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Wirtschaft: Staat im Kreuzfeuer der Kritik

Bund, Länder, Gemeinden sind säumige Zahler - und treiben Geld nicht pünktlich ein BREMEN (hik/HB).Der Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU) sieht den Staat als schlechtes Vorbild.

Bund, Länder, Gemeinden sind säumige Zahler - und treiben Geld nicht pünktlich ein BREMEN (hik/HB).Der Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU) sieht den Staat als schlechtes Vorbild.Denn Bund, Länder und Gemeinden zahlten Rechnungen noch später als Private, kritisierte BDIU-Präsident Ulf Giebel am Donnerstag auf der Jahreshauptversammlung des Verbandes in Bremen.So hätten Behörden in der besonders von öffentlichen Aufträgen abhängigen Bauindustrie nach 18 Tagen fällige Abschläge 1997 im Schnitt erst nach vier Wochen bezahlt. Schlußabrechnungen habe der Staat durchschnittlich erst nach bis zu 101 Tagen beglichen, sagte Giebel.Dabei schreibe die Verdingungsordnung Bau maximal zwei Monate vor. "Lange Verzögerungen beim Zahlungseingang gefährden gerade in Krisenzeiten die Existenz", mahnte Giebel.Das gelte besonders für kleine Unternehmen.Er begrüße Überlegungen, öffentlichen Zahlungsverzug ab dem 60.Tag mit "Strafzinsen" zu ahnden.Das sieht beispielsweise ein interner Richtlinien-Entwurf der EU-Kommission vor. Auch private und gewerbliche Schuldner, klagte der BDIU-Präsident, verzögerten Überweisungen zunehmend.Dies habe eine Umfrage unter den 390 Verbandsmitgliedern bestätigt.Vor allem in Ostdeutschland habe sich die Lage verschärft. Bundesweit werde das Baugewerbe als "Problembranche Nummer eins" gesehen (siehe nebenstehendes Interview).Zugleich leide gerade dieser Wirtschaftszweig unter Versuchen öffentlicher wie privater Auftraggeber, Zahlungen durch "oftmals nur vorgeschobene" Mängelrügen zu mindern oder zu verzögern. Bei säumigen Privatleuten sähen 90 Prozent der Befragten Überschuldung als Hauptursache des Zahlungsverzuges.Insolvenzverfahren für Private seien daher sehr zu begrüßen, sagte Giebel.Er warnte jedoch vor zu viel Optimismus, da die Hürden für den erfolgreichen Abschluß von Privatkonkursen "sehr hoch" seien. Heftig kritisierte Giebel den unnötig hohen Forderungsverzicht des Staates."Verläßliche Zahlen" zeigten, daß sich die öffentliche Hand pro Jahr mindestens 15 Mrd.DM berechtigter Forderungen entgehen lasse, die von Zahlungspflichtigen nicht eingetrieben würden.Die Summe übertreffe das jährliche Aufkommen der KfZ-Steuer und sei auch höher als die Erlöse aus der jüngsten Umsatzsteueranhebung.Dieses nirgends ausgewiesene Einnahmedefizit belaste jeden Bürger mit 200 DM im Jahr. Während in "gut geführten" Betriebe etwa 0,5 Prozent der Forderungen ausfielen, habe sich die Quote beim Staat seit 1992 auf 1,2 Prozent verdoppelt.In Osten erreiche sie sogar bis zu 5,7 Prozent. Der BDIU habe darum den zuständigen Ministerien und Rechnungshöfen Unterstützung bei der Entwicklung eines "wirksamen Forderungsmanagements" angeboten.Zum Beispiel könne der Staat Unterhaltsrückforderungen von Inkasso-Unternehmen einziehen lassen. Auch ohne Hilfeersuchen des Staates verzeichneten die Inkasso-Firmen nach Giebels Angaben im vorigen Jahr ein Auftragsplus von zehn Prozent.Im BDIU, der 90 Prozent der Branche repräsentiere, habe das Auftragsvolumen 28,5 Mrd.DM erreicht.Davon seien knapp 45 Prozent auf alte Forderungen entfallen.Bei denen hätten Unternehmen freilich nur noch geringe Chancen, das Geld zu sehen.Bei frischen Forderungen liege die Erfolgsquote vorgerichtlich bei über 50 Prozent.Insgesamt habe der Verband im Berichtsjahr 7,6 Mrd.DM eingetrieben.

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