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Garry Krugljakow und Lamine Cheloufi sind die Gründer des Start-ups "Cookies".

© Mike Wolff

Start-up Cookies: Wie junge Berliner das Online-Banking revolutionieren wollen

Weder TAN noch IBAN: Wenn es nach dem Start-up Cookies geht, sollen Überweisungen bald so einfach wie eine SMS sein. Wie ticken die jungen Gründer, die Digitalisierung vorantreiben?

Es gibt in der Welt der Start-ups diesen englischen Begriff „disruptive“. Wer ihn im Wörterbuch nachschlägt, findet viele Übersetzungen, von „störend“ bis „Unruhe stiftend“ – alle negativ. Doch für ein Start-up ist dieses Wort ein Ritterschlag. Eine Idee, die disruptiv ist, kann einen ganzen Markt umwälzen. Sie kann die Art, wie Menschen Taxi fahren, übernachten und Musik hören, komplett verändern – man denke an Uber, Airbnb und Spotify. Disruptive Ideen sind Gold wert. Und freilich ziemlich selten.

So richtig auf diesen Begriff festlegen wollen sich Garry Krugljakow und Lamine Cheloufi deshalb nicht. Aber ja, sagen sie dann, den Markt umzukrempeln – das sei das Ziel. Die beiden Gründer des Start-ups Cookies sitzen im Konferenzraum ihres vollgestopften Büros in Berlin-Mitte. Davor drängen sich ihre Mitarbeiter an den Schreibtischen. Dass Krugljakow und Cheloufi bereits 1,5 Millionen Euro Anschubfinanzierung für ihr Produkt eingesammelt haben, sieht man hier nicht. Aber noch ist es auch nicht auf dem Markt.

Die beiden 27-Jährigen wollen mit einer App die Art verändern, wie wir Überweisungen zwischen Freunden tätigen. IBAN und TAN sollen überflüssig werden – eine Überweisung so einfach wie eine SMS. Zwar gibt es bereits Start-ups, die einen ähnlichen Service anbieten. Aber Krugljakow und Cheloufi glauben, dass sie es besser können. Wer sie trifft, beginnt zu verstehen, wie die jungen Berliner Firmen ticken, die mit ihren Ideen die Digitalisierung vorantreiben.

Insgesamt gibt es in Berlin laut Schätzungen des Bundesverbandes Deutsche Startups etwa 3000 junge Unternehmen. Alle 20 Stunden kommt ein neues dazu. Zwar wird noch immer die mangelnde Wachstumsfinanzierung in der Hauptstadt moniert. „Gerade bei Beträgen über einer Million Euro haben es deutsche Gründer sehr schwer, an Geld zu kommen“, sagt etwa Catharina Van Delden, Präsidiumsmitglied im IT-Verband Bitkom. Doch innerhalb Europas gilt Berlin bereits als Vorbild: Im Jahr 2015 erhielten nach Angaben der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young 183 Berliner Unternehmen Risikokapital in Höhe von 2,15 Milliarden Euro. Damit liegt Berlin nun vor London, wo umgerechnet nur 1,77 Milliarden in Start-ups investiert wurden.

Großes Interesse von Investoren

Besonders viel Aufmerksamkeit erregten in der Hauptstadt in letzter Zeit die Start-ups im Fintech-Bereich, kurz für Financial Services und Technology. Auch an Cookies hatten die Investoren bald Interesse. „Eine gute Idee spricht sich in Berlin schnell herum. Es gab auch schon Anrufe aus dem Silicon Valley“, erzählt Krugljakow. Vor etwa einem Jahr gegründet, hat Cookies mittlerweile prominente Namen um sich geschart: Der StudiVZ-Gründer Ehssan Dariani ist Gründungsinvestor, Holtzbrinck Ventures stellte Wagniskapital zur Verfügung, und drei Macher der populären To-Do-App Wunderlist unterstützen das Start-up als Business Angels.

Im Besprechungsraum schließt Cheloufi sein Handy an einen großen Bildschirm an, um zu zeigen, wie Cookies funktioniert: „Einfach den Empfänger aus dem Adressbuch auswählen, Betrag eingeben, fertig.“ Wenn der Empfänger nicht bei Cookies angemeldet sei, könne er das in weniger als 60 Sekunden nachholen. „Das Geld ist innerhalb kürzester Zeit auf dem Konto des Empfängers – während es bei anderen Anbietern bis zu fünf Tage dauern kann.“

Vom Vorzeige-Fintech zum eigenen Start-up

Wenn Cheloufi und Krugljakow über das Produkt und ihre Arbeit sprechen, wirkt das sympathisch, aber auch äußerst routiniert. Sie sagen Sätze wie: „Wir wollen mit dem Nutzer wachsen“, oder „Wir reflektieren und hinterfragen uns ständig.“ Die beiden sind trainiert für eine Branche, in der „pitchen“ eine Kernkompetenz ist. Jedes Statement ist druckreif – auch gemacht für die Ohren potentieller Investoren.

