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Breslau

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Streckenausbau: Im Bummelzug von Berlin nach Breslau

Die Bahnstrecke ins polnische Wroclaw ist marode und soll modernisiert werden. Der Bund soll die Kosten für den Neubau zum größten Teil übernehmen.

In zwei Stunden und 34 Minuten konnte man einst mit der Bahn von Berlin ins rund 350 Kilometer entfernte Breslau fahren. Der „Fliegende Schlesier“ machte es um 1936 möglich. Wer heute am Berliner Ostbahnhof in den Zug nach Breslau steigt, muss entscheidend mehr Zeit im Gepäck haben. Fast sechs Stunden ist man unterwegs – das sind Zustände wie um 1885.

Doch das soll sich nach dem Willen der Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung bald ändern. Am Dienstagabend stellten sie während einer gemeinsamen Veranstaltung eine in Auftrag gegebene Studie vor. Diese kommt zu dem Schluss, dass der Ausbau der Bahnstrecke Berlin - Breslau wirtschaftlich sinnvoll ist und sowohl in Polen als auch in Deutschland als notwendig erachtet wird.

Breslau ist in den vergangenen Jahren zur Metropole Niederschlesiens geworden – und zu einem der größten Industriezentren Polens. Wichtige Wirtschaftszweige sind der Fahrzeug- und Maschinenbau, die Elektro- und Lebensmittelindustrie. Niedergelassen haben sich Firmen wie LG Philips und Volvo. Der Automobilhersteller unterhält dort sein größtes europäisches Werk zur Produktion von Bussen und Nutzfahrzeugen. Auch im IT-Bereich nimmt Breslau einen wichtigen Platz innerhalb Polens ein: Ein Drittel der Unternehmen aus der IT-Produktion und -Dienstleistung hat sich dort angesiedelt. Seit 2004 werden stetig neue Arbeitsplätze geschaffen.

Für den Präsidenten der IHK Berlin, Eric Schweitzer, ist „Breslau so etwas wie ein Shooting-Star. Die Wachstumszahlen steigen – die Fahrzeiten mit der Bahn aber leider auch.“ Für das wirtschaftliche Wachstum beider Städte und deren Regionen sei der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur wichtig. Auch Ingeborg Junge-Reyer, Berlins Senatorin für Stadtentwicklung, sieht großen Handlungsbedarf: „Die Verkehrsinfrastrukturentwicklung soll mit aller Kraft gefördert werden. Wir brauchen sie zur Entwicklung unserer Regionen“, sagte die SPD- Politikerin.

Aktuell werde eine Linienführung von Berlin über Cottbus, Horka, Legnica nach Breslau befürwortet, heißt es in der Studie. Auch der Berliner Flughafen BBI soll angebunden werden – ein weiterer Grund für die Notwendigkeit des Ausbaus. Damit eine Fahrzeit von rund drei Stunden möglich ist, müssen die Züge auf dem überwiegenden Teil der Strecke 160 Kilometer pro Stunde fahren können. Um dies zu gewährleisten, müssen insbesondere die Langsamfahrstellen der Linienführung modernisiert werden – etwa zwischen Hoyerswerda und Horka.

Der Parlamentarische Staatssekretär des Bundesverkehrsministeriums, Ulrich Kasparick (SPD), hat den Baubedarf immerhin erkannt: „Im Januar 2010 soll damit begonnen werden“, kündigte er an. Die IHK-Studie prognostiziert Investitionen in Höhe von ungefähr 100 Millionen Euro. Dem Verkehrsministerium zufolge soll größtenteils der Bund die Kosten für die Modernisierung tragen.

Derzeit fahren zwar täglich mehrere Züge in die schlesische Metropole, aber Reisende, die es eilig haben, sind auf das Auto angewiesen. Eine Flugverbindung nach Breslau gibt es nicht.

Die Bahnverbindung ist nicht nur heute von Interesse, sondern auch historisch bedeutsam. Schon 1842 wurde die erste Strecke von Berlin nach Frankfurt (Oder) in Betrieb genommen. Vier Jahre später schloss sich die Verbindung Frankfurt – Breslau via Guben und Sorau an. Ein Ergebnis dieser neuen Strecke war auch der Bau des Schlesischen Bahnhofs – des heutigen Ostbahnhofs. Die Berliner nannten ihn bald auch den „polnischen Bahnhof“, denn polnische Arbeitskräfte kamen hier an, die in der deutschen Hauptstadt ihren Lebensunterhalt verdienen wollten. So diente die Bahnverbindung schon damals wirtschaftlichen Zwecken. IHK-Präsident Schweizer sieht die Notwendigkeit des Ausbaus aber auch sportlich: Er sei notwendig, „damit die Fußball-Freunde ruhiger schlafen können und es 2012 rechtzeitig zur Fußball-EM nach Polen schaffen.“

Tina-Marlu Kramhöller

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