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Wirtschaft: Steuerkasse droht Fünf-Milliarden-Loch

DIW-Steuerschätzer rechnet wegen schwachen Wachstums mit Ausfällen / Einzelhandel sieht weiter rückläufigen Konsum

Berlin Wegen des erneut schwachen Wirtschaftswachstums in Deutschland in 2005 werden auch die Steuereinnahmen sinken. „Bund, Länder und Gemeinden müssen sich im laufenden Jahr neuerlich auf Steuermindereinnahmen einstellen“, sagte der Steuerschätzer des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Dieter Vesper, der Nachrichtenagentur Reuters. Das Ergebnis der Steuerschätzung im Mai werde noch von den wirtschaftlichen Vorgaben der Bundesregierung abhängen. „Aber dennoch kann man heute schon sagen, dass Mindereinnahmen von mindestens fünf Milliarden Euro im Vergleich zur Novemberschätzung nicht unwahrscheinlich sind.“

Bislang waren die Steuerschätzer von Einnahmen in Höhe von 450,1 Milliarden Euro ausgegangen. Mit den neuen Ausfällen wird immer unwahrscheinlicher, dass Bundesfinanzminister Hans Eichel sein Ziel noch halten kann, erstmals seit drei Jahren unter der europäisch vereinbarten Defizitobergrenze zu bleiben. Während er von einer Defizitquote von 2,9 Prozent ausgeht, rechnet die Europäische Union mit 3,3 Prozent.

Erst am Montag hatte nach zahlreichen Wirtschaftsforschungsinstituten auch die EU-Kommission ihre Wachstumsprognose nach unten revidiert, von 1,6 Prozent auf 0,8 Prozent. Auch der Bundesverband der Industrie (BDI) hat seine bisherige Prognose von 1,5 Prozent auf ein Prozent heruntergeschraubt. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) dagegen hält bei einem Anziehen der Binnenkonjunktur dieses Jahr noch ein Wachstum von 1,5 Prozent für möglich. Dafür müssten aber nach den Worten von DIHK-Präsident Ludwig Georg Braun die Beschlüsse des Job-Gipfels rasch umgesetzt werden. „Ich glaube, dass es noch erreicht werden kann, aber es ist schwieriger geworden“, sagte Braun am Dienstag. Die Bundesregierung geht derzeit noch von einem Wirtschaftswachstum von 1,6 Prozent für 2005 aus, Ende April wird auch sie ihre neue Prognose veröffentlichen.

Die Steuerausfälle gehen laut Vesper vor allem auf die schlechte Entwicklung der Lohn- und Einkommensteuer, der Umsatzsteuer und den sonstigen Verbrauchssteuern zurück. Wegen der unbefriedigenden Wirtschaftsentwicklung stiegen die Löhne kaum, und die schwache Binnennachfrage wirke sich negativ auf Umsatz- und Verbrauchssteuern aus.

Auch der Einzelhandelsverband HDE geht von einem weiteren Rückgang des Privatkonsums aus. „Wir müssten schon sehr viel Glück haben, wenn wir das Vorjahresniveau halten könnten“, sagte Hubertus Pellengahr, HDE-Geschäftsführer, dem Tagesspiegel. Im vergangenen Jahr waren die Umsätze um 1,6 Prozent gesunken. „Die Verbraucher sind noch immer sehr verunsichert, weil sie nicht sehen, dass die Reformen Früchte tragen“, sagte Pellengahr. Eine nachhaltige, leichte Belebung des Konsums sei erst in der zweiten Jahreshälfte zu erwarten. „Es wird schwierig sein, dass insgesamt ein positives Ergebnis herauskommt.“ Der HDE wird seine genaue Prognose in der kommenden Woche veröffentlichen.

Auch der Bundesverband des Groß- und Außenhandels (BGA), der bisher ein Prozent Wirtschaftswachstum prognostiziert, sieht die Entwicklung eher skeptisch. „Die Rahmenbedingungen haben sich nicht verbessert, sie sind schlecht. Es wird schwer, ein Prozent zu erreichen“, sagte BGA-Präsident Anton Börner dem Tagesspiegel.

Der Chef des Internationalen Währungsfonds, Rodrigo Rato, forderte im „Handelsblatt“ weitere Reformen, damit die Binnennachfrage das Wachstum wieder in Gang bringt: „Deutschland bewegt sich in die richtige Richtung, aber die Reform-Schlagzahl muss erhöht werden.“ Rato riet zu längeren Arbeitszeiten und Ladenöffnungszeiten. An der Lockerung des Kündigungsschutzes führe „kein Weg vorbei“. fw/mod/HB

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