Die professionelle Reife kommt nicht von ungefähr. Krugljakow, in seiner Kindheit Schachspieler, war lange Zeit im Bankwesen unterwegs, hat in London, Frankfurt und Zürich gearbeitet. Cheloufi ist Wirtschaftsinformatiker und hat mehrjährige Erfahrung im Produktmanagement. Vor Cookies arbeiteten beide beim Vorzeige-Fintech Number26, das ein Girokonto rein fürs Smartphone entwickelt hat.

Lösung für ein konkretes Problem

Der ehemalige Arbeitgeber ist nun ein potenzieller Konkurrent. Bei Number26 gibt es ebenfalls die Möglichkeit, einander über das Smartphone Geld zu schicken. Auch beim Start-up Cringle kann der Nutzer Schulden per App begleichen – allerdings maximal 250 Euro im Monat.

Die Stärke von Cookies sei, ein konkretes Problem auf einfache Art und Weise zu lösen, sagt Cheloufi. „Viele Unternehmen verlieren ihren Fokus und implementieren zu viele Features.“ Zudem sind die Unternehmer überzeugt von ihrem Sicherheitskonzept: Die Bankdaten des Nutzers werden nicht in der Cloud gespeichert, sondern auf dem Chip, auf dem im iPhone der Fingerabdruck lagert.

"Wir lieben die Stadt, die Talente"

Cookies, das nächste große Ding? Wie andere junge Gründer glauben Cheloufi und Krugljakow daran, dass sich eine gute Idee am Ende durchsetzen wird. In Berlin scheint derzeit alles möglich. Das liegt auch an der Stadt selbst. Cheloufi, der ursprünglich aus Köln kommt und in Schottland studiert hat, lebt seit drei Jahren hier. Krugljakow ist in Mitte aufgewachsen, hat aber bis zum vorletzten Jahr sieben Jahre im Ausland gelebt. „Wir lieben die Stadt, die Leute, die Kultur, die Talente. Wir brauchen schließlich nicht nur Finanzgenies, sondern auch Entwickler und Designer. Die gibt es hier.“

Getrübt werden könnte die gute Stimmung nur von einer Verschärfung der Fusionskontrolle, die Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel als Vorschlag in seinen Jahreswirtschaftsbericht für 2016 aufgenommen hat. In der Start-up-Szene wird die Idee als „Anti-Exit-Gesetz“ kritisiert, weil sie die Übernahme von Start-ups durch größere Internetkonzerne erschweren und Investoren verunsichern könnte. Krugljakow fürchtet, dass die Politik der Szene so Steine in den Weg legen könnte. Auch Start-up-Investor Philipp Möhring sagt: „Die wichtigen Gesetzesänderungen, die Start-ups in den letzten Jahren beeinflusst haben, waren negativ.“

"Die Chemie muss stimmen"

Ein Verkauf ist bei Cookies allerdings noch lange nicht in Sicht. „Wir stehen morgens nicht auf, weil wir an einen Exit denken“, sagt Krugljakow. Nachdem die Firma die erste Finanzierungsrunde hinter sich gebracht hat, steht sie im ewigen Kreislauf von Gründen und Verkaufen noch am Anfang. Für die Unternehmer ist das Know-how ihrer Investoren deshalb wichtig. Krugljakow spricht von „Smart Money“. „Dafür muss die Chemie stimmen. Das Kennenlernen mit einem Investor ist ein wenig wie ein Date.“ Im Vergleich zur Bankenwelt, wo viel über Anwälte und E-Mails laufe, sei der Austausch mit den Investoren locker. Mit den Geldgebern gebe es einen Chat im Nachrichtendienst Whatsapp, die Treffen fänden teilweise im eigenen Wohnzimmer statt.

Für die jungen Gründer hat nun die Einführung der App Priorität. Bald startet eine Beta-Phase, bei der erste Nutzer Feedback geben können. Aber erst wenn die App für die breite Masse zu haben ist, zeigt sich, ob sie den Markt verändern kann.

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