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Demnächst auch Beamte? Der DGB hofft das, der Beamtenbund dagegen ist skeptisch. Und die Politik sieht keinen Handlungsbedarf.

© ddp

Streikverbot für Staatsdiener: Gewerkschaften sehen volles Streikrecht für Beamte in greifbarer Nähe

Ein Urteil des Düsseldorfer Verwaltungsgerichts lässt die Gewerkschaften am Streikverbot für deutsche Staatsdiener rütteln. Sie wollen das volle Streikrecht durchsetzen. Doch so ganz eindeutig ist die Rechtslage noch nicht.

Die Gewerkschaften fordern das volle Streikrecht für Beamte. Ermutigt durch ein kürzlich gesprochenes Urteil des Düsseldorfer Verwaltungsgerichts, wonach einer verbeamteten Lehrerin ein Recht auf Streik zugestanden wurde, gehen die Spitzen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sowie der Gewerkschaft der Polizei (GdP) davon aus, dass allen Beamten dieses Recht zustehen müsse. Unterstützt wird die Forderung von deren Dachverband, dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB).

Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hatte erklärt, dass Beamte nicht pauschal einem Streikverbot unterliegen. Allerdings wurde zwischen verschiedenen Beamten unterschieden und einer „Kernbeamtenschaft“ – etwa Polizisten – kein Streikrecht zugestanden. Und auch die Düsseldorfer Richter erklärten, trotz Streikrechts habe die klagende Lehrerin ihre Dienstpflichten verletzt – kurz: Streikrecht ist eine Grauzone.

„Die Urteile sind nur ein Schritt in die richtige Richtung“, sagte der GEW-Vorsitzende Ulrich Thöne dem Tagesspiegel. „Nun müssen wir das volle Streikrecht durchsetzen.“ Dazu erklärte die DGB-Vize-Chefin Ingrid Sehrbrock: „Ein Streikrecht für Beamte würde die Funktionsfähigkeit des Staates nicht gefährden.“ Auch der GdP-Bundesvorsitzende Bernhard Witthaut fordert volles Beamtenstreikrecht. „Was genau der Kernbereich des öffentlichen Dienstes sein soll, ist offen“, sagte Witthaut dem Tagesspiegel. Ohnehin würden die deutschen Gewerkschaften nur behutsam zu Arbeitsniederlegungen aufrufen. Bekämen Polizisten das Recht zu streiken, werde das Land nicht im Chaos versinken.

Zurückhaltender ist man beim Beamtenbund. In dem Verband, der mit knapp 40 kleineren Fachgewerkschaften mit dem DGB um Mitglieder konkurriert, geht man davon aus, dass das Düsseldorfer Urteil in der Berufung gekippt wird. „Frau Sehrbrock träumt“, hatte Beamtenbundchef Peter Heesen kürzlich im Tagesspiegel über die DGB-Frau gelästert.

Das Streikverbot für Beamte leitet sich nicht aus konkreten Gesetzen, sondern besonderen Treuepflichten der Staatsdiener ab, die dafür wiederum besondere Rechte wie den Kündigungsschutz genießen. Lange wurden Lokführer verbeamtet, weil die Bahn für die öffentliche Ordnung als besonders wichtig galt. In Europa ist das rigide deutsche Streikrecht die Ausnahme. Ulrich Battis, Verwaltungsrechtler an der Berliner Humboldt-Universität, geht davon aus, dass es hierzulande zu einer Modifizierung kommen wird. „Nicht alle Beamten braucht der Staat gleichermaßen, je nach ihrer Aufgabe müssten sie streiken dürfen“, sagte Battis dem Tagesspiegel.

Offiziell heißt es aus den Ministerien, dass sich das deutsche Beamtenrecht bewährt habe. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte, es gebe am Kernprinzip des Streikverbotes keinen Änderungsbedarf. Inoffiziell hieß es jedoch von Mitarbeitern zweier Ministerien, dass das Streikverbot in Teilen überholungsbedürftig sei. Die Berliner GEW hat für die kommenden Monate angekündigt, auch verbeamtete Lehrer zum Streik aufzurufen, sollten für Kollegen ab dem 55. Lebensjahr nicht eine Unterrichtsstunde und ab 60 Jahren nicht zwei Stunden pro Woche wegfallen. Berlins Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) äußerte sich auf Nachfrage nicht zu etwaigen Disziplinarstrafen gegen Lehrer im Ausstand. In Hamburg hatten verbeamtete Lehrer 2009 die Arbeit niedergelegt – die Stadt kam ihnen dann bei den Wochenstunden entgegen.

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