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Wirtschaft: Strafe für Merrill Lynch schreckt Banken auf

Berlin (mot). Die 100-Millionen-Dollar-Strafe für die US-Investmentbank Merrill Lynch wegen angeblich irreführender Anlagetipps ruft auch die deutschen Großbanken auf den Plan.

Berlin (mot). Die 100-Millionen-Dollar-Strafe für die US-Investmentbank Merrill Lynch wegen angeblich irreführender Anlagetipps ruft auch die deutschen Großbanken auf den Plan. „Wir werden uns die Untersuchungen der US-Behörden genau ansehen und prüfen, ob wir etwas aus dem Fall lernen können“, sagte ein Sprecher der Deutschen Bank am Mittwoch. „Aber wir fühlen uns auf sicherem Terrain.“ Der scheidendende Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Rolf E. Breuer, verwies auf der Hauptversammlung auf die strikte Trennung von Aktienresearch und Investmentbanking bei der größten deutschen Bank, die dem Institut zahlreiche Auszeichnungen für ihre Unabhängigkeit eingetragen hätten. Auch die Commerzbank zeigte sich unbesorgt, dass es wie bei Merrill Lynch dazu kommen könne, dass Commerzbank-Analysten Aktien zum Kauf empfehlen, obwohl die Papiere in internen Vermerken sehr schlecht beurteilt wurden.

Merrill Lynch hatte am Dienstag mitgeteilt, das Unternehmen habe sich mit dem Justizminister des US-Bundesstaates New York, Eliot Spitzer, gütlich über die Zahlung von 100 Millionen Dollar (knapp 110 Millionen Euro) geeinigt. Um Schadenersatzklagen zu vermeiden, betonte die Bank allerdings, die Zahlung bedeute kein Schuldeingeständnis. Sie zog damit gleichwohl die Konsequenz aus den Ermittlungen des Justizministeriums, die zu dem Schluss gekommen waren, dass Analysten bei Merrill Lynch geschönte Aktienprognosen geliefert hatten, um der Investmentabteilung Kunden zu sichern. Mit der Bank einigte sich Eliot Spitzer der Mitteilung zufolge nun unter anderem darauf, dass Merrill Lynch ein Komitee einrichtet, das die Aktienbewertungen der Analysten überprüft. Außerdem sollen die Gehälter der Analysten nicht mehr an den Geschäftsverlauf des Investmentbankings gekoppelt werden. Spitzer kündigte zudem an, auch die Praxis der anderen Banken unter die Lupe nehmen zu wollen. „Wir werden unsere Untersuchung auf alle großen Häuser der Wall Street ausweiten.“

Experten erwarten, dass die Ermittlungen auch Konsequenzen für die deutsche Finanzmarktkontrolle haben könnten. „Auch die neu geschaffene Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht wird sich die Praxis in den Banken jetzt genauer ansehen“, sagte Wolfgang Gerke, Börsensachverständiger und Inhaber des Lehrstuhls für Bank- und Börsenwesen an der Universität Erlangen.

„Interessenkonflikte lassen sich innerhalb der Banken nie vermeiden“, so Gerke. „Es ist nur wichtig, dass sie an die Öffentlichkeit gelangen.“ Große Zweifel an der sauberen Trennung von Aktienresearch und Investmentbanking bei deutschen Großbanken haben die Anlegerschützer. Sie kritisieren insbesondere, dass die so genannten „Chinese Walls“, die die Analyse- von den Investmentbanking-Abteilungen trennen sollen, „löchrig wie ein Käse“ seien. „Es gibt keine einzige Aktien-Studie, die nicht einen für die jeweilige Bank wichtigen finanziellen Hintergrund hat“, sagt Markus Straub, Vorstandsmitglied bei der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK). „Falsche Bewertungen und bewusste Täuschung – das gehört zum deutschen Banken-Alltag.“ Die Finanzaufseher seien gefordert, sich bei Brokerhäusern und Investmentbanken vor allem über die Gehälter der Analysten und ihre Beteiligung bei Börsengängen und anderen Bankangelegenheiten zu informieren.

Fließende Grenzen

Auf Kritik stößt die gängige Praxis bei den Banken, dass Analysten und Investmentbanker – etwa bei der Vorbereitung von Börsengängen – eng zusammenarbeiten. Die Banken versichern zwar, Analysten würden bei Präsentationen oder Unternehmergesprächen nur eingeladen, um dem potenziellen Kunden entsprechendes Know-how zu demonstrieren. Anlegerschützer weisen jedoch darauf hin, dass niemand kontrollieren könne, wo die Grenze verlaufe. „Da muss gar nicht mehr über einzelne Aktien gesprochen werden, weil die Analysten ohnehin wissen, an welchen Börsengängen ihre Bank beteiligt war“, sagte Wolfgang Gerke. Wenn es um ein gutes Geschäft gehe, würden die Chinese Walls mühelos überwunden.

Die Banken weisen solche Vorwürfe weit von sich. „Einen solchen Fehltritt kann sich ein Mitarbeiter nur einmal leisten“, sagt ein Commerzbank-Sprecher. „Danach hat er seine Reputation am Markt verloren.“ Die Commerzbank habe sich hier nichts vorzuwerfen. Die zuständige Compliance-Abteilung, die Insiderverstöße verhindern sollen, arbeite „sorgfältig und weitreichend“. Allein, die Kontrolle fällt externen Prüfern schwer. „Analysten sind auch Menschen“, räumt die Commerzbank ein. Ihre Bezüge werden immer noch in der Regel aus einem gemeinsamen Topf des Invenstment-Bereichs bezahlt. Und hier zählt am Ende nur der Erfolg.

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