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Viel los. Die Zugausfälle bei der Bahn bescherten vielen Reisenden einen chaotischen Vormittag.

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Update

Streik bei Lufthansa und Bahn: Piloten und Lokführer legen Verkehr teilweise lahm

Auch nach dem Ende der Streiks bei Bahn und Lufthansa müssen Reisende mit Verzögerungen rechnen. Der frühere Verfassungsrichter Di Fabio sagt: Auch Arbeitskampf der Kleingewerkschaften ist verfassungskonform.

Der Warnstreik der Lokführer hat am Samstagmorgen den Zugverkehr in vielen Teilen Deutschlands zum Erliegen gebracht. Von dem dreistündigen Arbeitskampf, zu dem die Lokführergewerkschaft GDL aufgerufen hatte, waren der Nah- und Fernverkehr ebenso betroffen wie S-Bahnen und der Güterverkehr. Die Schwerpunkte lagen nach Angaben der Deutschen Bahn in Berlin, im Norden Deutschlands, in der Region Leipzig sowie punktuell in Nordrhein-Westfalen und Bayern.

Einige Reisende mussten stundenlange Verspätungen in Kauf nehmen, mehrere Züge fielen komplett aus. Bei den Fernzügen würden die Auswirkungen noch den ganzen Tag zu spüren sein, sagte Bahn-Konzernsprecher Achim Stauß. Dies liege daran, dass abgestellte Züge erst wieder in den normalen Betriebsablauf integriert werden müssten. Die Auswirkungen der Streiks seien deutlich spürbar, sagte Stauß. Ein Chaos sei aber nicht entstanden, da kaum Berufspendler unterwegs seien.

Wie im Berliner Hauptbahnhof bildeten sich Menschentrauben in den Bahnhofshallen und auf Bahnsteigen. Sämtliche Zugverbindungen auf der elektronischen Anzeigentafel waren in Berlin mit meist mehrstündiger Verspätung angezeigt. Betroffen waren beispielsweise Reisende, die um 6.46 Uhr einen Zug nach Budapest nehmen wollten, der jedoch erst drei Stunden später einfuhr. Der Zug war am Ende überfüllt, da er auch von weiteren Reisenden etwa in Richtung Dresden genutzt wurde.

Die Bahn versuchte nach eigenen Angaben zum Teil mit Bus-Ersatzverkehren die Auswirkungen für die Reisenden abzumildern. Das Servicepersonal sei verstärkt worden. Kann die Reise nicht wie geplant angetreten werden, können Fahrgäste ihre Fahrkarten und Reservierungen kostenlos erstattet bekommen. Auch erlaubte die Bahn den Reisenden, ersatzweise teurere Zugverbindungen zu nutzen.

Lufthansa verweist auf die Bahn

Zahlreiche Lufthansa-Flüge werden am 05.09.2014 in Frankfurt am Main im Flughafen als annulliert angezeigt, nachdem die Piloten der Lufthansa mit ihrem Streik begonnen haben.
Zahlreiche Lufthansa-Flüge werden am 05.09.2014 in Frankfurt am Main im Flughafen als annulliert angezeigt, nachdem die Piloten der Lufthansa mit ihrem Streik begonnen haben.

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Zusätzlich hatten am Freitagnachmittag die Piloten der Lufthansa gestreikt. Die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) hatte von 17 Uhr an Mittelstreckenflüge, die vom größten deutschen Flughafen abfliegen, für sechs Stunden bestreikt. Rund 26.000 Passagiere waren vom zweiten Ausstand der Lufthansa-Piloten binnen sieben Tagen betroffen. Insgesamt hätten am Freitag 218 Flüge gestrichen werden müssen, sagte am Abend ein Unternehmenssprecher. 14.000 Passagiere wurden demnach auf andere Flüge oder die Bahn umgebucht oder hätten storniert. Zahlreiche Passagiere auf der Durchreise sollten die Nacht auf Feldbetten im Transitbereich des Flughafens Frankfurt verbringen.

