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Im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung fällt der deutsche Handelsüberschuss auf den Marshallinseln besonders ins Gewicht.

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Streit um Handelsüberschuss: Wen die deutschen Exporte tatsächlich belasten

Die USA kritisieren regelmäßig Deutschlands Handelsüberschuss. Dabei zählen die Vereinigten Staaten längst nicht zu den größten Verlierern der deutschen Exporte, zeigt eine Untersuchung.

Von Carla Neuhaus

Dass die Deutschen so enorm viele Waren in alle Welt exportieren, gefällt nicht jedem. Vor allem nicht Donald Trump. „The Germans are bad, very bad“, sagte er im Sommer. Die Deutschen seien sehr, sehr böse. Man müsse sich nur die vielen Autos anschauen, die aus der Bundesrepublik in die Vereinigten Staaten gingen, meinte der US-Präsident. Der Branchenverband VDMA rechnete Trump daraufhin zwar vor, wie viele Autos die Deutschen direkt in den USA fertigen. Trotzdem reißt die Kritik am deutschen Exportwunder nicht ab. Doch leiden die Handelspartner tatsächlich so stark unter dem Erfolg der deutschen Firmen? Um eine Antwort auf diese Frage zu finden, hat der Berliner Finanzdienstleister Vexcash jetzt die Daten von 192 Ländern ausgewertet, mit denen Deutschland Handel betreibt. Die Analysten wollten wissen, was die deutschen Exporte die Handelspartner gemessen an ihrer Wirtschaftskraft kosten. Das überraschende Ergebnis: Die USA zählen zumindest nach dieser Rechnung längst nicht zu den größten Verlierern der deutschen Handelspolitik.

Die USA liegen auf Rang 86

Zwar ist der Überschuss der Deutschen im Handel mit den Vereinigten Staaten enorm. Er liegt bei 48,96 Milliarden Euro. So viel mehr sind die Waren wert, die Deutschland in die USA exportiert, als die, die die Bundesrepublik aus den Staaten importiert. Doch setzt man diesen Überschuss ins Verhältnis zur Wirtschaftskraft der USA, kommt nur noch ein bescheidener Wert heraus: Demnach entspricht der deutsche Überschuss im Handel mit den USA gerade einmal 0,31 Prozent des amerikanischen Bruttoinlandsprodukts (BIP). Mit anderen Worten: Im Vergleich zum Wert aller Waren, die die USA im Jahr produzieren, ist der deutsche Handelsüberschuss fast vernachlässigbar. Stellt man diese Rechnung für alle Handelspartner auf, landen die USA auf der Liste derjenigen, die unter den deutschen Exporten leiden, so auch weit abgeschlagen – auf Rang 86.

Der größte Verlierer, wenn man so will, sind dagegen die Marshallinseln, ein Inselstaat im westlichen Ozean. Der deutsche Handelsüberschuss mit diesem Staat beträgt zwar nur 146 Millionen Euro – doch das entspricht fast 95 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Inseln. Zu erklären ist das vor allem mit der geringen Größe des Landes. Es gibt nur wenig Landwirtschaft (angebaut werden Kokosnüsse, Melonen und Brotfrüchte) und noch weniger Industrie. Der Inselstaat ist also besonders stark von Importen abhängig. Überraschender ist da schon Platz drei unter den Verlierern der deutschen Handelspolitik: Österreich. Der deutsche Exportüberschuss im Handel mit dem Nachbarland entspricht 6,5 Prozent der Wirtschaftskraft des Landes. Ähnlich sieht es im Handel mit Liberia, Estland und den Vereinigten Arabischen Emiraten aus. Diese Länder müssten sich also viel eher über den deutschen Handelsüberschuss beschweren als die USA.

Gleichzeitig gibt es aber auch immerhin 64 Ländern, in die die Deutschen weniger Waren verkaufen, als sie von dort beziehen. Darunter sind Staaten wie China, Vietnam, Irland oder Russland. Ihr Überschuss im Vergleich zur deutschen Wirtschaftskraft ist aber gering. Selbst das deutsche Handelsdefizit mit China entspricht nur 0,6 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung.

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