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Strom und Gas: Geduld der Berliner Versorger hat Grenzen

Berlins Verbraucherschutzsenatorin Lompscher hatte wegen des Wetters an die örtlichen Versorger appelliert, säumigen Kunden nicht die Anschlüsse zu kappen. Die Zusage gilt - dennoch sitzen Berliner in Extremfällen kalt und dunkel.

Berlin - Christian Schneider ist krank, erkältet. Dass mag daran liegen, dass der ältere Herr aus Berlin-Moabit, dessen Namen wir geändert haben, sich seit mehr als sechs Wochen keine warme Mahlzeit mehr zubereitet, keinen Tee gekocht hat. Er hat auch kein elektrisches Licht. „Ich bin mit meinem Latein am Ende“, sagt er. Am 14. Dezember, hatte ihm der Stromversorger Vattenfall den Anschluss abgeklemmt, weil sich Schneiders Schulden auf 273 Euro summiert hatten. „Älteren Menschen kurz vor Weihnachten den Strom abdrehen: Das nenne ich böswillig oder sittenwidrig“, schimpft er.

Derartige Schicksale dürfte es in Berlin eigentlich nicht geben, könnte man meinen: Schließlich hatte Berlins Verbraucherschutzsenatorin Katrin Lompscher (Linke) in der zweiten Januarwoche an die örtlichen Versorger appelliert, säumigen Kunden wegen der Witterung nicht die Anschlüsse zu kappen. Noch am selben Tag, dem 8. Januar, sagten die Versorger Vattenfall und Gasag zu, „bis auf weiteres“ auf Abschaltungen zu verzichten. Zudem boten sie allen Problemkunden Kulanzlösungen an.

Diese Zusage hat Bestand. Vattenfall und Gasag teilten dem Tagesspiegel am Freitag mit, dass sie seit dem Versprechen vor drei Wochen keine Anschlüsse abgeschaltet haben. Die Gasag ließ nach eigenen Angaben in 350 Fällen Milde walten, Vattenfall verzichtete in rund 1000 Fällen auf den äußersten Schritt – hat aber mit 1,6 Millionen Kunden auch fast drei Mal so viele wie die Gasag. „Die witterungsbedingte Kulanzlösung kann allerdings nicht die Probleme beheben, die oft hinter sich anhäufenden Schulden stecken. Der verbrauchte Strom muss irgendwann bezahlt werden“, sagte Vattenfall-Sprecher Stefan Hönemann.

Bei Schneider aus Moabit ist es weiter dunkel – wie schätzungsweise bei einigen hundert Berlinern, die schon vor dem 8. Januar von der Versorgung abgeschnitten worden waren. Es sind Extremfälle, aber es gibt sie: Kunden, die durch ein mehrstufiges Raster der Versorger fallen. Vattenfall gibt an, dass 90 Prozent aller Kunden ihre Rechnungen termingerecht zahlen. Den anderen schickt das Unternehmen nach zwölf Tagen die erste Mahnung, zehn weitere Tage später geht die zweite Mahnung raus. Spätestens dann haben 99 Prozent bezahlt.

Bei dem verbleibenden Prozent, etwa 16 000 Kunden im Jahr, meldet sich dann ein Mitarbeiter eines Inkassobüros schriftlich oder telefonisch, um die Sache zu klären. In einem nächsten Schritt kommt dieser Mensch dann an die Haustür, um eine Einigung auf Barzahlung, Ratenzahlung oder Überweisung innerhalb von drei Tagen zu vereinbaren. Klappt auch das nicht, kommt er ein zweites Mal. Dann sind 36 Tage seit dem regulären Zahlungstermin vergangen. Vier von fünf Kunden mit Inkassokontakt zahlen. Einige können oder wollen nicht.

Schneider hatte mit Vattenfall vereinbart zunächst 150 der 273 Euro zu zahlen. Er überwies aber nur 100 Euro. Zu wenig, notierte ein Mitarbeiter ins Computersystem. Daher blieb der Anschluss tot. Und eine Freischaltung kostet 50 Euro extra. Vattenfall will erneut nach einem Kompromiss mit Schneider suchen. Sprecher Hönemann verweist auch darauf, dass das Unternehmen 2009 auch zwei Schuldnerberatungsstellen in Berlin-Lichtenberg und Neukölln mit einer Million Euro unterstützt hat. Auch im Kundencenter in der Sellerstraße könnten säumige Kunden Hilfe erhalten. Kevin P. Hoffmann

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