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Stillgelegte Passagiermaschinen vom Typ Boeing-747 der Lufthansa stehen mit abgedeckten Turbinen auf dem Flughafen Frankfurt.

© Boris Roessler/dpa

Staatshilfen für die Lufthansa: Was nun - mitregieren oder raushalten?

Der Bund rettet die Lufthansa, doch wie es danach weitergeht, ist unklar. Internationale Vorbilder gibt es für eine solche Situation nur eins. Eine Analyse.

Manchmal liegen Welten zwischen Paris und Berlin. Als Air France vor dem Abgrund stand, eilte Frankreich seiner Nationalairline mit wehender Trikolore und einer ordentlichen Portion Pathos zur Hilfe. Das „Flaggschiff der französischen Industrie“ verdiene es, „massiv unterstützt zu werden“, komme was wolle, proklamierte Wirtschaftsminister Bruno Le Maire. „Alles ist möglich, alles ist vorstellbar, alles ist bereit.“ Nach der Bazooka-Ansage waren die Milliarden schnell überwiesen.

In Deutschland, wo das Meckern über die Lufthansa genauso zum Grundrauschen gehört wie das Mosern über die Bahn, zieht sich die Aktion „Kranich-Rettung“ dagegen seit Wochen in die Länge. Auch der Ton ist ein anderer. Selbst Wirtschaftsminister Peter Altmaier, der sonst gerne globale Champions aus Deutschland formen würde, drückte sich öffentlich lange um die Ja-oder-Nein-Frage, ob die Lufthansa Hilfe bekomme.

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Es war die Zeit, in der der Lufthansa zwar das Geschäft völlig wegbrach, sie aber täglich Tausende gestrandete Urlauber zurück nach Deutschland holte und eine Luftbrücke für Masken und Medizinmaterial aufbaute. Auch ohne gleich das überstrapazierte Wort von der Systemrelevanz zu bemühen: dass es nicht schadet, eine einheimische Fluglinie an der Hand zu haben, die global aufgestellt ist, wurde selten so deutlich wie in jenen Tagen.

Die Regierung, so schien es zuletzt, ringt weniger mit den Lufthansa-Managern um den besten Deal für den Steuerzahler, sondern vor allem mit sich selbst. Die SPD will wie in alten Zeiten am liebsten mitregieren bei dem 130.000-Mitarbeiter-Konzern, die Union legt den ebenso alten Klassiker „Der Staat ist nicht der bessere Unternehmer“ neu auf. Auf dem Tisch liegt nun ein typischer GroKo-Kompromiss, den beide Seiten als Sieg auslegen können.

Staatsbeteiligungen an Fluglinien - eigentlich normal

Kredite, die der Kranich mit Zinsen zurückzahlen soll, sind ein Teil des auf rund neun Milliarden Euro bezifferten Rettungspakets. Der Staat steigt direkt ein und soll, so der aktuelle Stand, dafür zunächst 20 Prozent der Unternehmensanteile bekommen – aber mit der Option, diese auf 25 Prozent aufzustocken. Ab dieser Schwelle kann das Management nicht mehr viel gegen die Regierungsvertreter im Aufsichtsrat ausrichten. Ob das alles für den Steuerzahler ein gutes Geschäft wird, könnte sich aber genau an dieser Frage entscheiden.

Dass die Regierung bei Airlines mitmischt, mag zwar ein Gedanke sein, an den man sich in Deutschland erst wieder gewöhnen muss. Es ist aber auch das Normalste der Welt. Einige der bei Passagieren beliebtesten Fluglinien sind sogar in Staatsbesitz: Emirates, Etihad und Qatar Airways sind nur die prominentesten Beispiele. Frankreich war auch vor der Coronakrise an Air France beteiligt, genau wie die Niederlande an KLM. Da beide zum selben Mutterkonzern gehören, ringen Paris und Amsterdam dort um den größtmöglichen Einfluss, was öfter für Ärger sorgt.

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Ob Fluglinien Gewinne oder Verluste einfliegen, ist deshalb oft nur zweitrangig. Für viele Staaten sind ihre Airlines vor allem Wirtschafts- und Tourismusmotor und genauso oft auch Aushängeschild und Softpower-Faktor. Ohne Emirates wäre Dubai nur eine Wüstenstadt und kein globales Drehkreuz, und Qatar Airways ist gut für das Image des Emirats. Dass Italien die traditionell marode Alitalia immer wieder rettet, macht betriebswirtschaftlich gar keinen Sinn – standortpolitisch dagegen schon.

Die Lufthansa mag in ihrer Heimat gerade nicht besonders gut gelitten sein – ständig diese seltsamen Streiks, die kein Mensch verstehen kann, und was ist eigentlich mit dem Klimaschutz? In der internationalen Wahrnehmung steht der Kranich aber immer noch in eine Reihe mit dem Mercedes-Stern. Dass der Konzern vor der Krise Milliardengewinne einflog, führte Vorstandschef Carsten Spohr gerne auch darauf zurück, dass die Regierung nichts zu sagen hatte. Für den Mann geht gerade ein Albtraum in Erfüllung.

Berlin fühlt sich traditionell von Lufthansa vernachlässigt

Noch ist der Deal nicht in trockenen Tüchern, da wird auch schon von allen Seiten an der Lufthansa gezerrt, nicht zuletzt von Berlin aus, wo man sich traditionell von der Lufthansa arg vernachlässigt fühlt. Dass in der Hauptstadt der größten Volkswirtschaft Europas kaum Langstreckenflüge starten, ist ja auch verblüffend. Und ein Standortnachteil. Es wäre fast fahrlässig, wenn die Lokalpolitik das nicht ändern wollen würde. Da kommt so eine Staatsbeteiligung wie gerufen. Motto: „Wir retten euch, hätten aber gerne Berlin–Schanghai im Flugplan stehen.“

Das Beispiel zeigt, vor welcher strategischen Entscheidung die Politik steht. Sie kann ihren Einfluss bei der Lufthansa nutzen, um Wirtschaftsförderung und Standortpolitik zu betreiben, wie es viele Länder machen. Oder sie kann es lassen und so die Chance erhöhen, dass der Kranich die Kredite zurückzahlt, der Aktienkurs steigt und der Steuerzahler mit einem Gewinn davonkommt. Der eine Weg muss nicht schlechter oder besser sein als der andere. Man muss sich allerdings für einen entscheiden.

Felix Wadewitz

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