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Zwei Arbeiter bei der Montage einer Photovoltaik-Anlage auf einem Hausdach. Das könnte bei Neubauten bald Pflicht sein.

© FOTOLIA

Streit um Solarpflicht in der EEG-Novelle: Muss bald jeder Neubau Solarzellen auf dem Dach haben?

Einige Bundesländer preschen mit dem Plan vor, Photovoltaikanlagen bei Neubauten zur Pflicht zu machen. Doch selbst der Solarverband BSW ist klar dagegen.

Von Jakob Schlandt

Baden-Württemberg und Hamburg planen sie, die rot-rot-grüne Landesregierung von Berlin neigt dazu, und in einigen süddeutschen Kommunen gilt sie bereits: die Solarpflicht für neue Gebäude. Eine bundesweite Verpflichtung, Neubauten von vornherein mit Photovoltaikanlagen zu planen, hat jüngst auch der Klimakreis der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag per Eckpunktepapier ins Spiel gebracht. Der Zeitpunkt ist günstig: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz steht zur Novellierung an. Das Bundeswirtschaftsministerium will in Kürze seinen Entwurf in den Abstimmungsprozess mit den anderen Ministerien bringen.

Bisher weist allerdings nichts darauf hin, dass Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) den Vorschlag seiner Parteifreunde aus dem Klimakreis aufgreifen will. In Sachen Photovoltaik (PV) gilt er als Skeptiker. Eine Ministeriumssprecherin wollte vergangene Woche keine Stellung zu dem Thema nehmen. Sie teilte lediglich mit, man verfolge die Debatte über eine Einbaupflicht für PV-Anlagen.

In Baden-Württemberg müssen ab 2022 voraussichtlich auf allen neuen Nicht-Wohngebäuden PV-Anlagen installiert werden. Die entsprechende Vorgabe wurde Ende Juli mit der Novelle des baden-württembergischen Klimaschutzgesetzes beschlossen, im Herbst soll der Landtag darüber abstimmen.

Auch überdachte Parkplätze mit mindestens 75 Stellplätzen müssten demnach künftig mit Solaranlagen versehen werden. Für Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) ist der Solarpflichtpassus im Klimaschutzgesetz nach eigenen Worten nur der Einstieg in eine allgemeine Pflicht für Bauherren, Strom aus Sonnenenergie zu erzeugen.

Hamburg will die Solarpflicht 2023 einführen

Eigentlich hatten die Grünen eine Solarpflicht für alle neuen Gebäude angestrebt, doch sie konnten ihren Koalitionspartner CDU nicht dafür gewinnen. Umweltschützer kritisierten den Kompromiss. Der BUND etwa bemängelte, eine Solarpflicht, die sich nur auf gewerbliche Neubauten beschränke, erhöhe den Bestand an Photovoltaikanlagen kaum.

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Der rot-grüne Senat von Hamburg will die Solarpflicht sowohl für Gewerbe- als auch für Wohngebäude ab 2023 einführen. Die entsprechende Änderung des Hamburger Klimaschutzgesetzes legten die Koalitionäre bereits 2019 vor. 2025 wollen sie PV-Anlagen darüber hinaus bei vollständigen Dachsanierungen obligatorisch machen. Der Berliner Senat macht sich ebenfalls für eine Solarpflicht stark, trifft aber auf Widerstand aus der Wirtschaft. Die Berliner IHK warnt vor Belastungen für die Immobilienwirtschaft.

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Eine Absage kommt auch aus einer Organisation, die sonst vehement für einen beschleunigten Ausbau der Solarenergie eintritt: Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) hält ein striktes Muss für weniger erfolgversprechend als ein attraktives Kann: „Eine Anreizstruktur ist rechtlich weniger angreifbar, frei von Vollzugsdefiziten und bei Bürgern und Unternehmern deutlich beliebter“, sagt BSW-Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig. Deshalb zieht er eine Abschaffung der „Sonnensteuer“ für solare Selbst- und Direktversorger und eine Aufstockung der jährlichen PV-Ausbauziele im EEG einer Installationspflicht vor. Körnig hält eine Verdreifachung der Solaranlagen-Nachfrage bei einer „PV-, Speicher- und Prosumer-freundlichen EEG-Reform, dem Abbau von Marktbarrieren und der Einführung von moderaten CO2-Mindestpreisen im Stromsektor“ für realistisch.

EU-Initiative "Renovierungswelle" als Chance

Anders sieht das offenbar der europäische Dachverband Solar Power Europe (SPE). Er startete bei den EU-Institutionen 2019 eine Kampagne für eine Solarpflicht nicht nur für Neu-, sondern auch für Bestandsgebäude, die saniert werden. Bisher verbucht er aber lediglich den Report „Maximizing Energy Efficiency in Buildings“ als Erfolg, der am 6. Juli vom Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie des Europäischen Parlaments angenommen wurde.

Die Autoren plädieren für einen starken Ausbau der Solarenergie im Rahmen der EU-Initiative „Renovierungswelle“, die im September vorgestellt werden soll. Sie wird laut SPE ein paneuropäisches Solardachprogramm enthalten. Im September soll das EU-Parlament darüber abstimmen. Von einer Solarpflicht spricht der Dachverband inzwischen nicht mehr.

Kalifornien ist Vorreiter

Noch gibt es lediglich regionale oder lokale Beispiele auf dem Kontinent. Wien hat eine Solarpflicht für alle neuen Gebäude in der österreichischen Hauptstadt beschlossen. Auf den spanischen Balearen-Inseln sind PV-Anlagen auf großen Dächern, Parkhäusern, Einkaufszentren und öffentlichen Gebäuden obligatorisch. In der niederländischen Stadt Utrecht müssen Dächer künftig begrünt werden oder Solarmodule tragen.

Globaler Vorreiter ist der US-Bundesstaat Kalifornien, der Solaranlagen auf neuen Wohngebäuden zu Beginn dieses Jahres zur Pflicht gemacht hat. Wenige Wochen nach Inkrafttreten wurde die entsprechende Regelung allerdings aufgeweicht: Die kalifornische Hauptstadt Sacramento erhielt die Erlaubnis, Bauherren, die keine PV-Module auf ihren Dächern möchten, alternativ an einer kommunalen Freiflächenanlage zu beteiligen.

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