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Ungemütlich. Immer wieder tauchen CDs mit Daten von Anlegern auf, die zum Beispiel in Liechtenstein Steuern hinterziehen.

© ddp

Steuerhinterziehung: Reingewaschen durch Selbstanzeige

Seit dem Auftauchen der Steuersünder-CD's haben Vermögensberater in Liechtenstein hauptsächlich mit Beratung bei Selbstanzeigen zu tun. Denn auch dabei können einige Fehler gemacht werden.

Heinrich Kieber ist der Mann, der Millionäre um den Schlaf bringt. Der ehemalige Mitarbeiter der Liechtensteiner LGT Bank hatte die Kontodaten etlicher Kunden kopiert, bevor er die Bank im Jahr 2002 verließ. 2006 verkaufte er das brisante Material, auch an den deutschen Bundesnachrichtendienst. Der leitete die Informationen an das Finanzamt weiter, das daraufhin Steuerhinterziehung in Millionenhöhe aufdecken konnte – unter anderem beim ehemaligen Post-Chef Klaus Zumwinkel. Unter dem Titel „Der Fürst. Der Dieb. Die Daten“, stellte Kieber vor ein paar Tagen eine 652-Seiten-lange Abrechnung mit dem Fürstentum Liechtenstein ins Netz. Der Mann, der inzwischen unter falschem Namen in einem Zeugenschutzprogramm lebt, gilt in seinem Heimatland als Verräter.

Auch in Deutschland ist der Ankauf gestohlener Daten, die dem Staat immer wieder angeboten werden, umstritten. Wie auch immer man die Frage moralisch bewerten will, fest steht: Allein das Wissen um die Existenz der Steuer-CDs hat bislang mehr als 18 000 deutsche Steuerhinterzieher dazu gebracht, sich selbst anzuzeigen – und ihr Schwarzgeld damit in die Legalität zurückzuholen.

„Der mediale Druck ist gewaltig“, sagt Michael Seidl von der Money Service Group (MSG). Sein Unternehmen mit Sitz in Liechtenstein berät Vermögende bei der Geldanlage. Seit 2008 ist die Beratung bei Selbstanzeigen eine seiner Hauptaufgaben. Rund 300 solcher Fälle habe die MSG bislang begleitet, sagt Seidl. „Wenn die Kunden fragen, was sie mit ihrem Schwarzgeld tun sollen, sagen wir immer: Es gibt nur einen rechtssicheren Weg, und das ist die Selbstanzeige“.

Anzuzeigen gibt es noch viel Geld: Seidl schätzt, dass bislang erst 20 Prozent der unversteuert im Ausland angelegten Vermögen offengelegt worden sind. Die anderen müssen sich jetzt gut überlegen: Stelle ich mich freiwillig oder riskiere ich, erwischt zu werden? Wer sich selbst anzeigt, muss nicht nur alle Steuern nachzahlen. Auf den Gesamtbetrag wird auch noch ein Strafzins von sechs Prozent pro Jahr geschlagen. Dafür entgeht er einem Strafverfahren. Und das kann deutlich schlimmer ausgehen: Ab einem unterschlagenen Vermögen von 500 000 Euro kann der Richter eine Gefängnisstrafe verhängen, ab einer Million ist er sogar dazu verpflichtet. „Das erhöht den Leidensdruck“, sagt MSG-Chef Seidl.

Zur Polizei müssen die Steuersünder nicht gehen. Es reicht eine sogenannte „Berichtigungserklärung“ beim zuständigen Finanzamt abzugeben, in der sämtliche Konten, Aktienbestände und Immobilien der letzten zehn Jahre aufgelistet sind. Seidl rät dazu, bei einer Selbstanzeige auf jeden Fall einen Berater hinzuzuziehen. Denn wer hier einen Fehler macht, zum Beispiel, weil er eine Angabe vergisst, die schon Jahre zurückliegt, riskiert trotz Reue ein Strafverfahren. Wichtig ist auch, dass die späte Steuer direkt nach Eingang des Steuerbescheids gezahlt wird. Ansonsten wird die Straffreiheit sofort wieder aufgehoben.

