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Eine Taverne im griechischen Skoutari auf dem Peloponnes. Nach dem Willen der griechischen Regierung sollen hier in Zukunft Touristen spionieren, ob alles korrekt abläuft.

© Rolf Haid, pa

Steuer-Reformprogramm: Athen startet „Operation Spinne“

Athen greift nun in Sachen Steuerhinterziehung zu drastischen Maßnahmen: Haushälter und Touristen sollen als Amateur-Steuerspitzel angeworben werden. Wie bei James Bond sollen sie verkabelt werden.

Urlauber können sich in Griechenland in diesem Sommer etwas dazuverdienen – als Amateur-Steuerfahnder. Finanzminister Yanis Varoufakis greift im Kampf gegen die Steuerhinterziehung zu unkonventionellen Methoden. Er will Arbeitslose, Studenten, Rentner und Haushälter, aber auch Touristen als Steuerspitzel einsetzen. Der ungewöhnliche Plan ist Teil des Reformprogramms, das Varoufakis an diesem Montag seinen Kollegen beim Treffen der Euro-Finanzminister in Brüssel erläutern will.

Die „Operation Spinne“, so die Zeitung „Ta Nea“, wurde Ende Februar von Varoufakis ausgeheckt und von Ministerpräsident Alexis Tsipras gebilligt. Die Amateur-Steuerfahnder sollen nach einer kurzen Ausbildung mit Knopflochkameras und versteckten Mini-Mikrofonen ausgerüstet werden und dann in Einzelhandelsgeschäften, Tavernen und Nachtklubs als Kunden getarnt Ausschau halten, ob ordnungsgemäß Quittungen ausgestellt werden. Verstöße sollen die Steuerspione gleich vor Ort dokumentieren und dann die Steuerfahndung alarmieren. Selbst einschreiten dürfen sie nicht.

Experten schätzen, dass die Griechen 30 Prozent der Mehrwertsteuer hinterziehen

Fachleute schätzen, dass dem Fiskus jährlich rund 30 bis 40 Milliarden Euro vorenthalten werden. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr beliefen sich die Steuereinnahmen auf 49,6 Milliarden Euro. „Wenn wir die Steuerhinterziehung nur um die Hälfte reduzieren könnten, wäre das Finanzproblem Griechenlands gelöst“, sagte der frühere Chef der Steuerfahndung, Nikolaos Lekkas. Ein Großteil der Gesamtsumme entfällt auf Betrug bei der Mehrwertsteuer. Viele Händler, Handwerker und Wirte kassieren die Mehrwertsteuer zwar, führen sie aber nicht ab. Finanzbeamte schätzen, dass in Griechenland etwa 30 Prozent der fälligen Mehrwertsteuern hinterzogen werden – gegenüber zwölf Prozent im europäischen Durchschnitt. Ein weiteres Problem: In Griechenland ist der Anteil der Selbstständigen an den Erwerbstätigen mit fast 30 Prozent höher als in jedem anderen EU-Land. Und Selbstständige haben, im Gegensatz zu Arbeitnehmern und Rentnern, vielfältige Möglichkeiten, ihre Einnahmen zu verschleiern.

Die Amateur-Steuerfahnder sollen deshalb als Patienten getarnt Arztpraxen aufsuchen oder als Kunden Friseure, Taxifahrer und Handwerker. Die angeheuerten Steuerspione bekommen vom Athener Finanzministerium einen Stundenlohn und zusätzlich eine Provision, wenn sie Steuersünder stellen.

Vor allem im Tourismus grassiert die Steuerhinterziehung. Der Drink an der Strandbar, die Gebühr für Sonnenschirm und Liege, die Miete für das Tretboot oder den Jet Ski: Da läuft viel Geld am Fiskus vorbei. Hier kommen die Urlauber als Steuerfahnder ins Spiel. Ob Finanzminister Varoufakis nur einheimische oder auch ausländische Touristen als Spitzel anheuern will, ist noch unklar. Ohnehin bleibt abzuwarten, was die anderen Euro-Finanzminister von der „Operation Spinne“ ihres griechischen Kollegen halten.

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