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Wirtschaft: Stromfirmen kämpfen um Rückstellungen

BONN .Beim Treffen der Vertreter der deutschen Stromkonzerne wollte Bundeswirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) am Mittwoch zunächst einmal nur ausloten, um wieviel Geld es bei den umstrittenen Rückstellungen der Energiewirtschaft eigentlich geht.

BONN .Beim Treffen der Vertreter der deutschen Stromkonzerne wollte Bundeswirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) am Mittwoch zunächst einmal nur ausloten, um wieviel Geld es bei den umstrittenen Rückstellungen der Energiewirtschaft eigentlich geht.Der Streit war vor einigen Wochen ausgebrochen.RWE, Veba und Co.hatten vehement gegen die Abgabenpläne der rot-grünen Koalition gewettert.RWE-Chef Dietmar Kuhnt sprach von "steuerlichen Mehrbelastungen von 25 Mrd.DM".Insbesondere dem früheren Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine warfen sie vor, daß er mit falschen Zahlen gerechnet habe und ihnen gewaltige Lasten aufbürdete.Und sie drohten sogar damit, die Bundesrepublik zu verlassen und ihre Arbeitsplätze mitzunehmen.Tatsächlich scheinen die steuerlichen Belastungen wesentlich geringer zu sein, erklärte kürzlich Wirtschaftsminister Müller.Er will daher mit den Konzernen verhandeln.

Zum Hintergrund: Die Kraftwerksbetreiber können aus mehreren Gründen Rückstellungen für die Atomkraftwerke bilden.So müssen sie etwa Geld vorhalten für den Abriß ihrer Meiler, aber auch für die Entsorgung abgebrannter Brennstäbe inklusive des Endlagerbaus.Darüberhinaus gibt es weitere Finanzpolster, etwa die Beseitigung kontaminierter Betriebsabfälle, wie Arbeitskleidung oder Öle.Insgesamt schätzen Fachleute, daß die Atomkonzerne seit Anfang der 60er Jahre fast 74 Mrd.DM an Rückstellungen auftürmen konnten - absolut steuerfrei, versteht sich.Ein schöner Batzen Geld, den die Konzerne nutzen konnten.Zwar werden die Milliarden irgendwann fällig, doch zwischenzeitlich können sie verwendet werden - und bringen auch hübsche Zinseinnahmen ein.Konzerne, wie RWE oder Veba, finanzierten so in den vergangenen Jahren umfangreiche Investitionsfeldzüge und kauften zahlreiche Entsorgungs- und Telekommunikationsfirmen auf.

Damit könnte es bald vorbei sein.Wobei Sozialdemokraten und Grüne nicht die ersten sind, die die Rückstellungen der Stromkonzerne anzapfen wollen.Auch der ehemalige Finanzminister Theo Waigel (CSU) plante das - und scheiterte.Die rot-grüne Regierung will nun auf mehreren Wegen die Milliarden anknabbern.Beispielsweise sollen die Konzerne länger sparen müssen, um die Kosten für den Abriß der Werke zusammenzutragen.Der Effekt dabei: Sie können pro Jahr weniger Rückstellungen bilden und müssen mehr Gewinn gegenüber dem Finanzamt offenbaren.Einzelne Rückstellungsarten sollen unzulässig werden, etwa für Mischoxid-Brennelemente.Vor allem aber sollen die Konzerne ihre Rückstellungen kräftig herunterrechnen.Die Folge: Der zu versteuernde Gewinn pro Jahr steigt und damit die Einnahmen beim Fiskus.

Kein Wunder, daß die Konzerne dies verhindern wollten und so sprachen sie von den besagten Mehrbelastungen von 25 Mrd.DM.Wirtschaftsminister Werner Müller hält dies jedoch für weit übertrieben.Die Konzerne müßten nicht nur Rückstellungen auflösen, sondern könnten in Zukunft auch wieder Rückstellungen bilden.Entsprechend sparten sie so dann wieder Steuern.

Wie der Kompromiß zwischen Regierung und Strombranche aussehen wird, ist schwer zu sagen.Doch Konzerne, wie RWE, sind dringend auf Gelder angewiesen.Ihre Investitionen in die Entsorgungs- und Telekommunikaktionsbranche erwiesen sich als Milliardengrab.Die Manager kauften die falschen Firmen und unterschätzten die Marktverhältnisse.Für die Zukunft stehen die Zeiten ohne Monopolgewinne auf Sturm.

ANDREAS HOFFMANN

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