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Gigantisch. Der Streit über die extralangen Lastwagen geht in die nächste Runde. Eine Studie im Auftrag der Bahnlobby rechnet mit einer Verlagerung von Bahn-Transporten auf die Straße. Die Industrie weist dies zurück. Die Gigaliner senkten den Verbrauch und entlasteten den Straßenverkehr.

© Maurizio Gambarini/ dpa

Streit um die Zulassung von Lang-Lkw: Aufprall der Argumente

Eine Studie der Bahn-Lobby warnt vor der Zulassung von Gigalinern. Täglich 7000 zusätzliche Fahrten mit Lang-Lkw seien zu erwarten. Die Industrie verteidigt hingegen die „Öko-Laster“.

Die Argumentationsketten der Befürworter und Gegner sind so lang wie der Gegenstand ihres Streits: Mit einer neuen Studie warnte die „Allianz pro Schiene“ am Montag vor einer Zulassung überlanger Lkw auf deutschen Straßen – und forderte damit die Hersteller heraus, abermals die Vorteile der gut 25 Meter langen Gigaliner zu unterstreichen. Mit einer Demonstration vor dem Brandenburger Tor will die Allianz an diesem Dienstag auf ihre Position aufmerksam machen.

Würden die Riesen-Laster zugelassen, seien täglich 7000 zusätzliche Lkw-Fahrten auf der Straße zu verkraften, schätzt die Studie. 7,6 Prozent des Schienengüterverkehrs würden auf die Straße verlagert, sagte der Mitautor der Studie, Herbert Sonntag von der Technischen Hochschule Wildau (THW). Die Folgen für die Umwelt und die Beschäftigung bei Eisenbahnunternehmen seien gravierend. 1000 Stellen gingen verloren. „Wenige Großspeditionen und einzelne Lkw-Hersteller profitieren, die Umwelt und der Steuerzahler zahlen die Zeche.“

Autoverband: Nicht mehr, sondern weniger Verkehr

Der deutsche Autoverband VDA argumentierte hingegen, Lang-Lkw seien „echte Öko-Laster“, die dabei helfen würden, den wachsenden Güterverkehr besser zu bewältigen. „Sie führen nicht zu mehr, sondern zu weniger Verkehr“, sagte VDA-Präsident Matthias Wissmann, der auf ein gemeinsames Projekt mit der Deutschen Bahn verwies. Bereits vor fünf Jahren habe man vereinbart, gemeinsam nach Konzepten zu suchen, die mehr Effizienz im Straßengüterverkehr brächten und durch kombinierten Transport auch den Schienengüterverkehr förderten. Zwei Lang-Lkw ersetzen laut Industrie rund drei konventionelle Laster.

Daimler, der größte Lkw-Hersteller der Welt, warf den Studienautoren Befangenheit vor: THW-Vizepräsident Herbert Sonntag sitze zugleich im Vorstand der „Allianz pro Schiene“.

Der Streit um Lang-Lkw ist ein Politikum: Die schwarz-rote Bundesregierung hat zwar im Koalitionsvertrag vereinbart, mehr Güterverkehr auf die Schiene bringen zu wollen, verhindert aber gleichzeitig nicht, dass ein steigender Anteil des wachsenden Güteraufkommens auf der Straße transportiert wird. Die „Allianz pro Schiene“ verweist darauf, dass die Eisenbahn mehr für Lärmreduktion, Trassenpreise und Strom zahlen (EEG-Abgabe) müsse. Gleichzeitig habe sich die Lkw-Maut reduziert – und somit der Straßengüterverkehr verbilligt. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) befürworte die Regelzulassung für Lang-Lkw, obwohl ein Feldversuch noch gar nicht abgeschlossen sei.

"Allianz pro Schiene" wirft Politik verkehrspolitische Naivität vor

Mit den bis zu 25 Meter langen und 44 Tonnen schweren Lkw läuft noch bis Ende 2016 ein Test, an dem sieben Bundesländer teilnehmen. Vier andere Länder sind mit ausgewählten Strecken dabei. Berlin und Brandenburg haben keine Strecken freigegeben. Bislang laufe der Versuch „sehr erfolgreich“, stellte das Verkehrsministerium am Montag fest. Weil zwei Lang-Lkw drei reguläre Lkw ersetzten, würden bis zu 25 Prozent Sprit eingespart und Straße wie Umwelt entlastet. „Verlagerungseffekte von der Schiene auf die Straße sind nicht eingetreten“, hieß es in einer Stellungnahme.

Die „Allianz pro Schiene“ wirft Länder- und Bundespolitikern „verkehrspolitische Naivität“ vor. Sie knickten vor „bestimmten Lkw-Herstellern“ ein. „Wenn Daimler wirklich glauben würde, mit dem Gigaliner weniger Lkw zu verkaufen, müssten die Aktionäre ihr Veto einlegen“, sagte Geschäftsführer Dirk Flege.

Schweden testet 90-Tonen-Laster

Die Schienen-Allianz fürchtet, dass der Feldversuch mit 25 Meter langen 44-Tonnern nur der Anfang ist. „Überall dort in Europa, wo Riesen-Lkw eingesetzt werden, wiegen sie bereits 60 Tonnen – etwa in den Niederlanden oder Dänemark“, heißt es. In Schweden, das im Vergleich zu Deutschland allerdings dünner besiedelt sei, liefen Versuche mit 30 Meter langen und 90 Tonnen schweren Lkw. Je größer die Fahrzeuge würden, desto größer seien die Gefahren für Umwelt und Sicherheit.

Die Autoindustrie argumentiert: „Die bisherigen praktischen Erfahrungen im Feldversuch zeigen, dass Lang-Lkw sicher, ruhig und vollkommen unauffällig im Straßenverkehr fahren.“ Zahlreiche aktive Sicherheitssysteme, mit denen die Fahrzeuge ausgestattet würden, ließen das „Unfallrisiko gegenüber herkömmlichen Lkw deutlich sinken“.

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