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Ein Bioreaktor im Labor von Electrochaea. Größere Anlagen arbeiten mit Stahltanks.

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Start-up Electrochaea entwickelt Speichertechnologie weiter: Ureinzeller produzieren Gas im Kraftwerksmaßstab

Strom in riesigen Mengen will das Start-up Electrochaea bald mithilfe winziger Einzeller speichern. Der Umsatz der Speicherbranche soll 2018 auf mehr als fünf Milliarden Euro wachsen.

Milliarden Jahre Evolution macht sich das Münchner Start-up Electrochaea zu Nutze und erzeugt mit Hilfe von frühen Einzellern Biomethan. Jetzt hat das Unternehmen seine Technologie so weit entwickelt, dass sie vom Demonstrationsniveau in die Praxis übergehen kann.

Bei dem Verfahren wird zunächst Wasser mit Strom in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten. Dieser erste Schritt nennt sich Elektrolyse. Mikroorganismen, sogenannte Archaeen, bauen den Wasserstoff dann unter Zugabe von Kohlendioxid in Biomethan um. Archaeen gehören zu den ältesten Lebewesen auf der Erde und können unter widrigsten Bedingungen überleben.

Aktuell unterhält Electrochaea Demonstrationsanlagen in Dänemark und der Schweiz. Sie haben eine Leistung von einem Megawatt beziehungsweise 700 Kilowatt. Nun will das Unternehmen den nächsten Schritt machen und einen Bioreaktor mit einer Leistung von zehn Megawatt bauen. Dafür laufen Verhandlungen mit Interessenten aus Kalifornien und Ungarn, berichtet Cheftechnologin Doris Hafenbradl. Bis 2025 will Electrochaea Leistungen bis zu einem Gigawatt zur Verfügung stellen. Das ist fast so viel wie ein modernes Atomkraftwerk erzeugen kann.

Futtergase werden in einen Stahlzylinder eingeleitet

Die Hauptanwendung für das Verfahren sieht Electrochaea in der Speicherung von grünem Überschussstrom. Das Kohlendioxid kann wie im dänischen Demonstrationsprojekt aus einer Kläranlage stammen. Aber auch fossile Kraftwerke oder Industriebetriebe kommen als CO2-Lieferanten in Frage.

Die Futtergase der Archaeen werden unten in den Bioreaktor, einen hohen, schmalen Stahlzylinder, eingeleitet. Ein Rührwerk verteilt die Gase in einer salzigen Nährlösung, damit die Archaeen sie gut aufnehmen können. Sie wandeln dann 97 bis 98 Prozent der Futtergase in Methan um, das am oberen Ende des Zylinders aufgefangen wird.

„Verfahrenstechnisch ist die Anlage relativ einfach und deshalb auch leicht skalierbar“, sagt Hafenbradl. Electrochaea verfügt nach eigenen Angaben über den weltweit effizientesten Archaeen-Stamm und hält profitable Geschäftsmodelle für möglich. Verkauft wird das Biomethan aktuell zu einem Preis von 60 Cent pro Kubikmeter. Das sind 5,5 Cent pro Kilowattstunde - etwas weniger als der von Vergleichsportalen angegebene aktuelle Durchschnittspreis für Kleinverbraucher. Allerdings: „Der Herstellungspreis ist abhängig vom Strompreis“, sagt die Cheftechnologin. In Deutschland sei er durch Gebühren und Umlagen sehr hoch, was die Rahmenbedingungen „extrem schwierig“ mache.

Doris Hafenbradl, Cheftechnologin bei Eletrochaea.
Doris Hafenbradl, Cheftechnologin bei Eletrochaea.

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In Dänemark sei man da weiter. „Dänemark will auch das Gasnetz dekarbonisieren und hat außerdem schon einen sehr hohen Anteil erneuerbarer Energien am Gesamtstrommix mit einem entsprechend hohen Bedarf an Stromspeichern. Deshalb gibt es hier mehr Möglichkeiten, den Strompreis vernünftig zu gestalten, so dass unsere Anlagen profitabel betrieben werden können“, sagt Hafenbradl.

Beim Bau der Anlagen will Electrochaea künftig mit Investoren zusammenarbeiten und nach Fertigstellung der Anlagen für Wartung und Instandhaltung sorgen. Die Patente für die Technologie stammen von der Universität von Chicago. Unterstützt wird Electrochaea mit Forschungsgeldern der dänischen Energieagentur und von einem Konsortium aus Industriepartnern, dem unter anderem Audi angehört. 

Speicherbranche wächst

Die wachsende Bedeutung der deutschen Energiespeicherbranche belegt der Bundesverband Energiespeicher mit neuen Zahlen. So betrug die installierte Stromspeicherleistung 2017 rund 7,37 Gigawatt. Darunter zählen sowohl Batterie- als auch Pumpspeicher. Die Leistung reiche aus, um den jährlichen Strombedarf von über sechs Millionen Personen zwischenzuspeichern. Gleichzeitig könnten die in Deutschland installierten Wärmespeicher mit 30 Terawattstunden die Wärmeversorgung von fast sieben Millionen Menschen sicherstellen. Der Einsatz von Energiespeichern spare jährlich 10,4 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Das entspreche den CO2-Emissionen von etwa zehn Prozent der deutschen Pkw-Flotte.

Die Erhebung des Beratungsunternehmens Team Consult geht für 2018 von einem Branchenumsatz von über fünf Milliarden Euro aus. Das sind mindestens 400 Millionen Euro mehr als im Vorjahr. Die Beschäftigtenzahl soll im gleichen Zeitraum um neun Prozent auf über 12.000 wachsen. Dann sei die Speicherbranche bereits halb so groß wie die deutsche Braunkohleindustrie.

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