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Elon Musk, Chef von Tesla und SpaceX.

© John Raoux/AP/dpa

Start-up SpaceX: Wie Elon Musk aus dem Nichts ein führendes Raumfahrt-Unternehmen schuf

Einst erntete der Tesla-Chef Spott für SpaceX. Jetzt sollen erstmals wieder Astronauten aus den USA ins All starten – dank SpaceX.

Die Pandemie hat die USA immer noch fest im Griff. Und dennoch fiebert die ganze Nation mit, wenn am Samstag im zweiten Anlauf die „Falcon 9“-Rakete für eine ganz spezielle Mission gezündet wird. Erstmals seit 2011 wollen die USA wieder in eigener Regie zwei Astronauten zur Raumstation schießen. All die Jahre über waren sie auf die Russen angewiesen.

Wenn alles gut geht, landen die Erststufen der Rakete wie im Zeichentrick wenig später wieder sicher in Florida, die „Crew Dragon“-Kapsel fliegt weiter, dockt an der ISS-Raumstation an und setzt die beiden Amerikaner für den Aufenthalt im All ab.

Gelingt das Vorhaben, wird erstmals ein privates Unternehmen die Regie führen beim Transport von Raumfahrern ins All. Und es wäre ein weiterer Triumph für Elon Musk – der Mann, der von Daimler, BMW Co. erst belächelt wurde für seine Versuche beim vollelektrischen und autonomen Fahren; und der sie mittlerweile das Fürchten lehrt. Musk steckt hinter der Firma SpaceX, die für die Reise verantwortlich zeichnet. SpaceX ist neben Tesla das zweite Standbein des Exzentrikers.

Wie ist es Musk gelungen, mit dem erst 2002 gegründeten Start-up SpaceX in weniger als 20 Jahren die Raumfahrt aufzumischen – und zwar wirtschaftlich und technologisch?

Vom Start-up ins Weltall

Er hatte das nötige Geld, um seine Idee anzugehen. Aus dem Verkauf des Bezahldienstes Paypal hat der Gründer schätzungsweise 300 Millionen Dollar erlöst. 120 bis 150 Millionen davon dürfte er in SpaceX eingebracht haben. Jan Wörner, Chef der ESA (Europäische Weltraumbehörde), nennt weitere Gründe: „Sein erster Versuch mit der Falcon 1 ist gescheitert. Er hat trotzdem weitergemacht.“

[Mehr zum Thema: Verfolgen Sie hier den SpaceX-Start am Samstag um 21:22 Uhr MEZ im Livestream]

Musk bietet seinen Mitarbeitern viel, etwa eine Kantine mitten in der Werkhalle. Er mutet ihnen aber auch viel zu. Arbeitsverträge zum Beispiel, die mit deutschen Gewerkschaften nicht zu machen wären. Auch der Lohn gilt nicht als üppig, dafür bekommen aber alle Mitarbeiter Aktien. Es gelingt Musk, gutes Personal anzuwerben. Eine Schlüsselrolle spielt etwa der deutsche Hans Koenigsmann, der verantwortliche Chefingenieur für die Starts.

Er erntete Spott der Fachleute

Musk hat eine Geschäftsidee. Die Trägerraketen sollen keine Wegwerfware mehr sein, sondern landen und wiederverwertet werden. Das ist zwar originell, er erntet dafür aber den Spott der Fachleute. Das Konzept hat er Wörner 2007 vorgestellt: „Alle Experten haben hinterher gesagt: Das funktioniert nie“, erinnert sich Wörner. Doch es funktioniert. Zu erstaunlichen Bedingungen: Damit die Raketen wieder landen, bedarf es eines Drittels mehr an Treibstoff.

Hinzu kommt bei Musk ein hohes Maß an unternehmerischer Kaltblütigkeit. Wörner: „Er hat von Anfang an gesagt, dass er die anderen Player vom Markt verdrängen will.“

SpaceX kalkuliert seine Angebote sehr kreativ: Institutionelle Kunden wie die Nasa und das US-Verteidigungsministerium zahlen für die Transportleistungen hohe Preise. Anderen Kunden – etwa der Bundeswehr, die einen Aufklärungssatelliten in den Orbit bringen will – stellt er dagegen Rechnungen zu konkurrenzlos niedrigen Preisen. Kampfpreise eben.

Musk hat in Trump einen Unterstützer gefunden

Die Mischkalkulation sieht so aus: Die gut entlohnten öffentlichen US-Aufträge subventionieren die Aufträge, mit denen er Weltmarktanteile erobern will. Musk hat zudem das Glück, in US-Präsident Donald Trump, der nach amerikanischen Erfolgsgeschichten lechzt, einen Unterstützer zu finden: Trump persönlich hatte sich für den ersten Startversuch angesagt. Wenn die Europäer mit der „Ariane“ neue „Galileo“-Satelliten ins All schießen, kommt meist nicht einmal der zuständige Kommissar.

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2012 gelang es SpaceX, erstmals bei einem Flug ins All an der ISS-Station anzudocken. Musk stieg zum Transportdienstleister zur Raumstation auf. Die Nasa bescherte ihm 22 Optionen für Transportverträge. Hansjörg Dittus, Vorstand für Raumfahrtforschung und -technologie beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), analysiert: „Damit war klar, dass Musk irgendwann auch in den Transport von Menschen zur Raumstation einsteigen würde.“ Die Nasa-Aufträge über Transportflüge zur ISS spülten das nötige Geld in die SpaceX-Kasse, um die Entwicklung der „Crew Dragon“-Raumkapsel voranzutreiben.

Die Raumkapsel „Crew Dragon“ befindet sich im Wartestand.
Die Raumkapsel „Crew Dragon“ befindet sich im Wartestand.

© Steve Nesius/Reuters

Europa fehlt der visionäre Kopf

Und Europa? Die einschlägige Industrie gibt es, öffentliche Fördergelder wären ebenfalls vorhanden. Was fehlt, ist der visionäre Kopf. Es hängt aber auch mit dem Markt zusammen.

Der US-Markt für Raketenstarts und Transportflüge ist sehr viel größer als in der EU. Während die Regierung in den USA SpaceX und den anderen Anbietern bei öffentlichen Aufträgen hohe Preise zahlen, bekommt in Europa der günstigste Anbieter den Zuschlag. Bestrebungen, in Europa nur noch mit europäischen Raketen zu fliegen, wurden ausgebremst.

ESA-Chef Wörner hat dafür Verständnis: „Wir Europäer sind so sehr auf offene Märkte angewiesen, dass wir es uns sehr genau überlegen sollten, ob ,Kauf europäisch‘ die richtige Antwort ist.“ Europa konzentriert sich zudem darauf, große Telekommunikationssatelliten ins All zu bringen. Dieser Markt liegt aber aktuell am Boden. Die Kompetenzen, Material oder gar Astronauten ins All zu bringen, fehlen in Europa.

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