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Wirtschaft: Steuerbegünstigt in die Luft gehen

Der Bund verzichtet auf Einnahmen für Flugbenzin, weil es alle machen

Berlin. Kauft ein Autofahrer in Deutschland Benzin, ärgert er sich meist über die hohen Preise. Das Geld fließt aber zum größten Teil nicht in die Kassen der Ölkonzerne, sondern in die des Staates: der Steueranteil liegt bei mehr als 75 Prozent. Ganz anders sieht es bei den kommerziellen Fluggesellschaften aus. Die sind von der Mineralöl- und Ökosteuer befreit. Die Bundesregierung kostet das mittlerweile jährlich 435 Millionen Euro. Darüber klagt vor allem die Bahn, denn die muss zum Beispiel über die Strompreise Energie- und Ökosteuer zahlen. Sie fühlt sich deshalb vor allem im Wettbewerb mit den Billigfliegern, die ihr immer stärker zusetzten, benachteiligt.

Doch auf eine schnelle Gleichstellung kann Bahnchef Hartmut Mehdorn nicht rechnen, auch wenn sich die rot-grüne Bundesregierung die Förderung umweltfreundlicher Verkehrsträger – und zwar besonders der Bahn – auf die Fahne geschrieben hat. Dabei fällt das Urteil von Wissenschaftlern zum unbesteuerten Flugbenzin eindeutig aus. „Im Sinne einer gleichmäßigen Besteuerung ist die Steuerbefreiung nicht zu rechtfertigen“, sagt Gerd Aberle, der an der Universität Gießen Transportwirtschaft lehrt. „Deutschland wäre jederzeit frei, Steuern auf Flugbenzin zu erheben.“

Das würde aber nichts bringen, sagt Aberle. „Das steuerfreie Flugbenzin ist ein Problem, das international gelöst werden muss.“ Denn in den meisten europäischen Ländern ist Flugbenzin von der Steuer befreit. Werde nur in Deutschland eine Steuer erhoben, „dann haben wir das Gleiche wie im Straßenverkehr“. Da fahren Menschen in den Grenzregionen mit ihrem Auto zum Tanken zum Beispiel nach Luxemburg oder Polen, weil dort das Benzin billiger ist. Bei Flugzeugen sei das ebenfalls kaum ein Problem. Schließlich würden die Maschinen nicht nur auf einer bestimmten Strecke im Inland fliegen. Um günstiger an ihren Treibstoff zu gelangen, müssten die Fluglinien nur die Umläufe ihrer Maschinen etwas anders organisieren. „Faktisch gäbe das dann einen Kerosintourismus“, sagt Aberle. Deutschland hätte dann keine Einnahmen, aber trotzdem den Verkehr.

Subventionsland Deutschland – in dieser Serie berichtet der Tagesspiegel über die milliardenschweren finanziellen Wohltaten des Staates für Bürger und Wirtschaft. Morgen: die gleichzeitige Förderung von Abriss und Stadterneuerung in Ostdeutschland.

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