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Last Minute. Brettspiele werden meist erst kurz vor Weihnachten gekauft, sagt Axel Kaldenhoven.

© Georg Moritz

Spielehersteller Schmidt: "Die Schlecker-Pleite hat uns kalt erwischt"

Axel Kaldenhoven ist Chef des Berliner Spieleherstellers Schmidt Spiele. Mit dem Tagesspiegel spricht er über "Mensch ärgere Dich nicht" in der Smartphone-Ära und das Weihnachtsgeschäft.

DER MANAGER

Axel Kaldenhoven (48) hat Grafikdesign und Betriebswirtschaftslehre studiert. Nach Stationen bei Nixdorf und Apple kam er 1995 zur Schmidt Spiele GmbH, seit 1997 ist er Geschäftsführer.

DAS UNTERNEHMEN
Der Berliner Spielehersteller gehört nach Branchenprimus Ravensburger zu den führenden Anbietern im Spiele- und Puzzlemarkt. Zum Unternehmen gehören die Marken „Drei Magier“ und „Hans im Glück“, für die Schwester Kiddinx Entertainment („Bibi Blocksberg“, „Benjamin Blümchen“) übernimmt Schmidt Spiele den Vertrieb. Das Unternehmen hat 45 Mitarbeiter.

Herr Kaldenhoven, wer spielt heute noch Brettspiele?
Viele, sehr viele! Es heißt ja immer, alle Leute würden nur noch auf ihren Computern spielen oder auf ihren Smartphones, aber das stimmt nicht. Deutschland ist der größte Markt für Brettspiele, gespielt wird immer.

Auch ältere Kinder und Jugendliche? Oder spielen die nicht lieber Games auf ihrem Smartphone, Nintendo oder der Play Station statt „Mensch ärgere Dich nicht“?
Ja, in der Altersgruppe von acht bis 18 können wir mit unseren Brettspielen nicht so recht landen. Dabei sinkt die Altersgrenze immer weiter. Heute tippen schon Kinder von fünf, sechs Jahren auf den Smartphones ihrer Eltern herum.

Wie reagieren Sie darauf?
Wir bringen unsere Spiele auch auf die Smartphones und die iPads. „Mensch ärgere Dich nicht“ ist bereits eine der beliebtesten Apps, aber das ist nicht unser Kerngeschäft.

Sind Brettspiele nur was für Erwachsene?
Das hängt vom Spiel ab. „Mensch ärgere Dich nicht“ – unser Klassiker – richtet sich an Menschen zwischen fünf und 99 Jahren, das spielt die Oma mit dem Enkel. Wir entwickeln aber auch Spiele direkt für Kinder, etwa „Meine erste Post“ oder „Benjamin Blümchen“. „Qwirkle“, das „Spiel des Jahres 2011“, wird dagegen eher von der Generation 18plus gespielt.

Was bringt es, wenn eines Ihrer Spiele als „Spiel des Jahres“ ausgezeichnet wird?
Eine Menge – insbesondere Umsatz- und Imagegewinn. Normalerweise verkauft man von einem Erwachsenen- oder Familienspiel 5000, 10 000 oder 15 000 Stück im Jahr. Wenn ein Spiel „Spiel des Jahres“ wird, können es bis zu 450 000 werden, das ist ein Quantensprung – und zwar nachhaltig. Im ersten Jahr verkauft man zwischen 350 000 und 450 000 Stück, im zweiten Jahr sind es dann immer noch 50 Prozent davon. Vorausgesetzt, die Spielidee ist entsprechend gut und nachhaltig! Die Auszeichnung ist so etwas wie der Oscar der Spielebranche.

Es gibt das „Spiel des Jahres“, das „Kinderspiel des Jahres“ und das „Kennerspiel des Jahres“. Sehr undurchsichtig das Ganze.
Sie haben noch den „Deutschen Spiele Preis“ vergessen. Wir haben schon alle Preise bekommen, 2009 gleich zwei auf einmal: „Dominion“ war „Spiel des Jahres“ und „Das magische Labyrinth“ „Kinderspiel des Jahres“. Damals ist der Umsatz echt explodiert. Die Kriterien für die Preise sind aber eigentlich ganz klar: Das „Kinderspiel des Jahres“ richtet sich an die Kinder, das „Spiel des Jahres“ an die Familien, und das „Kennerspiel des Jahres“ ist etwas für die Freaks. Es gibt echte Spielefreaks, die lesen stundenlang Anleitungen und wollen ganz tief einsteigen.

Wirklich? Mich nerven lange, komplizierte Spielanleitungen.
Damit liegen Sie im Trend. Immer mehr Menschen haben keine Lust mehr, lange Beschreibungen zu studieren. Vor zehn Jahren war das noch anders. Heute will man die Schachtel aufmachen, kurz lesen und loslegen. Aber es gibt Menschen, die möchten mehr, die wollen in die Spielwelt eintauchen und sich damit intensiv auseinandersetzen. Nehmen Sie „Carcassonne“…

… das „Spiel des Jahres 2001“, bei dem man in Frankreich Städte baut…
… davon haben wir allein im ersten Jahr 650 000 Stück verkauft. Das war unser erfolgreichster Titel. Für Ungeduldige erklären wir aber alle unsere Spiele mit Filmen im Internet.

Hängt die Ungeduld damit zusammen, dass die Menschen weniger Zeit haben?
Man will in seiner Freizeit alles Mögliche machen, da bleibt für die einzelne Beschäftigung, etwa das Spielen, weniger Zeit. Aber es gibt auch den gegenläufigen Trend: Freunde, Bekannte oder Angehörige treffen sich zu Hause, kochen zusammen und spielen.

