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Wirtschaft: Streit um die Zinsen geht weiter

WIESBADEN / HAMBURG (Tsp).Der Streit über den richtigen Kurs in der Zinspolitik geht weiter.

WIESBADEN / HAMBURG (Tsp).Der Streit über den richtigen Kurs in der Zinspolitik geht weiter.In einem "Zeit"-Interview lehnte Bundesbank-Präsident Tietmeyer erneut Zinssenkungen, wie sie SPD-Chef Lafontaine gefordert hatte, ab.Tietmeyer sagte, Deutschland habe im europäischen Vergleich bereits die niedrigsten Zinssätze.Wie das Statistische Bundesamt mitteilte, blieb die Inflationsrate im September mit 0,8 Prozent auf dem niedrigsten Wert seit der Vereinigung.

Aufgrund starker saisonaler Einflüsse gaben die Preise für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte in Deutschland von August auf September sogar um 0,2 Prozent nach, teilte das Statistische Bundesamt mit.In Westdeutschland betrug die Teuerungsrate im Jahresvergleich wie schon im August nur noch 0,7 Prozent.Im Osten ging sie im September weiter von 0,9 Prozent auf 0,8 Prozent leicht zurück.Auch die Industrieproduktion ging zuletzt zurück.Wie das Bundeswirtschaftsministerium mitteilte, sank sie - nach vorläufigen Angaben - im August um 0,4 Prozent, nachdem noch im Vormonat ein Plus von 3,8 Prozent verzeichnet wurde.Die Betriebe in den alten Ländern hätten im September zwar 0,2 Prozent mehr hergestellt, doch im Osten sei der Ausstoß um 5,5 Prozent eingebrochen.

Ungeachtet dessen sieht die Bundesbankspitze aber vorerst keinen Handlungsbedarf und verweist auf die notwendige Konvergenz im Euro-Kreis.Eine Angleichung der kurzfristigen Zinssätze auf dem niedrigeren deutschen Niveau im Kreis der Teilnehmerländer der Währungsunion würde einer Zinssenkung für den gesamten Währungsraum gleichkommen, betonte Tietmeyer.Auch der französische Notenbankchef Jean-Claude Trichet erklärte, durch eine solche Zinsangleichung würde Europa einen großen Beitrag zum Weltwirtschaftswachstum leisten.Bereits am Dienstag hatte Spanien einen Anfang gemacht, eine Anpassung der kurzfristigen Zinsen vorgenommen und mit dem dritten Zinsschritt in diesem Jahr das Niveau um 0,5 Prozentpunkte auf 3,75 Prozent gesenkt.Der Währungsausschuß der Bank von England nahm am Mittwoch seine zweitägigen Beratungen über die Zinspolitik auf.Eine Entscheidung über eine mögliche Senkung der Leitzinsen von gegenwärtig 7,5 Prozent wird am Donnerstag erwartet.

Gegen eine koordinierte Zinssenkung in den Industrieländern sprach sich unterdessen Tomasso Padoa-Schioppa, Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB), auf einem Seminar der Weltbank aus.Gemeinsame Zinsschritte in Europa, Nordamerika und Asien seien keine Antwort auf die Risiken.Dies treffe besonders für die Euro-Zone zu, wo die Wirtschaftsdaten robust, die Inflationsraten niedrig und keine Anzeichen für Deflationsrisiken erkennbar seien.Mit Blick auf den aktuellen Rückgang der Rohstoffpreise infolge der Krise in Asien und Rußland sagte EZB-Chefvolkswirt Otmar Issing, gegenwärtig seien weder Inflations- noch Deflationsrisiken zu erkennen.Zwar stünden in einigen Ländern Preissenkungen Steuererhöhungen gegenüber.Doch alles in allem sei der Inflationsdruck gering.Andererseits lasse auch die durchschnittliche Inflationsrate in den Euroländern von 1,2 Prozent keine Deflationsgefahr erkennen.Trotzdem sei man sich dessen bewußt, daß es zu Deflationstendenzen kommen könne.Deflation passe mit dem Ziel, Preisstabilität zu sichern, nicht zusammen, erklärte Issing.

Tietmeyer wies im übrigen Überlegungen zurück, die Bundesbank könnte sich in ein Bündnis für Arbeit einbinden lassen."Die Zentralbank muß in ihrer Entscheidung frei bleiben," betonte er.Das gelte auch für die europäische Ebene.Im übrigen habe die Bundesbank dadurch, daß die kurz- und langfristigen Zinsen in Deutschland bereits auf ein Rekordtief gefallen sind, bereits ihren Beitrag für mehr Wachstum geleistet.

Der US-Dollar gab am Mittwoch weiter nach und notierte zum Fixing mit 1,6128 DM auf dem niedrigsten Stand seit 20 Monaten.Händler führten dies auf den stärkeren Yen und die Haltung der Bundesbank-Spitze zurück.Die US-Notenbank hatte unlängst die kurzfristigen Zinsen um 0,25 Prozentpunkte gesenkt.Mit weiteren Zinssenkungen ist zu rechnen, zumal US-Notenbankchef Alan Greenspan am Mittwoch von weiteren deutlichen Verschlechterungen der US-Wirtschaft sprach.Geldgeber würden sogar relativ geringe Kreditrisiken scheuen und sich zurückziehen, erklärte Greenspan.

Unter Deflation versteht man einen generellen Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität, die mit einem allgemeinen Preisverfall verbunden ist.Die Entwicklung einer Deflation, wie sie im Augenblick für die japanische Volkswirtschaft beschrieben wird, ist von einem plötzlichen Verfall der Preise, Löhne und Vermögenswerte - wie Immobilien - gekennzeichnet.Dabei führen anhaltende Preisrückgänge zu sinkenden Unternehmensgewinnen.Ohne entsprechende Kostenanpassung gehen sie über kurz oder lang in Konkurs.Die Arbeitslosigkeit steigt.Investitionen und Konsum gehen zurück, trotz fallender Preise weitet sich die Nachfragelücke aus.Mit dem Rückgang der Gewinne bleiben auch die Löhne zurück.Nicht zuletzt gehen mit dem Einbruch von Aktienkursen und Immobilienpreisen enorme Probleme einher.Vor allem Immobilien sind meist kreditfinanziert.Im Ernstfall übersteigen die Schulden das Vermögen.

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