehr bezahlen. „Insgesamt macht uns der Rohstoffmarkt Sorgen“, sagt Inhaber Hermann Bühlbecker.

Dass sich der Markt in absehbarer Zeit entspannen wird, glaubt auch der Präsident des Lebensmittelkonzerns Nestlé nicht. „Die Lebensmittelpreise werden sich auf diesem hohen Niveau einpendeln“, meint Peter Brabeck. Noch beunruhigender ist der Blick in die Zukunft der Hilfsorganisation Oxfam: Sie geht davon aus, dass sich Weizen bis 2030 um über 70 Prozent, Mais sogar um 90 Prozent verteuern könnte. Immer größere Nachfrage und auch der Klimawandel trügen dazu bei.

Die steigenden Preise sind ein großes Problem für die Hersteller. Denn die Deutschen schauen beim Kauf von Lebensmitteln zuerst auf den Preis. 51 Prozent aller Befragten ist er wichtiger als die Qualität des gekauften Produktes – die kommt erst an zweiter Stelle. Das geht aus einer Studie der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) und der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) hervor.

Deshalb tricksen die Hersteller manchmal: Anstatt den Preis anzuheben, wird zum Beispiel der Packungsinhalt verringert. Das ist eine alte Masche, die Verbraucherzentrale Hamburg sammelt schon seit Jahren Beispiele dafür. Abereines ist neu: „Wir bemerken zwar keine Zunahme solcher versteckten Erhöhungen, aber wenn erhöht wird, dann kräftiger als früher“, sagt Armin Valet, Ernährungsexperte bei der Verbraucherzentrale. Erst in dieser Woche fand die Verbraucherzentrale ein Cappuccinopulver, das um fast 50 Prozent teurer geworden war, obwohl sich der Preis pro Packung nicht erhöht hatte. Hier hatte der Hersteller stattdessen die Rezeptur verändert, sodass man mehr Pulver in der Tasse braucht. mit dpa

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