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Debatte ums Geld. Bislang durfte die Bundesbank stets über die Euro-Geldpolitik mitentscheiden - das wird in Zukunft anders sein.

© dpa

Streit um den Einfluss auf die Europäische Zentralbank: Litauen kommt, Deutschland verliert

2015 wächst der Euro-Raum, und der Einfluss der Bundesbank im Kreis der Währungshüter sinkt. Die CSU findet das problematisch.

Der Mann, den es ab Januar nächsten Jahres betrifft, schweigt. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann äußert sich nicht zur wieder aufgeflammten Debatte um die künftige Verteilung der Stimmrechte im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB). Dabei muss er bald einen Machtverlust hinnehmen: Ab kommendem Jahr wird Weidmann zeitweise über die Geldpolitik der EZB nicht mitbestimmen dürfen. Obwohl er das Land vertritt, das für den größten Anteil an der Notenbank steht.

Für die CSU ist das ein Unding. Zwar ist die Regelung bereits vor elf Jahren besiegelt worden, damit der Zentralbankrat auch bei einer steigenden Zahl von Euro-Mitgliedern arbeitsfähig bleibt. Die Partei hadert damit noch immer. „Die Aufnahme Litauens in den Euro steht bevor, deshalb wird die Debatte jetzt virulent“, sagte der Europa-Abgeordnete Markus Ferber dem Tagesspiegel. „Mit einer Abgrenzung zur AfD hat das nichts zu tun.“ Das Stimmrechtssystem müsse dringend reformiert werden. „Am Ende müssen ja die nationalen Haushalte für Verluste der EZB einstehen.“

Bislang ist eine Rotation vorgesehen, sobald es mehr als 18 Euro-Länder gibt. Ab 2015 kommt mit Litauen Mitglied Nummer 19. Zusammen mit den sechs EZB-Direktoriumsmitgliedern umfasst der EZB-Rat dann 25 Personen. Die nationalen Notenbankchefs werden in zwei Gruppen eingeteilt. Die erste umfasst die fünf stärksten Länder – Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, die Niederlande. Ihre Notenbankchefs dürfen alle fünf Monate nicht abstimmen. Zur zweiten Gruppe gehören die übrigen 14 Länder. Sie teilen sich elf Stimmen, rotieren also häufiger. Steigt die Zahl der Euro-Staaten auf 22, wird Gruppe zwei erneut geteilt.

„Eine blöde Regelung“, finden selbst einflussreiche Leute bei der Bundesbank. Doch von einer Neuregelung will man nichts wissen. Die Deutschen fürchten, dass noch ganz andere Themen diskutiert würden, wenn eine Debatte über Grundsätzliches begönne – etwa über ein stärkerer Einfluss der Parlamente auf die Geldpolitik. Denn die europäischen Verträge müssten geändert werden, um die komplizierte Stimmrechts-Regel zu kippen.

Dabei verfehlt sie sogar das Ziel, dass der Rat bei einer steigenden Zahl von Euro-Ländern effizient arbeiten und entscheiden kann. Unabhängig von der Rotation nehmen auch in Zukunft alle Ratsmitglieder an den EZB-Sitzungen  teil und diskutieren mit. Die Treffen dürften also kaum kürzer und effizienter werden.

Paradox ist die Debatte um die zeitweise Entmachtung der Deutschen zudem, weil sie durch das neue Verfahren sogar Macht hinzugewinnen. „Generell steigt mit der Rotation der Einfluss der großen Notenbanken in der EZB“, sagt Michael Schubert, Notenbank-Experte bei der Commerzbank. Sie dürften häufiger abstimmen als die kleinen. „Den kleinsten Ländern droht der größere Machtverlust.“ Unberührt vom neuen Verfahren bleiben das EZB-Kapital, die Verteilung des Gewinns und der Währungsreserven. Diese Abstimmungen orientieren sich am Anteil der jeweiligen Notenbank an der EZB – Deutschland hält 27,5 Prozent.

In der Vergangenheit ist es zudem nie auf eine einzige Stimme angekommen. Oft ließ EZB-Präsident Mario Draghi gar nicht abstimmen. Im November 2013 stimmten dem Vernehmen nach nur sechs der 24 Ratsmitglieder gegen die Zinssenkung, drei Viertel waren also dafür. Gleichwohl könnte in Zukunft natürlich eine Stimme den Ausschlag geben.

Vorerst ist Deutschland aber auf jeden Fall vertreten, auch wenn Weidmann zeitweise nicht abstimmen darf. Sabine Lautenschläger sitzt als EZB-Direktoriumsmitglied künftig ständig im Rat. Und die Hand heben darf sie auch.

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