Eine Selbstanzeige ist allerdings nur möglich, solange der Fiskus noch nicht auf den Betrug aufmerksam geworden ist. Sobald ein Ermittlungsverfahren eröffnet worden ist, gibt es keine Möglichkeit mehr, der Strafe zu entgehen. Die Tatsache, dass der eigene Name auf einer Daten-CD auftaucht, reicht dafür aber noch nicht aus, sagt Peter Lüdemann, Partner in der Steuerberatungsgesellschaft Ecovis. Für ein Ermittlungsverfahren brauche das Finanzamt einen begründeten Tatverdacht. Und dafür müssten die Beamten erst einmal die Kontodaten mit den bislang eingegangen Steuererklärungen vergleichen.

Das Problem betrifft nicht nur Millionäre, die ihr Vermögen im Ausland liegen haben. Auch viele Erben stehen vor der Frage, was sie mit den Schweizer Konten von Eltern oder Großeltern tun sollen. „Die typische Hinterziehergeneration ist heute über siebzig“, sagt Peter Lüdemann. Er schätzt, dass Hunderttausende Normalverdiener ihr Erspartes an der Steuer vorbei in den Alpenländern angelegt haben. Wer ein solches Depot erbt, muss keine Angst haben, wegen Steuerhinterziehung bestraft zu werden – das kann nur derjenige, der die Steuer hinterzogen hat. Der Erbe des Schwarzgeldes ist aber verpflichtet, die Steuererklärungen der letzten zehn Jahre für das ererbte Vermögen zu berichtigen. Sonst wird er selbst zum Steuerhinterzieher.

Es ist nicht nur die Angst, erwischt zu werden, die reihenweise Menschen dazu bringt, sich selbst anzuzeigen. Auch immer mehr Banken würden ihre Kunden dazu drängen, die Schwarzgeldkonten aufzulösen, sagt Lüdemann. Schließlich müssten sie damit rechnen, dass der Schweizer Staat irgendwann doch einmal einem Abkommen zustimmt, dass Finanzämtern aus dem Ausland Einblick in die Kontodaten ihrer Bürger gewährt. „Die Banken trennen sich lieber von Kunden, als zu riskieren, dass sie später wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung belangt werden“, sagt Lüdemann.

Doch längst nicht jedes Institut rät seinen Kunden dazu, das Geld zu legalisieren. Im Gegenteil, in den letzten Jahren sind viele Schlupflöcher entstanden, in denen das unversteuerte Vermögen versteckt werden kann. Eine Möglichkeit sind Lebensversicherungen, die über mehr als zehn Jahre laufen. Die Kapitalerträge müssen erst dann in der Steuererklärung angegeben werden, wenn die Versicherung ausbezahlt wird. Bis dahin ist die Steuerhinterziehung verjährt, Strafzahlungen fallen nicht mehr an. Ähnlich funktionieren offene Immobilienfonds, die anonym Ertragssteuern abführen, ohne den Namen ihrer Investoren zu nennen. Der Vorteil für den Kunden: Das Konto ist aufgelöst und von der Beteiligung an dem Fonds erfährt das Finanzamt erst, wenn der Straftatbestand nicht mehr zählt. Peter Lüdemann warnt vor solchen Modellen. „Wer Ihnen das rät, begeht Beihilfe zur Steuerhinterziehung“. Auch die Finanzverwaltung sei schlauer geworden und es sei nicht unwahrscheinlich, dass auch Lebensversicherungen und Immobilienfonds demnächst Einblick in ihre Daten geben müssten.

Auch MSG-Chef Seidl sieht keine Alternative zur Selbstanzeige. Eines gibt er aber noch zu bedenken: „Wenn mit dem Ursprungsvermögen nicht nur Steuern hinterzogen wurden, sondern beispielsweise auch Sozialabgaben, habe ich zwar ein Problem gelöst, aber auch ein anderes Fass aufgemacht.“

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