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Sanierter Altbau neben einem unsanierten in Berlin. In Ballungsräumen, wie der Hauptstadt, schießen die Preise in die Höhe.

© dpa

Steigende Immobilienpreise: Was der Staat gegen eine drohende Blase tun kann

Ob London oder Berlin: Die Immobilienpreise steigen. Finanzminister Schäuble nennt das "gefährlich". Erst kürzlich warnte er vor einer Blase. Damit ist er nicht allein.

Eine baumbestandene Straße in Westlondon. Jenny gießt den Jasmin, den sie gleich nach ihrem Einzug im Vorgarten gepflanzt hat. Ihr und ihrer jungen Familie gefällt es hier. „Die Leute kennen sich. Pierre von gegenüber hat uns beim Einzug sogar Tee gekocht.“ Zwei Häuser weiter klebt eine Notiz am Fenster. „Reposession Order“ steht darauf. Die Gerichtsvollzieher waren da, erzählt man sich in der Straße. Die einen gehen, die anderen kommen. „Wir haben unsere Zwei-ZimmerWohnung in Chelsea eins zu eins getauscht. Der Preis hat genau gepasst“, sagt Jenny. Fragen darf man nicht, aber weniger als 800.000 Pfund wird das Fünf-Zimmer-Häuschen nicht gekostet haben – eine Million Euro.

Um 14,5 Prozent sind die Londoner Hauspreise in den letzten 12 Monaten durchschnittlich gestiegen. 2013 waren es sogar 18 Prozent. Der Durchschnittspreis für eine Londoner Immobile beträgt jetzt laut dem Immobiliendienstleister Rightmove 589,776 Pfund, das Vierzehnfache des Jahresdurchschnittsverdiensts. Was in London passiert, treibt auch den Bundesfinanzminister um. Im deutschen Immobiliensektor gebe es Anzeichen, „die gefährlich sind“, warnte Wolfgang Schäuble (CDU) dieser Tage vor den Verlockungen des billigen Geldes. „Auf die Dauer ist das Maß an Liquidität zu groß und das Zinsniveau zu niedrig.“ Als erstes Mitglied der Bundesregierung warnt Schäuble damit explizit vor einer Immobilienblase. Der Minister, heißt es in seinem Haus, habe damit zeigen wollen, dass er das Thema im Blick hat und es für wichtig hält.

Platz eine Immobilienblase, geraten Schuldner in Bedrängnis

Was derlei Übertreibungen anrichten können, mussten die USA und Spanien in den vergangenen Jahren schmerzvoll erleben: Platzt eine Immobilienblase urplötzlich, etwa in Folge steigender Zinsen, geraten Schuldner in Bedrängnis. Und ihre Gläubigerbanken dazu, die es dann mit Bergen fauler Kredite zu tun bekommen. Sie geraten womöglich in Schieflage und brauchen Geldspritzen vom Staat. Zwar konnte der Ausschuss für Finanzstabilität, ein Expertenrat, der über die Fitness des Systems wacht, in dieser Woche noch keine Anzeichen einer Blase ausmachen. Es gebe „noch keine destabilisierende Dynamik“, schrieb das Gremium.

Doch die Warnungen häufen sich. Vor Schäuble hatte sich bereits Bundesbank-Präsident Jens Weidmann zu Wort gemeldet. „In einigen Ländern – auch in Deutschland – sehen wir die Gefahr einer Immobilienblase", warnte er. In den Ballungsräumen Berlin, Hamburg, München, Frankfurt am Main, Stuttgart, Düsseldorf und Köln sieht sein Institut bereits Überbewertungen von bis zu 25 Prozent. Auch mittelgroße Städte wie Aachen, Münster oder Heidelberg hat der Boom längst erfasst. Die Anbieter haben längst eingepreist, dass die Käufer bei den Zinsen viel Geld sparen können – und dass sie kaum lohnende Alternativen haben, um ihr Kapital anzulegen.

