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Auf dem Boden der Tatsachen. Die Germania-Tochter Gambia Bird brachte Verluste ein. Das Bild zeigt eine Boeing der 1978 gegründeten Charterfluglinie, hier auf dem hessischen Airport Kassel-Calden.

© Uwe Zucchi/picture alliance / dpa

Streit unter Erben: Turbulente Zeiten für Berliner Charterfluglinie Germania

Bei der Berliner Charterfluggesellschaft Germania hatte man einst große Pläne: Doch eine Tochtergesellschaft in Afrika und einen Streit der Erben des Firmengründers haben die Airline ausgebremst.

Zehn Jahre nach dem Tod ihres legendären Gründers Hinrich Bischoff befindet sich die Berliner Germania Fluggesellschaft nicht mehr im Besitz von dessen Familie. Zudem ist das Unternehmen mit seinem gescheiterten Abenteuer einer westafrikanischen Tochtergesellschaft tief in die roten Zahlen geflogen. Und auch die Zusammenarbeit mit einem Schweizer Reiseveranstalter, für den extra eine weitere Tochter im Land der Eidgenossen gegründet worden war, ist nach wenigen Monaten wieder geplatzt.

Gerade hat sich Germania wieder einmal von einem Geschäftsführer getrennt. Rund ein halbes Dutzend davon hat die Airline seit 2005 verbraucht. Vor wenigen Wochen verließ Finanzchef Stephan Wenzel das Unternehmen. Seine Aufgaben werden vorerst von Karsten Balke mit übernommen. Der Berliner Rechtsanwalt ist seit 2012 Generalhandlungsbevollmächtigter und seit 2014 Geschäftsführer der Fluggesellschaft, er gilt als enger Vertrauter der Bischoff-Witwe Ingrid – und hat nun das Ruder in der Hand.

Tochter Gambia Bird flog Verluste ein

Mit Gambia Bird hatte Germania 2012 in Westafrika einen großen Coup landen wollen. Mit zwei Airbus A319 der Muttergesellschaft wurden Regionalstrecken sowie Verbindungen nach London und Barcelona bedient. Der Ausbruch der Ebola-Epidemie ließ das erhoffte Geschäft platzen, Ende 2014 musste der Betrieb eingestellt werden. Wie aus dem kürzlich im Bundesanzeiger veröffentlichten Geschäftsbericht für 2013 hervorgeht, hat Germania das Abenteuer rund 32 Millionen Euro gekostet. Nachdem man 2012 noch einen bescheidenen Gewinn von gut einer halben Million Euro verbuchen konnte, führte das im Folgejahr trotz einer 33-prozentigen Umsatzsteigerung auf 271 Millionen Euro bei der Germania Fluggesellschaft zu einem Verlust von 10,85 Millionen Euro.

Für 2014 prognostiziert Germania im ebenfalls veröffentlichten Nachtragsbericht gar einen Vorsteuerverlust von etwa 27 Millionen Euro. Denn nicht nur in Gambia hatte man Pech: 2014 wurden insbesondere um den Zeitraum der Fußball-WM in Brasilien kurzfristige Vollcharter-Aufträge im Volumen von rund 18 Millionen Euro storniert und konnten nur zu einem kleinen Teil durch kurzfristiges Ersatzgeschäft kompensiert werden. Umgerechnet gut sieben Millionen Euro kostete die Überholung eines gebraucht beschafften A321-Jets.

Auf mindestens drei Millionen Euro wird der in diesem Jahr entstandene Schaden durch den Wechsel eines störungsanfälligen Ticket-Systems geschätzt. Und der Schweizer Reiseveranstalter Hotelplan kündigte bereits nach der ersten Saison ohne Nennung von Gründen die Zusammenarbeit mit der eigens dort gegründeten Germania AG zum 31. Oktober. Die Schweizer Germania klagt gegen die Vertragsauflösung und hat dennoch gerade einen dritten Jet übernommen. Sie fliegt noch für die bosnische Air Prishtina sowie zwei kleinere Schweizer Veranstalter und bietet außerdem im Sommerflugplan 2016 eigene Linienflüge ab Zürich zu neun Destinationen im Mittelmeerraum und Ägypten.

Das Eigenkapital war zwischenzeitlich aufgebraucht

Die Eigenkapitalquote der Germania Fluggesellschaft ging von 54,4 Prozent im Jahr 2012 auf einen negativen Wert von 18,17 Prozent (minus 9,6 Millionen Euro) im vergangenen Jahr zurück. Zur Schaffung von zusätzlicher Liquidität sah sich die Fluggesellschaft gezwungen, im Oktober 2014 einen Teil ihrer Flugzeug- Ersatzteile zu verkaufen. Auch von zwei Hotels auf Usedom trennte sich das Unternehmen. Die Flugzeugflotte wurde um zwei Maschinen reduziert. Die damals noch im Besitz von Ingrid Bischoff und ihrem Sohn Erik befindliche S.A.T. Fluggesellschaft, der laut Geschäftsbericht für 2013 zu diesem Zeitpunkt insgesamt 13 der Germania-Flugzeuge gehörten, musste der Airline mit Krediten in einer Gesamthöhe von 17 Millionen Euro unter die Arme greifen.

Per Gesellschafterbeschluss vom 17. Juli 2015 wurde das Stammkapital der Germania Fluggesellschaft um zehn auf 15 Millionen Euro erhöht. Da Ingrid und Erik Bischoff laut Übernahmeerklärung auf ihr Bezugsrecht verzichteten, wurden die neuen Anteile von der Germania Beteiligungsgesellschaft übernommen, deren alleiniger Gesellschafter der heutige Geschäftsführer Karsten Balke ist. Auch die bisherigen Mehrheitsanteile von Erik und Ingrid Bischoff wurden im September auf die Beteiligungsgesellschaft übertragen, inzwischen folgten auch die Mehrheitsanteile von Mutter und Sohn an der S.A.T., über die die Familie noch einen fünfprozentigen Anteil an der Airline gehalten hatte.

"Mein Vater würde sich im Grab umdrehen"

Sie sei „nicht mehr die Jüngste“ und wisse die Fluggesellschaft „in guten Händen“, sagte Ingrid Bischoff dem Tagesspiegel. Sohn Erik erklärte dagegen auf Nachfrage, er wolle rechtliche Schritte zur Rückerlangung seiner Firmenanteile einleiten, die ihm wegen angeblicher Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen entzogen wurden. Als Sohn von Hinrich Bischoff wolle er in der Firma verbleiben. Eine Germania-Sprecherin wollte dazu keine Stellung nehmen: „Diesbezüglich liegen uns auch keinerlei bestätigte Informationen vor.“ Erik Bischoff sagte dieser Zeitung: „Mein Vater würde sich im Grab umdrehen.“

Während im ersten Quartal dieses Jahres dem Bericht zufolge ein Minus von 18 Millionen Euro eingeflogen wurde, verzeichnete man im zweiten Quartal eine starke Belebung des Geschäftes. Zusätzlich seien vielfältige Effizienzmaßnahmen eingeleitet worden, heißt es im veröffentlichten Geschäftsbericht. So will die Germania in diesem Jahr wieder in die Gewinnzone fliegen. Für 2015 erwarte man ein Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit in Höhe von rund acht Millionen Euro vor Steuern, heißt es. Die Liquidität für das laufende Jahr sei auf Basis der Planzahlen positiv. „Die Germania wird auch zukünftig ein positives Eigenkapital haben, aktuelle Zwischenstände geben wir allerdings nicht auf Monatsbasis heraus“, sagte eine Firmensprecherin.

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