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Wirtschaft: Steuer gegen Armut nur global sinnvoll

Finanzierungsinstrument wird von Ökonomen und Opposition skeptisch gesehen

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Die vom französischen Präsidenten Jacques Chirac auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos vorgeschlagene Steuer auf internationale Finanztransaktionen wird von Ökonomen kritisiert. Auch Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) stieß mit positiven Äußerungen zu einer Spekulationssteuer auf Kritik bei der Opposition. Finanzminister Hans Eichel (SPD) erneuerte seine Skepsis und plädierte stattdessen für die weltweite Besteuerung von Kerosin oder Waffenexporten, um mit den Mitteln armen Ländern stärker zu helfen.

Der Vorsitzende des Sachverständigenrats, Wolfgang Wiegard, sagte mit Blick auf eine Spekulationssteuer dem Tagesspiegel: „Von solchen Vorschlägen halte ich nichts. Wir brauchen nicht mehr Steuern, sonderen weniger Steuern.“ Der Finanzexperte Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) sieht die Steuer ebenfalls skeptisch. „Für die Umsetzung gibt es kaum eine Chance“ sagte er dieser Zeitung. Auch Bernhard Speyer von Deutsche Bank Research ist dagegen: „Das Konzept überzeugt nicht.“

Chirac möchte die Einnahmen der Steuer, die er auf zehn Milliarden Euro jährlich schätzt, für den Kampf gegen Aids verwenden. Schröder begrüßte die Idee prinzipiell, äußerte sich aber ebenfalls kritisch zur Umsetzung der kontroversen Steuer. FDP-Chef Guido Westerwelle warf der Regierung vor, ihre Millenniumsziele dienten „nur zum weiteren Aufweichen der Haushaltsdisziplin“.

Die nach dem Ökonomen und Nobelpreisträger James Tobin benannte Steuer ist aus verschiedenen Gründen unter Experten umstritten. „Um wirksam zu sein, müsste die Steuer wirklich überall auf der Welt eingeführt werden“, sagte ZEW-Experte Heinemann. Denn wegen der globalen Kommunikationsmöglichkeiten würden die Finanzakteure ihre Aktivitäten einfach in das Land verlegen, wo keine Steuer erhoben wird. Selbst eine auf EU-Niveau erhobene Steuer würde also wenig bringen – es müsste schon einen globalen Beschluss geben. Jedoch lehnen die wichtigsten Devisenhandelsplätze der Welt, die USA und Großbritannien, die Steuer ab. Hinzu kommt, dass aus ordnungpolitischer Sicht fraglich ist, warum für entwicklungspolitische Zwecke Finanztransaktionen besteuert werden sollen, sagte Speyer von der Deutschen Bank. „Es besteht kein sachlicher Zusammenhang, logischer wäre, solche Gelder aus der allgemeinen Besteuerung zu schöpfen.“

Das Argument der Befürworter der Tobin-Steuer, das Volumen der kurzfristigen, spekulativen Währungsgeschäfte sei schädlich und führe zu Finanz- und Währungskrisen, sei zudem nicht erwiesen, führte Speyer an. „Wenn das Transaktionsvolumen durch die Steuer sinken würde, dann würden auch die Steuereinnahmen sinken.“ ZEW-Experte Heinemann ist davon überzeugt, dass die Einführung der Tobin-Steuer die Effizienz der Devisenmärkte untergrabe. Der Bundesverband Deutscher Banken warnte vor negativen Folgen für Wachstum und Beschäftigung. Von der Steuer wären „nicht nur die Industrieländer betroffen, sondern vor allem auch die Entwicklungs- und Schwellenländer“, so Hauptgeschäftsführer Manfred Weber. Die Wohlstandsfortschritte durch den Zufluss privaten Kapitals überträfen bei weitem die der staatlichen Entwicklungshilfe.

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