Der Staat muss dieser Entwicklung indes nicht tatenlos zusehen und warten, bis die Europäische Zentralbank eines fernen Tages eine Zinswende einleitet. „Wenn die Banken zu leichtfertig Kredite vergeben, kann die Finanzaufsicht die Kapitalvorschriften verschärfen“, sagt Michael Voigtländer, Immobilienexperte beim arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Dann müssten die Banken bei der Geldvergabe eben wählerischer sein. Alternativ könnte Berlin einfach mehr Bauland ausweisen. „Das ist das einfachste Mittel, um die Preise in Grenzen zu halten“, sagt Voigtländer. „Doch da tun sich viele Städte schwer, Berlin ist hier ein Negativ-Beispiel.“ Auch bei den Steuern biete sich ein Ansatzpunkt. „Man könnte die Grunderwerbsteuer daran koppeln, wie lange jemand ein Haus besitzt“, schlägt Voigtländer vor. „Wer schon nach zwei Jahren wieder verkauft, müsste mehr bezahlen als jemand, der ein Haus langfristig hält.“

Höhere Grunderwerbssteuern können Preisanstieg verstärken

Klamme Städte wie Berlin dürften sich mit einem solchen Instrument schwer tun. Erst zu Jahresbeginn hob der Senat den Satz von fünf auf sechs Prozent an und freut sich seither über prächtige Einnahmen. Auf diese Weise befördert die Politik den Preisanstieg aber noch, warnt Konstantin Kholodilin vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). „Höhere Grundererbsteuern sind kontraproduktiv, weil so die Kosten für den Kauf einer Immobilie steigen – und damit auch die Preise.“ Nicht nur Immobilienkäufer leiden unter der angespannten Marktlage. Der Boom trifft auch die Mieter, die die horrenden Kaufpreise über steigende Quadratmeterpreise mitfinanzieren müssen.

Die Bundesregierung versucht, den Teufelskreis zu durchbrechen – geht dabei aber eher halbherzig vor. Das im Koalitionsvertrag versprochene Gesetz zur Mietpreisbremse und zum Bestellerprinzip im Maklerrecht werde 2015 „sehr, sehr sicher“ kommen, sagte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) kürzlich bei einer Tagung des Deutschen Mieterbundes. Doch der Hebel müsste auch an anderen Stellen angesetzt werden, um aus der Spekulationsblase die Luft abzulassen. Maas’ Mietpreisbremse zum Beispiel würde nach Schätzung des Mieterbundes nur bei der Neuvermietung von rund 400.000 Wohnungen im Jahr den Preissprung nach oben dämpfen. Ein Hebel wäre nach Ansicht des Verbandes zum Beispiel die gezieltere Steuerung des sozialen Wohnungsbaus durch den Bund. Um den preistreibenden Wohnungsmangel auszugleichen, werden laut Mieterbund pro Jahr 130.000 bis 150.000 neue Wohnungen gebraucht, davon 50.000 Sozialmietwohnungen.

Zwar ist die konkrete Ausgestaltung des sozialen Wohnungsbaus Ländersache. Der Bund zahlt aber den Ländern – verteilt nach einem Schlüssel – jedes Jahr 518 Millionen Euro zur Finanzierung. „Es ist fraglich, ob diese Summe angesichts der Wohnungsnot noch ausreicht“, sagte Lukas Siebenkotten, Geschäftsführer des Mieterbundes, dem Tagesspiegel. Außerdem sei der Verteilungsschlüssel nicht mehr zeitgemäß. Länder wie Berlin, in denen die Mieten besonders stark steigen, müssten stärker berücksichtigt werden. „Der Bund könnte die Länder auch dazu drängen, die Finanzierung durch einen eigenen Anteil in gleicher Höhe aufzustocken“, sagte Siebenkotten. Und: Die Bundesmittel müssten zweckgebunden sein. Bislang fließt nämlich nur ein Teil tatsächlich in den Wohnungsneubau.

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