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Steuerhinterziehung: Im Finanzparadies

In Liechtenstein legen Steuersünder gerne ihr Geld an – niedrige Steuersätze, ein besonderes Stiftungsrecht und ein strenges Bankengeheimnis machen das Fürstentum so attraktiv. Dem deutschen Fiskus entsteht ein Millardenschaden.

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Berlin - „In Liechtenstein lassen sich alle Freizeitträume erfüllen“, wirbt das kleine, zwischen der Schweiz und Österreich gelegene Fürstentum auf seiner Internetseite. „Erholen, Faulenzen, Träumen“, schlagen die Werber vor, und „das kulturelle und kulinarische Buffet bietet Fürstliche Momente in all seinen Variationen“. Viele Besucher lassen sich aber auch von einem anderen Vorteil anziehen: niedrige Steuersätze, ein besonderes Stiftungsrecht und ein strenges Bankgeheimnis „aus Grundhaltung und Tradition“ machen den nur 35 000 Einwohner zählenden Kleinstaat zu einem Finanzparadies – auch für Steuersünder.

Wer sein Geld dem deutschen Fiskus vorenthalten will, kann etwa eine Stiftung gründen. „Es gibt mehrere Hundert Anwälte, die darauf spezialisiert sind“, weiß Michael Bormann, Steuerberater bei der Berliner Kanzlei Bormann, Demant & Partner. Dabei ist der Transfer des Geldes ins Ausland an sich noch nicht strafbar. Nur wenn es um Schwarzgeld geht, also hierzulande unversteuerte Einnahmen, wird dies ein Fall für den Staatsanwalt. Die andere Möglichkeit: Jemand legt Geld im Ausland an und versteuert die anfallenden Zinsen in Deutschland nicht. „Wer es geschickt anstellt, hinterlässt keine Spuren“, weiß Steuerexperte Bormann. Der Transfer von Geld im Kofferraum eines Autos über die Grenze sei allerdings extrem ungeschickt, „das macht heute kaum mehr jemand“.

Technisch ist die Gründung einer Stiftung ein simpler Vorgang: Man braucht 30 000 Franken (etwa 18 500 Euro) Startkapital sowie einen Treuhänder, etwa einen Anwalt. Einen besonderen Zweck wie in Deutschland müssen Stiftungen in Liechtenstein nicht haben. Schätzungen zufolge gibt es in dem kleinen Land rund 80 000 Briefkastenfirmen oder Stiftungen – allerdings dienen sicherlich nicht alle der Steuerhinterziehung.

Doch die Zugriffsmöglichkeiten der deutschen Justiz sind gering. Vereinbarungen zum gegenseitigen Austausch von Finanzdaten, wie innerhalb der Europäischen Union üblich, gibt es nicht, ebensowenig wie mit der Schweiz. Insgesamt entgehen dem deutschen Fiskus nach Bormanns Schätzungen mindestens 20 Milliarden Euro durch Steuerhinterziehung – die deutsche Steuergewerkschaft spricht sogar von 30 Milliarden. „Das ließe sich mit mehr Personal sicher eindämmen.“

Post-Vorstandschef Klaus Zumwinkel ist nicht der erste Manager, der Probleme mit der Justiz hat. 1984 musste sich etwa Eberhard von Brauchitsch auf dem Höhepunkt der Flick-Spendenaffäre vor Gericht verantworten. Ausgehend vom Verkauf von Daimler-Anteilen wollte von Brauchitsch für seinen Arbeitgeber, die Flick KG, ein günstiges politisches Umfeld schaffen. Die zwei Milliarden Euro Verkaufserlös sollten möglichst steuerbegünstigt wieder angelegt werden. Von Brauchitsch musste am Ende des Prozesse 550 000 Mark wegen Steuerhinterziehung zahlen.

Prominente Fälle der jüngeren Zeit sind Peter Hartz, der ehemalige Personalvorstand von Volkswagen. In der Lustreisen-Affäre hatte er jahrelang Betriebsräte unerlaubt begünstigen lassen, insgesamt war dem Unternehmen ein Schaden von 2,6 Millionen Euro entstanden. Hartz kam mit einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren und einer Geldstrafe von knapp 600 000 Euro davon, weil er ein umfassendes Geständnis ablegte.

Josef Ackermann, der Chef der Deutschen Bank, musste sich sogar in zwei Prozessen vor dem Richter verantworten. Der Vorwurf: Untreue im Zusammenhang mit der Übernahme der Mannesmann AG durch den Mobilfunkkonzern Vodafone. Am Ende wurde das Verfahren gegen die Zahlung einer Geldsumme eingestellt. Ackermann gilt zwar nicht als vorbestraft, kam aber nur mit einem Freispruch zweiter Klasse davon.

Manager mussten sich in jüngerer Vergangenheit mit viel schwerwiegenderen Vorwürfen auseinandersetzen. Die Brüder Haffa sollen bei ihrem Medienunternehmen EM.TV die Bilanzen gefälscht haben – um ähnliche Fälle ging es bei den Unternehmen Flowtex und Comroad. Die Vorwürfe im Zuge der Siemens-Schmiergeldaffäre sind nicht restlos aufgeklärt, verurteilt ist noch kein Manager.

In Berlin hielt sich die Regierung derweil mit einer Bewertung der Vorwürfe gegen Zumwinkel zurück. Offiziell wollten sich weder Bundesfinanz- noch wirtschaftsministerium am Donnerstag zu den Durchsuchungen im Hause Zumwinkel äußern. „Es gilt die Unschuldsvermutung“, sagten ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums und beinahe wortgleich ein Sprecher des Finanzministeriums, dessen Staatssekretär Werner Gatzer für den Bund im Aufsichtsrat sitzt.

Hinter den Kulissen allerdings herrsche „Fassungslosigkeit“, wie ein Beobachter in der Hauptstadt sagt. Und zwar darüber, dass ein Mann wie Klaus Zumwinkel, der 18 Jahre lang an der Spitze eines der großen deutschen Bundes-Unternehmen steht, sein Lebenswerk als Unternehmer ruiniert, nur um ein paar Euro Steuern zu sparen. Steuerhinterziehung, weil auch einer wie Zumwinkel „den Hals nicht voll kriegen kann“: Sollte sich das auch nur ansatzweise bewahrheiten, heißt es in Regierungskreisen, müsse der Post-Chef unverzüglich seinen Rücktritt erklären.

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