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Ohne ihn geht es nicht: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) billigt Hilfe für die Deutsche Bahn und veranlasste den Kauf neuer T-Aktien.

© Soeren Stache/dpa

Staatsbeteiligungen: Bund verschont die Bahn und kauft bei Telekom nach

Der Bund ermöglicht der Deutschen Bahn auf einen Teil-Börsengang seiner Töchter Schenker und Arriva zu verzichten. Von Privatisierung ist keine Rede mehr.

Die Konjunktur brummt, der Bund kann in diesem Jahr mit einem kräftigen Steuerplus rechnen, wie die Steuerschätzer am Freitag bestätigt haben. Eine Folge: In der Bundesregierung verspürt man offenbar keinen Druck mehr, staatlichen Beteiligungen zu verkaufen, um die Erlöse in die Infrastruktur zu investieren – oder gar Schulden abzubauen. Im Gegenteil: Der Bund stockt seine Beteiligungen an ehemaligen Staatskonzernen sogar auf.

Wie das „Handelsblatt“ erfuhr, hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zum Beispiel veranlasst, den Anteil an der Deutschen Telekom zu erhöhen. Anstatt die Dividenden auszahlen zu lassen, investieren Bund und Staatsbank KfW mehr als die Hälfte der ihnen zustehenden 805 Millionen Euro in neue T-Aktien. So steigt der Staatsanteil um 0,2 Prozentpunkte auf nun 32 Prozent. Auch von dem Verkauf der 21 Prozent an der Deutschen Post, deren Verkauf nicht nur die Monopolkommission anmahnt, ist keine Rede mehr. Vielmehr hat die Bundesnetzagentur dem gelben Riesen unlängst eine Portoerhöhung genehmigt.

Rüdiger Grube, Vorstandsvorsitzender der Deutsche Bahn, versucht in Berlin zu erklären, warum ein Börsengang derzeit sogar schädlich wäre.
Rüdiger Grube, Vorstandsvorsitzender der Deutsche Bahn, versucht in Berlin zu erklären, warum ein Börsengang derzeit sogar schädlich wäre.

© Michael Kappeler/dpa

Dass der Bund jede Lust an der Privatisierung verloren hat, erkennt man auch an Äußerungen von Deutsche-Bahn-Chef Rüdiger Grube: Er erklärte ebenfalls am Freitag, dass sein Konzern die Töchter Arriva und Schenker nun vorerst doch nicht an die Börse bringen will. Grube begründete die Kehrtwende erwartungsgemäß nicht mit dem Verweis auf volle Staatskassen, sondern mit der Marktlage in Großbritannien. Dort macht Arriva, die Auslandstochter der DB, einen großen Teil ihres Umsatzes. Der Vorstand werde dem Aufsichtsrat bei der Sitzung am 14. Dezember sagen, „dass wir auf Basis der aktuellen Einschätzung einen Börsengang nicht empfehlen können“, sagte Grube der dpa. Hintergrund ist das Votum der Briten für einen EU-Austritt.

Der Bund gibt eine Milliarde fürs Eigenkapital

Ursprünglich sollte beziehungsweise wollte die Bahn bis zu 45 Prozent von Arriva an die Londoner Börse bringen. Zusammen mit dem Teilverkauf der internationalen Logistiksparte Schenker sollte das zusätzliche 4,5 Milliarden Euro für ein groß angelegtes Investitionsprogramm einbringen. „Durch den Brexit hat sich die Welt leider grundlegend verändert“, sagte Grube und verwies auf die Abwertung des britischen Pfunds. „Wir würden also Geld aus dem Fenster werfen – und ein solches Handeln wäre töricht.

Eine Rolle bei der Entscheidung spielt sicher eine Finanzspritze in Höhe von 2,4 Milliarden Euro für die Bahn, die der Bund im September angekündigt hatte. „Damit öffnet sich eine Tür, mit der wir nicht gerechnet haben“, so Grube. Die Bahn erhält eine Milliarde Euro fürs Eigenkapital. Zudem will der Bund in den nächsten vier Jahren auf jeweils 350 Millionen Euro seiner Dividende von der Bahn verzichten. Darüber entscheidet der Haushaltsausschuss des Bundestags kommenden Donnerstag.

Die Bahn bräuchte eigentliche viele Milliarden

Eigentlich braucht die Bahn Geld, um wie geplant 55 Milliarden Euro ins Netz, in Material und Personal zu investieren. 35 Milliarden davon trägt der Bund – und damit der Steuerzahler. Nicht zu vergessen die 17,5 Milliarden Euro Schulden, Stand Ende 2015 (hier geht es zur Jahresbilanz). Doch zumindest von den oppositionellen Grünen im Bundestag ist beim Thema-Bahn kein Widerstand zu erwarten. „Eine grundsätzliche Bahnreform ist notwendig und kein Stückwerk. Die angedachten Teilprivatisierungen sollten nur die großen Finanzlöcher aufgrund des Missmanagements des Vorstandes stopfen. Das war von Anfang an nicht sinnvoll, denn eine Gesamtstrategie für die Zukunft der Deutsche Bahn fehlt“, sagte Sven-Christian Kindler, haushaltspolitischer Sprecher seiner Fraktion im Bundestag, dieser Zeitung.

Anders sieht der Grüne das bei der anderen großen Beteiligung, die aus Zeiten stammt, als die Telekom noch Deutsche Bundespost hieß. „Der Bund sollte sich endlich von seinen Telekomaktien trennen, statt neue zu kaufen“, sagte Kinder. Man schlage einen Vermögenstausch vor. „Mit dem Erlös aus dem Verkauf der T-Aktien könnte der Bund mit rund zehn Milliarden über eine staatliche Breitbandgesellschaft den Bau von Glasfasernetzen vor Ort unterstützen. So wird aus Aktienvermögen zukunftsfähiges Infrastrukturvermögen des Bundes.“

Der Chef der Deutschen Telekom, Timotheus Höttges, (im März 2014) hatte Aktionären angeboten, die Dividende in neue Aktien zu wandeln. Der Bund griff zu und hält heute 32 Prozent der Anteile.
Der Chef der Deutschen Telekom, Timotheus Höttges, (im März 2014) hatte Aktionären angeboten, die Dividende in neue Aktien zu wandeln. Der Bund griff zu und hält heute 32 Prozent der Anteile.

© Oliver Berg/dpa

Auch beim arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln sieht man die Entwicklung mit Argwohn. Einen temporären Verkaufsstopp der Bahn-Tochter Arriva wegen des schwachen Pfundes kann IW-Geschäftsführer Hubertus Bardt zwar noch nachvollziehen. „Am Ende des Tages macht es ordnungspolitisch aber keinen Sinn, die Staatskonzerne in öffentlicher Hand zu halten – sogar mit Sperrminoritäten.“ Vor allem mit Blick auf die Telekom-Beteiligung lasse sich auch nicht mit dem Erhalt öffentlicher Daseinsvorsorge argumentieren, da es ja so viele Wettbewerber gebe. Bardt erinnert daran, wie viele Länder und Kommunen mit dem Rückkauf von Energieversorgern „auf die Nase“ gefallen sind.

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