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Wirtschaft: Stillstand auf dem Arbeitsmarkt

Ökonomen verlangen zügige Reformen von Clement – Koalitionsrunde verhandelt auch über die Statistik

Berlin (ce/brö). Die Lage auf dem Arbeitsmarkt hat sich im September leicht entspannt. Mit 3,94 Millionen Menschen ohne einen Job sank die Zahl der Arbeitslosen wieder um mehr als 76 000 unter die Vier-Millionen-Marke. Das ist allerdings auf die übliche Herbstbelebung zurückzuführen – saisonbereinigt sank die Zahl der Arbeitslosen nur um 1000. Für die nächsten Monate sieht es nicht gut aus: Deutschlands führende Konzerne wollen kräftig Stellen streichen.

„Die wirtschaftliche Dynamik ist noch zu schwach und zu wenig gefestigt, um den Arbeitsmarkt zu beleben“, sagte der Chef der Bundesanstalt für Arbeit (BA) am Dienstag bei der Vorstellung der Zahlen in Nürnberg. Die Zeichen einer Wachstumsverlangsamung hätten sich noch verstärkt. Die Arbeitslosigkeit werde im Jahresschnitt über der Vier-Millionen-Marke bleiben, prognostizierte Gerster. „Wir haben noch eine große Wegstrecke vor uns“, sagte der designierte SPD-Generalsekretär Olaf Scholz. Bundesweit ging die Arbeitslosenquote im Vergleich zum August von 9,6 auf 9,5 Prozent zurück. Im Osten war die Quote mit 17,2 Prozent mehr als doppelt so hoch wie in den alten Ländern (7,7 Prozent).

Mit der Umsetzung der Hartz-Vorschläge zur Reform des Arbeitsmarktes steht auch die Arbeitslosenstatistik auf der Tagesordnung der Koalitionsverhandlungen, heißt es im Arbeitsministerium. Der scheidende Minister Walter Riester (SPD) hatte angekündigt, die deutsche Zählweise an internationale Standards anzunähern. Riester will etwa die Personen aus der Statistik nehmen, die dem Arbeitsmarkt nicht tatsächlich zur Verfügung stehen – etwa Arbeitslose, die einen neuen Job in Aussicht haben. Vor den Wahlen hatte der Minister eine Änderung jedoch gescheut, weil er den Vorwurf der Statistikfälschung fürchtete.

BA-Chef Gerster zeigte sich erfreut über die Berufung des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Wolfgang Clement (SPD) zum Minister für Wirtschaft und Arbeit. Die Zusammenlegung der Ressorts sei eine „zukunftsträchtige Entwicklung“. Das Verhältnis zwischen dem scheidenden Arbeitsminister Walter Riester und dem Behördenchef galt als äußerst angespannt. „Ich bin sicher, dass Clement ein Mann ist, der an seine neue Aufgabe reformerisch herangeht“, sagte Gerster. Das aber bezweifeln Unions-Politiker. Clement stelle keine Lösung der Arbeitsmarktprobleme dar, sagte CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer. Die aktuellen Arbeitslosenzahlen bezeichnete er als Bilanz „von vier Jahren verfehlter rot-grüner Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik.

Führende Ökonomen forderten Clement zu entschlossenen Reformen auf. „Die Vorschläge liegen seit Jahren auf dem Tisch, jetzt muss er handeln und Voraussetzungen für mehr Wachstum schaffen“, sagte Thomas Straubhaar, Chef des Hamburger HWWA-Institutes, dem Tagesspiegel. Clement sei der richtige Mann, weil er Führungskompetenz bewiesen habe und die Gewerkschaften in die Schranken weisen könne. Wichtig sei die Flexibilisierung des Tarifvertragsrechts und die Liberalisierung des Arbeitsmarktes. Bei den nötigen Reformen dürfe die Sozialpolitik nicht im Vordergrund stehen, sagte der Präsident des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung in Essen, Christoph Schmidt. Neben den Hartz-Reformen müsse es weitere strukturelle Veränderungen geben, vor allem in der Sozialversicherung. Damit könne Clement auch ein wichtiges psychologisches Signal für die Unternehmen setzen, regte Wolfgang Franz an, Chef des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). „Glaubhaft angekündigte Reformen wären schon die halbe Miete, um neue Investoren ins Land zu holen, die neue Jobs schaffen.“

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