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Wirtschaft: Straßenkampf um neue Maut

GENF .Die Schweiz soll für deutsche Speditionen schon bald ein teures Pflaster werden: Die Regierung in Bern will in- und ausländische Lastkraftwagen mit einer Maut zur Kasse bitten, "die in ihrer Höhe europäisches Rekordniveau erreicht", wie die Funktionäre des Schweizerischen Spediteurverbands ASTAG wettern.

GENF .Die Schweiz soll für deutsche Speditionen schon bald ein teures Pflaster werden: Die Regierung in Bern will in- und ausländische Lastkraftwagen mit einer Maut zur Kasse bitten, "die in ihrer Höhe europäisches Rekordniveau erreicht", wie die Funktionäre des Schweizerischen Spediteurverbands ASTAG wettern.Nach dem Abgabenplan des Verkehrsministeriums sollen Lastzüge von 3,5 bis 44 Tonnen pro gefahrenem Kilometer und je nach Transportvolumen umgerechnet bis zu drei Pfennig entrichten.Ab dem Jahr 2005 müßte für eine Nord-Süd-Durchfahrt zwischen Basel und Chiasso umgerechnet rund 420 DM hingeblättert werden.Ob es soweit kommt, entscheiden die Eidgenossen am Sonntag in einer Volksabstimmung.

Verkehrsminister Moritz Leuenberger rechnet mit jährlichen Einnahmen aus der Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) in Höhe von umgerechnet rund 1,8 Mrd.DM.Ein Drittel der Summe soll in neue Straßenbauten fließen, zwei Drittel in die Modernisierung der Bahn und des Schienennetzes sowie Lärmschutzmaßnahmen.Leuenbergers Kalkül: Die Bahn wird so umgerüstet, daß die LKW auf der Schiene per Huckepackverfahren transportiert werden können.

Die happige Maut ist der Hebel für Leuenbergers Pläne.Falls die Schweizer der LSVA eine Abfuhr erteilen "müssen die Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur durch Steuergelder finanziert werden" droht Leuenberger.Dazu wird es wahrscheinlich nicht kommen, wie Demoskopen versichern.Eine Mehrheit der Schweizer werde sich für die Abgabe entscheiden.

Vor allem aus einen Grund wollen die Schweizer die Brummis zur Kasse bitten: Im vergangenen Jahr rollten über 1,1 Mill.schwere Güterfahrzeuge durch die engen Täler der Schweizer Alpen, 1987 waren es noch 600 000 gewesen.In den nächsten zwanzig Jahren, so sagen es die Experten im Berner Verkehrsministerium voraus, könnte sich das Transportvolumen auf den Asphaltrouten verdoppeln."Der Straßengüterverkehr begleicht seine Rechnungen nie.Er kommt nicht einmal für die Hälfte seiner tatsächlichen Kosten auf", schimpft Simonetta Sommaruga von der Berner Stiftung Konsumentenschutz.Die Verbrauchervereinigung empfiehlt wie fast alle Umweltverbände, Gewerkschaften und Parteien für die LSVA zu stimmen.Dann würden die von den Brummis verursachten Kosten in Höhe von umgerechnet rund 1,2 Mrd.DM gemäß dem Verursacherprinzip abgegolten.Die Mehrkosten für die Haushalte würden sich auf umgerechnet rund 60 DM pro Jahr wegen der auf die Konsumenten abgewälzten höheren Transportkosten belaufen, beruhigt Sommaruga die Zweifler.

Die Speditionsvereinigung ASTAG hält dagegen: "Die LSVA-Steuer wird die Schweizer teuer zu stehen kommen." Pro Jahr und Haushalt müssten umgerechnet rund 600 DM mehr wegen der verteuerten Transporte berappt werden.Fuhrunternehmen wären gezwungen, umgerechnet bis zu 120 000 DM pro Fahrzeug jährlich abzuführen, die Transportkosten der Schweizer Wirtschaft erhöhten sich um satte 30 Prozent, die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sei gefährdet.Da jedoch die Drohungen bisher nur eine Minderheit der Schweizer gegen den Wegezoll mobilisiert haben, schalten die Trucker auf der Zielgerade noch einen Gang zu."Wenn die LSVA kommt, dann werden viele Speditionen ins Ausland gehen müssen", warnt Ulrich Giezendanner, Abgeordneter in Bern und einer der politischen Wortführer der Fuhr-Branche.Das klingt noch harmlos.Volksvertreter wie Lisbeth Fehr oder Andrea Hämmerle, die sich für die Maut einsetzen, klagen über die Einschüchterungskampagnen der Gegenseite.So hätten Trucker versucht, einen Bus der LSVA-Befürworter auf der Autobahn zu rammen, Beschimpfungen per Telefon eskalierten und Lkw-Chauffeure mischten in Straßenkampfmanier Veranstaltungen der Maut-Befürworter auf.Falls sich die Regierung am Sonntag trotz der Ausfälle durchsetzt, freut das auch die Brüsseler Verkehrsstrategen.Der zuständige EU-Kommissar Neil Kinnock liebäugelt schon lange mit einer Lkw-Abgabe nach dem Verursacherprinzip.Die Schweiz wäre leuchtendes Vorbild.

JAN DIRK HERBERMANN

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