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Zwei schwarze Sparschweine. Auf dem einen steht: "Wir geben Ihrem Schwarzgeld ein Zuhause. Ihre Steuerfahndung".

© picture alliance / dpa

Steuerhinterziehern auf der Spur: Was Steuerfahnder bei der Arbeit erleben

Steuerfahnder wissen oft nicht, was sie bei einer Durchsuchung erwartet. In Berlin haben sie 2013 in 4000 Fällen ermittelt - und sind zum Teil beschimpft und bedroht worden. Zwei Insider berichten.

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Sie agieren im Geheimen und sind zum Schweigen verpflichtet. Doch jetzt stehen sie im Rampenlicht. Prominente Steuersünder wie Uli Hoeneß, der demnächst vor Gericht erscheinen muss, machen einen Berufsstand bekannt, der lieber im Verborgenen arbeitet – die Steuerfahnder. Die mögen das gar nicht. Denn nicht mal mit dem eigenen Partner dürfen die Finanzbeamten über Hausdurchsuchungen, hinterzogene Millionen oder die Namen von Steuerhinterziehern sprechen. Wer es dennoch tut, riskiert seinen Arbeitsplatz.

Dabei erleben die Kriminalpolizisten, die zugleich Finanzbeamte sind und somit dem Öffentlichen Dienst angehören, in ihrem Berufsalltag so einiges. Er und seine Kollegen würden oft aufs Übelste beschimpft, wenn sie – meist morgens – mutmaßlichen Steuersündern in der Firma oder zu Hause unangemeldet einen Besuch abstatten, erzählt ein Insider, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Waffen im Haus, bissige Hunde, weinende Kinder, ein Brautpaar auf dem Sprung zum Standesamt oder ein Beschuldigter, der belastende Papiere noch schnell in der Toilette verschwinden lässt: Man wisse trotz Recherche nie, was einen hinter der Tür erwarte. Immer wieder müssten die Beamten auf der Suche nach verwertbaren Beweisen regelrecht im Dreck wühlen. Und sie müssen sich so einiges anhören. Nicht selten würden die Steuerfahnder mit der Stasi oder der Gestapo verglichen, sagt einer, der jahrelang als Steuerfahnder gearbeitet hat.

Drohungen gehören zur Tagesordnung. „Es ist besser, wenn Sie als Steuerfahnder nicht verheiratet sind und keine Kinder haben, denn damit machen Sie sich angreifbar“, sagt Rudolf Schmenger. Über ein Jahrzehnt lang war er in Frankfurt am Main als Steuerfahnder unterwegs, bevor er vor gut zehn Jahren frühpensioniert wurde. Er berichtet von einem Kollegen, vor dessen Augen sich der vermeintliche Steuerhinterzieher erschossen hat. Mit Situationen wie dieser kommt längst nicht jeder zurecht.

Die Fahnder entdecken nur einen Bruchteil der Schwargeld-Konten

Außerdem fehle es den Steuerfahndern an Personal und Ausstattung, sagt Schmenger. Er war in Frankfurt Teil einer Fahndergruppe, die unter anderem in den Großbanken ermittelt hat. Es ging um die Frage, inwieweit die Institute Beihilfe zur Steuerhinterziehung geleistet haben. Kunden sollen über bankinterne Konten Geld ins Ausland geschafft haben, um es nicht in Deutschland versteuern zu müssen. Eine heikle Recherche für die Fahnder – erst recht mit den wenigen Mitteln, die ihnen zur Verfügung standen. „Wir hatten noch nicht einmal einen Scanner“, sagt Schmenger. Das Gerät hätten er und seine Kollegen sich schließlich privat gekauft. Die fehlende Technik hatte Folgen: „Was wir damals bundesweit an Mehrsteuern in die Staatskassen gespült haben, ist nur ein Bruchteil dessen, was wir hätten holen können, wenn wir besser ausgestattet gewesen wären.“

Im Jahr treiben Steuerfahnder rund 3,1 Milliarden Steuern ein, die Menschen dem Fiskus vorenthalten haben. Das ist viel Geld, könnte aber noch deutlich mehr sein. Experten gehen davon aus, dass allein auf Konten in der Schweiz noch 200 Milliarden Euro deutscher Steuersünder liegen. Auch Geld von Berlinern. Dabei hat die Staatskasse in den vergangenen Jahren von den Steuersündern schon gut kassiert. Aus Angst vor Entdeckung haben viele Bundesbürger Selbstanzeigen gemacht und Steuern samt Zinsen nachgezahlt. Allein dadurch hat die Berliner Verwaltung seit 2010 über 142 Millionen Euro eingenommen, die dem Staat sonst entgangen wären.

Dennoch macht die Beweissicherung bei den Beschuldigten immer noch einen erheblichen Teil der Arbeit der Steuerfahndung aus. Das Berliner Finanzamt für Fahndung und Strafsachen, wo derzeit 715 Betriebsprüfer und 119 Ermittler mit der Aufklärung von Steuerdelikten befasst sind, schickt nach Tagesspiegel-Informationen jeden Tag ein unbewaffnetes, zwei- bis dreiköpfiges Fahnderteam raus.

Dabei filzen die Männer und Frauen der Behörde nicht nur die privaten Räume ihrer Zielperson, sondern stellen zeitgleich gegebenenfalls auch deren Firma und Hausbank auf den Kopf. Verfügt der mutmaßliche Delinquent über einen Steuerberater, bekommt auch der Besuch. Dabei sind sowohl Dokumente wie Kontoauszüge, Geschäftsbriefe oder Quittungen als auch digitale Informationen auf Festplatten, Mobiltelefonen und Laptops für die Ermittler interessant.

Auch Rentner hinterziehen Steuern

Was auffällt: Die Steuerhinterziehung zieht sich durch alle Schichten. „Auch Finanzbeamte, Politiker, Richter und Staatsanwälte haben wir ihrer Verfehlungen überführt“, sagt Schmenger. Und jede Menge Prominente. Der Mann kann heute so offen reden, weil er die Seiten gewechselt hat. Vor zehn Jahren wurde er frühpensioniert. Neben ihm mussten weitere 14 Kollegen die Steuerfahndung Frankfurt verlassen. Die Umstände sind bis heute nicht geklärt. Schmenger sagt, es habe daran gelegen, dass sie in besonders heiklen Fällen in Finanz- und Politikerkreisen ermittelt hätten. Er und drei seiner Kollegen haben einen Gutachter, der sie damals für paranoid erklärte, auf Schadensersatz verklagt. Es geht um viel Geld – und die Reputation. Doch die Gerichtsverhandlung zieht sich hin, es kann noch Jahre dauern, bis der Fall geklärt ist. Deshalb hilft der 52-Jährige heute Steuerhinterziehern, „die den Weg zurück in die Legalität suchen“. Ein Vorteil habe sein neuer Job: „Ich kann heute viel tiefer in die Fälle einsteigen als früher als Fahnder. Das macht die Arbeit so spannend.“

Dabei ist er immer wieder überrascht, wie weit verbreitet das Phänomen der Steuerhinterziehung sei. Denn längst sind es nicht nur die Gutverdiener, die ihr Geld ins Ausland bringen. Schmenger berichtet von Rentnern, die ihr Leben lang gespart haben – aber Steuerhinterzieher sind. „Ich erinnere mich an eine Frau, die sogar das Regenwasser für die Toilettenspülung gesammelt hat“, erzählt er, „dabei hatte sie über zwei Millionen Euro auf einem Konto in Liechtenstein liegen.“

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