Weihnachten ist dafür wahrscheinlich eine gute Zeit, oder?
Ja, Weihnachten wird viel gespielt. Aber für uns ist das die stressigste Zeit im Jahr. Spiele sind klassische Zweitgeschenke, neben Erstgeschenken wie Fahrrädern oder anderen teuren Sachen. Brettspiele werden immer später gekauft, oft erst im Dezember.

Welchen Anteil hat das Weihnachtsgeschäft an Ihrem Umsatz?
Das, was wir in den letzten drei Monaten des Jahres umsetzen, macht rund 60 Prozent aus. Es ist wichtig, dass wir schnell nachliefern können, falls ein Titel sehr gut verkauft wird und wir nachliefern müssen. Die letzten Wochen entscheiden über das Ergebnis des gesamten Jahres.

Einige Spielwarenhersteller warnen schon vor Engpässen. Drohen die auch bei Ihnen?
Es kann immer mal passieren, dass etwas knapp wird. Aber wir versuchen, bis kurz vor Toresschluss zu liefern, in diesem Jahr sogar bis zum 21. Dezember. Selbst die Ware, die wir erst am 21. abschicken, ist bis Heiligabend in den Geschäften. Unser Vorteil ist, dass wir einen Großteil unserer Spiele in Deutschland produzieren, das gibt uns Flexibilität.

Was Chinesen mit "Mensch ärgere Dich nicht" zu tun haben

Wo stellen Sie Ihre Spiele her?
Der Großteil kommt aus Süddeutschland. Allerdings haben wir dort keine eigenen Werke, sondern wir lassen in Auftragsproduktion fertigen. Aus Kostengründen kommt auch ein bisschen was aus China, vor allem Plüsch- oder Kunststoffteile.

Wie kontrollieren Sie, ob diese Teile gesundheitlich unbedenklich sind?
Wir investieren einen hohen sechsstelligen Betrag in Spielzeugsicherheit, jedes Produkt, das auf den Markt kommt, ist getestet und sicher.

Sie haben in diesem Jahr mit Schlecker einen großen Handelspartner verloren. Die Märkte haben CDs, DVDs und Musikkassetten mit Geschichten von Benjamin Blümchen und Bibi Blocksberg verkauft. Was heißt das für Ihren Umsatz?
Die Schlecker-Pleite hat uns kalt erwischt. Wir haben mehr als eine Million Euro Umsatz über Schlecker gemacht. Zum Glück bekommen wir wenigstens kein Geld mehr von Schlecker. Allerdings hatten wir hohe Retouren. Wobei das immer noch besser ist, als wenn unsere Sachen zum halben Preis verramscht werden. Wir hatten im vergangenen Jahr insgesamt einen Umsatz von über 50 Millionen Euro, allerdings mit Schlecker und „Qwirkle“ als „Spiel des Jahres“. Für dieses Jahr rechne ich daher mit weniger, ich gehe von rund 45 Millionen Euro aus.

Wo wollen Sie Ihre Bibi- und Benjamin-Kassetten stattdessen verkaufen?
Man kann die Geschichten und Lieder auch auf unseren Internetseiten downloaden. Dieser Bereich wächst, allerdings langsam. Wir stellen parallel dazu auch immer noch Musikkassetten her. Für kleinere Kinder haben die nämlich einige Vorteile. Sie halten mehr aus als CDs. Wenn man sie aus dem Abspielgerät herausnimmt und später wieder dort hineinsteckt, ist man an derselben Stelle wie vorher, und die Abspielgeräte sind leichter zu bedienen. Leider gibt es kaum noch Autos, in denen man die Kassetten abspielen kann. Niemand muss beim Autofahren aber auf die Geschichten und die Lieder mit Benjamin oder Bibi verzichten: Es gibt sie ja auf CD oder MP3.

Sie verdienen viel Geld mit Klassikern wie Halma, Domino und „Mensch ärgere Dich nicht“. Sind diese Titel geschützt, oder darf die jeder anbieten?
Ein Spielprinzip kann man nicht schützen lassen. Aber es gibt einen Ehrenkodex: Wenn ein Verlag ein neues Prinzip erfunden hat, kopiert man das nicht. Man kann aber bestimmte Wortmarken oder Wort-Bild-Marken schützen lassen, wir haben das etwa bei „Mensch ärgere Dich nicht“ und „Kniffel“ getan. Aber das Spielprinzip an sich – man würfelt eine Sechs und darf aus dem Häuschen kommen – kann man nicht schützen lassen. Gleiches gilt für Halma, Schach, Backgammon oder Domino, diese Spiele darf jeder auf den Markt bringen, das ist Allgemeingut.

Ein „Mensch ärgere Dich nicht“-Spiel hat doch jeder zu Haus. Wer kauft das noch?
Ja, jeder Haushalt hat eines, dennoch wird es immer noch gern gekauft. Wir haben bisher über 90 Millionen „Mensch ärgere Dich nicht“-Spiele verkauft, dennoch setzen wir jedes Jahr neue Spiele im mittleren sechsstelligen Bereich ab. 2014 wird das Spiel 100 Jahre alt. Für uns ist der Titel enorm wichtig, der Bekanntheitsgrad der Marke liegt bei 99 Prozent. Wir hegen und pflegen sie aber auch gut. Bald gibt es sogar eine „Mensch ärgere Dich nicht“-Kreditkarte. Und: Der hohe Bekanntheitsgrad dieses Klassikers stützt natürlich auch die Dachmarke „Schmidt Spiele“, unter der wir derzeit etwa 200 Spiele anbieten.

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