Ein Sprecher verwies auf das Angebot für Kunden, bei innerdeutschen Verbindungen auch auf die Bahn umzusteigen. Doch die Deutsche Bahn dürfte an diesem Wochenende keine Alternative für gestrandete Lufthansa-Passagiere sein. Der Chef der Lokführergewerkschaft GDL, Claus Weselsky, hatte die Lokführer und alle Zugbegleiter im Personen- und Güterverkehr am Freitag zum bundesweiten Warnstreik aufgerufen. Auf Arbeitgeberseite gebe es „keinerlei Bewegung“, sagte Weselsky. Die Bahn wies dies zurück.

14.000 Passagiere umgebucht

Die Lufthansa hatte bereits am Mittag erste Flüge aus dem europäischen Ausland nach Frankfurt abgesagt, um den Flugbetrieb in der Nacht so schnell wie möglich wieder normalisieren zu können. Ab 16 Uhr musste dann der Großteil der innerdeutschen und europäischen Abflüge aus Frankfurt annulliert werden. Der Ansturm am Flughafen selbst hielt sich aber in Grenzen, die Schlangen vor den Check-in-Schaltern waren am späten Nachmittag noch nicht länger als sonst. „14.000 Passagiere haben umgebucht“, hieß es bei der Lufthansa. Am Samstag werde der Flugbetrieb wieder „weitgehend normal laufen“. Betroffen von den Streiks auf der Schiene und in der Luft waren auch Reisende im Rückreiseverkehr zum Ende der Schulferien in Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland.

Streiken ist ein Grundrecht

So ärgerlich der Arbeitskampf für viele Reisende ist – das Grundgesetz schütze dennoch Gewerkschaften und ihre Arbeitskämpfe. Darauf wies am Freitag der frühere Verfassungsrichter und in Bonn lehrende Professor Udo Di Fabio hin. Solche Streiks zu unterbinden, sei ein Eingriff, der „bis in den Kern des Grundgesetzes“ gehe, sagte Di Fabio in Berlin. Der Verfassungsexperte legte ein Gutachten zum von der Bundesregierung geplanten Gesetz zur Tarifeinheit vor.

Die von CDU und SPD favorisierte Festschreibung des Mehrheitsprinzips – nur der Tarif der größten Gewerkschaft eines Betriebs hat Gültigkeit – sei klar verfassungswidrig, sagte Di Fabio. Er hatte das Gutachten im Auftrag des Marburger Bundes erstellt. Die Ärztegewerkschaft fürchtet wie Piloten, Lokführer und Fluglotsen den Einheitszwang, von dem allenfalls die großen Verbände des Deutschen Gewerkschaftsbundes profitieren könnten. Die Bundesregierung will in diesen Tagen konkreter als bislang darüber beraten.

Arbeitsministerin arbeitet an gesetzlicher Regelung

Eine Sprecherin von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) sagte am Freitag, ungeachtet des Gutachtens arbeite die Bundesregierung weiter an einer gesetzgeberischen Regelung. Zum Herbst solle ein Vorschlag vorgelegt werden. Das Ministerium hatte zuvor bereits angekündigt, das Konzept werde verfassungsfest sein.

Sollte es den Zwang zur Tarifeinheit geben, sagte Di Fabio, werde die grundgesetzlich garantierte Koalitionsfreiheit für Arbeitnehmer und die Möglichkeit zum Arbeitskampf beschnitten. Und dies „ohne Not“, denn wenn überhaupt, könnte ein solch schwerer Grundrechtseingriff nur gerechtfertigt werden, wenn das Gemeinwohl massiv gefährdet wäre. Bei Piloten- und Lokführerstreiks sei dies aber nicht der Fall – zumal die Arbeitskämpfe nicht zeitgleich, sondern gestaffelt stattfänden. Der Marburger Bund wiederum einige sich mit den Klinikbetreibern im Streikfall auf ein Notdienstvereinbarung. (mit rtr)

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