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Staatsfinanzen: Was die Regierung jetzt tun kann

Sparen, kürzen, streichen – nach der NRW-Wahl beginnt der Streit um die Sanierung des Haushalts. Der Tagesspiegel klärt über die unterschiedlichen Wege auf.

Berlin - In der Finanzfrage sind die Reihen der Regierung fest geschlossen. Allen Ministern ist klar: So wie bislang kann es nicht weitergehen. Sie haben sich eine klare Linie vorgenommen: Der Verteidigungsminister will eine besser ausgerüstete Bundeswehr. Der Gesundheitsminister plant eine kostspielige Kopfpauschale. Der Arbeitsministerin schwebt eine aufwändige Reform der Job-Center vor. Der Verkehrsminister drängt auf mehr Geld für Straßen und Schienen. Und der Umweltminister pocht darauf, Öko-Heizungen weiter zu fördern, für 115 Millionen Euro im Jahr.

Verkehrte Welt in Berlin: Unbeeindruckt von Turbulenzen an den Finanzmärkten, Milliardenhilfen für das marode Griechenland und immensen Löchern bei den Steuereinnahmen melden die Ressortchefs der schwarz-gelben Koalition immer neue Ausgabewünsche an. Der kostspieligste kommt vom Außenminister: „Wir wollen die Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen vorantreiben“, fordert FDP-Chef Guido Westerwelle.

Der Streit über den Kurs in der Finanzpolitik dürfte entbrennen, sobald die Wahllokale in Nordrhein-Westfalen am Sonntagabend geschlossen haben. Die Republik steht vor dem härtesten Verteilungskampf der vergangenen Jahre. Um 16 Milliarden Euro wollen die Liberalen die Bürger entlasten. „50 bis 100 Euro mehr im Monat machen sich für einen Normalverdiener schon bemerkbar“, deutet FDP-Generalsekretär Christian Lindner die Pläne seiner Partei an.

Geld, das man verteilen könnte, ist aber keins vorhanden. Denn der Staat muss der neuen Schuldenbremse hinterhersparen, die ab 2011 wirksam wird. Sie begrenzt das strukturelle Defizit – also das Minus im Etat, das auch ohne das Auf und Ab der Konjunktur auftritt – auf 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung. Das bedeutet: 2016 müssen die Ausgaben um rund 70 Milliarden Euro niedriger sein als derzeit.

Das dürfte umso schwerer fallen, als die Politik zuletzt immer neue Wohltaten unters Volk gebracht hat: die Rentengarantie, bessere Leistungen in der Pflegeversicherung, ein höheres Kindergeld, die längere Zahlung des Arbeitslosengeldes, den Steuerrabatt für Hoteliers und vieles mehr.

Nun geht es in die umgekehrte Richtung. Und die Steuerreform, auf die die FDP so versessen ist, finanziert sich nicht von selbst. Im günstigsten Fall bringt jeder Euro, um den die Steuern sinken, Mehreinnahmen von 50 Cent, haben Ökonomen ausgerechnet. Bestenfalls kostet die Reform demnach acht Milliarden Euro. Doch auch für diesen Fall müssen alle Ausgaben auf den Prüfstand – und ob am Ende genug Geld zusammenkommt, ist fraglich.

Die Wirtschaft will unbedingt niedrigere Steuern – und bietet dafür sogar den Verzicht auf Subventionen an. Die „notwendige Konsolidierung“ könne „nur … mit Subventionsabbau – auch zu Lasten der Wirtschaft – gelingen“, schreibt Hans Heinrich Driftmann, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) in einem Brief an Kanzlerin Angela Merkel, der dieser Zeitung vorliegt. „Als DIHK-Präsident werbe ich bei den Unternehmen dafür, dass die Wirtschaft hierzu ihren Beitrag leistet“, versichert er. Zugleich verlangt Driftmann eine „konsequente Ausgabenreduktion, mit Steuervereinfachung und niedrigen Sätzen“. Die Staatsquote strebe „bedenklich gegen die Schmerzgrenze von 50 Prozent“. Das Ziel müssten weniger als 40 Prozent sein. Ihm sei klar, dass ein solcher Plan „enorme Herausforderungen bedeutet“.

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